DIE KRAMUTAS UND DIE PAPAPUSEN
Das war damals ein gesalzener Spaß, als
Leb recht Bunker seinen Herrn und Meister
fand, Lebrecht Bunker, dieser Sack voll Lügen,
dieser blaSphemische Fabulierer, dem's nach in
den Kaldaunen bramarbasierte, wenn er in
Gattes Namen endlich den Schnabel hielt.
Vater des Gedankens war der Förster
Krumm, ein Mann, der mit jedem Schritt
seinen ehrlichen Namen verleugnete, denn er
stolzierte daher wie eine wandelnde Tanne.
Seine Vertrauten waren der Amtsarzt Doktor
Linser und der Balbierer Feilschmied. Man
merkt: ein recht ungleichkalibrigeS Kleeblatt.
Förster Krumm also hatte einen vagierenden
Schreiber, verkrachten Philosophen, oder was
er sonst gewesen sein mochte, eines Tages ein-
fach hopp genommen, aber nicht etwa, um ihn
in den Kotter zu schicken, im Gegenteil: Krumm,
die Spürnase, witterte die Talente dieses über-
jährigen Findelknaben und faßte seinen Plan.
Schon am selben Abend wurde ein gewisser
Graf Falkenklau in die Tafelrunde eingeführt,
ein feinrasierter Mann um die Sechzig (das
Bartkratzen hatte Vetter Feilfchmied gratis
besorgt), in nobler, wenn auch etwas schlott-
riger Kluft, mit einer Halsbinde, wie man sie
hierzulande noch nicht gesehen hatte (eigentlich
war's ein Weiberfchal, von Frau Amtsarzt
Linser beigestellt), und sonstigen Attributen,
von denen wir nur eine Busennadel erwähnen,
mit drei Smaragden, die jeder Kenner bei Neu-
mond für echt gehalten hätte.
Gleich bei der Vorstellung war Lebrecht
Bunker ein wenig aus den Fugen geraten.
Denn der Graf war erst gegen neun erschienen,
die Korona aber schon um acht, lind Förster
Krumm, Doktor Linser und Feilschmied hatten
die Zwischenzeit benützt, ihrem Dpfer die Hölle
heiß zu machen, indem sie den zu gewärtigen-
den Edelmann mit Sagen umspannen.
„Hab schon viel von Ihnen gehört", wandte
sich Graf Falkenklau, nach Erledigung eines
belanglosen Präludiums, an Bunker, der mit
schiefer Schulter und gekränkter Miene dasaß.
„Herr Bankert? — wenn ich den Namen
behalten habe."
„Nein, B u n k e r", korrigierte dieser, nahm
aber den anzüglichen Irrtum nicht weiter übel,
froh, endlich zu Worte zu kommen.
„Sollen viele Jahre im Ausland verbracht
haben?" bemerkte der Graf.
„Antillen", erwiderte Bunker.
Der Graf wurde lebhaft. Er klopfte dem
Weltreisenden aus die Schulter, daß sie wieder
horizontal wurde. „Antillen?! — Kenne ich
wie meine Tasche. Hübsche Gegend. Freilich
nicht viel los dort, wenn man von den Kra-
mutaS ab sieht."
„Die KrainutaS — immerhin", nickte Bun-
ker und wurde etwas unruhig.
„Donnerwetter!" schlug Förster Krumm die
Faust auf den Tisch, „blnd gerade von den
KramutaS hast du uns kein Sterbenswort er-
zählt."
„Schieß los, Bonker", begehrten die andern.
Die Tafelrunde bestand aus vierzehn Personen,
den Grafen nicht mitgezählt.
„Es sind Säulenheilige", sagte Blinker ent-
schlossen.
„Wie das?" nahm der Graf das Wort und
zog ein Spitzentaschentuch aus seiner Man-
schette. „Eine Verwechslung, mein Teurer. Sie
dachten offenbar an die Papapusen. Käuze,
sage ich! Zum Teil auch Betrüger. Was will
man machen! Die Leute wollen leben."
„Ganz meine Meinung!" beeilte sich Blinker
zu versichern. „Man soll niemand die Butter
vom Brot nehmen. Ich kannte Papapusen,
die ab zehn lllhr abends ganz umgängliche
Kerle waren. Freilich soffen sie mehr als ihnen
gut tat."
Der Graf ließ das Spitzentaschentuch wieder
in der Manschette verschlvinden. „Es sind
Temperenzler, mein Herr."
„Stimmt", erwiderte Bunker ungerührt.
„Ich spreche von dieser verfluchten Mandel-
milch, die sie init Ingwer ansetzen. DaS
schwemmt ihnen die Bäuche aus."
„Schön und gut", sagte Feilschmied, „mögen
sie platzen, die Papapusen, lvenn es ihnen be-
liebt. Jetzt aber geht S uin die KramutaS und
dli mußt Farbe bekennen!"
Bunker wiegte das Haupt. „Jawohl, die
KramutaS, die gaben lins tüchtig was zu
knacken. Aber Lebrecht Bunker ist nicht der
Mann, der sich ins Bockshorn jagen läßt."
Er fuchtelte wild mit den Armen. „Da müssen
andere kommen!"
„Sie sind ein Spaßvogel", lachte der Graf.
Bunker war im Zuge: „Einmal nahm ich
zwei von ihnen ins Gebet, baumlange Halun-
ken, mit Muskeln wie Stricke —."
Der Graf bekam einen regelrechten Lach-
anfall. „Ein Schlverenöter sind Sie", stöhnte
er, „ein schwefelsaurer Luftikus, ein Millionen-
maul —!"
Bunker ließ sich durch diese Komplimente
nicht aus dem Konzept bringen. „So hielt ich
sie beim Kragen und schüttelte sie, daß man
ihre Seelen klappern hörte."
„Tragen sie Bärte, die KramutaS?" fragte
Feilschmied.
Bunker warf ihm einen vernichtenden Blick
zu. „Ob sie Bärte tragen?! — Da würdest
(Fortsetzung Seite 775)
M a 5 o n
Wenn er sich was wünschen dürfte
„0 Herr, zeigt dir dein Glas nicht dort am Rand der Oase eine Karawane
von Leuten mit Kino-Apparaten, für die wir tanzen dürfen und dann bekommen
wir süßen Schnaps und Perlenschnüre, glänzend wie das Weiße am Zebra und
lang wie der Ilals einer Giraffe?(< — „Mein Sohn, du siehst eine Fata Morgana,
die aufhören wird, wenn dir die Sonne nicht mehr auf den Scheitel brennt.“
773
Das war damals ein gesalzener Spaß, als
Leb recht Bunker seinen Herrn und Meister
fand, Lebrecht Bunker, dieser Sack voll Lügen,
dieser blaSphemische Fabulierer, dem's nach in
den Kaldaunen bramarbasierte, wenn er in
Gattes Namen endlich den Schnabel hielt.
Vater des Gedankens war der Förster
Krumm, ein Mann, der mit jedem Schritt
seinen ehrlichen Namen verleugnete, denn er
stolzierte daher wie eine wandelnde Tanne.
Seine Vertrauten waren der Amtsarzt Doktor
Linser und der Balbierer Feilschmied. Man
merkt: ein recht ungleichkalibrigeS Kleeblatt.
Förster Krumm also hatte einen vagierenden
Schreiber, verkrachten Philosophen, oder was
er sonst gewesen sein mochte, eines Tages ein-
fach hopp genommen, aber nicht etwa, um ihn
in den Kotter zu schicken, im Gegenteil: Krumm,
die Spürnase, witterte die Talente dieses über-
jährigen Findelknaben und faßte seinen Plan.
Schon am selben Abend wurde ein gewisser
Graf Falkenklau in die Tafelrunde eingeführt,
ein feinrasierter Mann um die Sechzig (das
Bartkratzen hatte Vetter Feilfchmied gratis
besorgt), in nobler, wenn auch etwas schlott-
riger Kluft, mit einer Halsbinde, wie man sie
hierzulande noch nicht gesehen hatte (eigentlich
war's ein Weiberfchal, von Frau Amtsarzt
Linser beigestellt), und sonstigen Attributen,
von denen wir nur eine Busennadel erwähnen,
mit drei Smaragden, die jeder Kenner bei Neu-
mond für echt gehalten hätte.
Gleich bei der Vorstellung war Lebrecht
Bunker ein wenig aus den Fugen geraten.
Denn der Graf war erst gegen neun erschienen,
die Korona aber schon um acht, lind Förster
Krumm, Doktor Linser und Feilschmied hatten
die Zwischenzeit benützt, ihrem Dpfer die Hölle
heiß zu machen, indem sie den zu gewärtigen-
den Edelmann mit Sagen umspannen.
„Hab schon viel von Ihnen gehört", wandte
sich Graf Falkenklau, nach Erledigung eines
belanglosen Präludiums, an Bunker, der mit
schiefer Schulter und gekränkter Miene dasaß.
„Herr Bankert? — wenn ich den Namen
behalten habe."
„Nein, B u n k e r", korrigierte dieser, nahm
aber den anzüglichen Irrtum nicht weiter übel,
froh, endlich zu Worte zu kommen.
„Sollen viele Jahre im Ausland verbracht
haben?" bemerkte der Graf.
„Antillen", erwiderte Bunker.
Der Graf wurde lebhaft. Er klopfte dem
Weltreisenden aus die Schulter, daß sie wieder
horizontal wurde. „Antillen?! — Kenne ich
wie meine Tasche. Hübsche Gegend. Freilich
nicht viel los dort, wenn man von den Kra-
mutaS ab sieht."
„Die KrainutaS — immerhin", nickte Bun-
ker und wurde etwas unruhig.
„Donnerwetter!" schlug Förster Krumm die
Faust auf den Tisch, „blnd gerade von den
KramutaS hast du uns kein Sterbenswort er-
zählt."
„Schieß los, Bonker", begehrten die andern.
Die Tafelrunde bestand aus vierzehn Personen,
den Grafen nicht mitgezählt.
„Es sind Säulenheilige", sagte Blinker ent-
schlossen.
„Wie das?" nahm der Graf das Wort und
zog ein Spitzentaschentuch aus seiner Man-
schette. „Eine Verwechslung, mein Teurer. Sie
dachten offenbar an die Papapusen. Käuze,
sage ich! Zum Teil auch Betrüger. Was will
man machen! Die Leute wollen leben."
„Ganz meine Meinung!" beeilte sich Blinker
zu versichern. „Man soll niemand die Butter
vom Brot nehmen. Ich kannte Papapusen,
die ab zehn lllhr abends ganz umgängliche
Kerle waren. Freilich soffen sie mehr als ihnen
gut tat."
Der Graf ließ das Spitzentaschentuch wieder
in der Manschette verschlvinden. „Es sind
Temperenzler, mein Herr."
„Stimmt", erwiderte Bunker ungerührt.
„Ich spreche von dieser verfluchten Mandel-
milch, die sie init Ingwer ansetzen. DaS
schwemmt ihnen die Bäuche aus."
„Schön und gut", sagte Feilschmied, „mögen
sie platzen, die Papapusen, lvenn es ihnen be-
liebt. Jetzt aber geht S uin die KramutaS und
dli mußt Farbe bekennen!"
Bunker wiegte das Haupt. „Jawohl, die
KramutaS, die gaben lins tüchtig was zu
knacken. Aber Lebrecht Bunker ist nicht der
Mann, der sich ins Bockshorn jagen läßt."
Er fuchtelte wild mit den Armen. „Da müssen
andere kommen!"
„Sie sind ein Spaßvogel", lachte der Graf.
Bunker war im Zuge: „Einmal nahm ich
zwei von ihnen ins Gebet, baumlange Halun-
ken, mit Muskeln wie Stricke —."
Der Graf bekam einen regelrechten Lach-
anfall. „Ein Schlverenöter sind Sie", stöhnte
er, „ein schwefelsaurer Luftikus, ein Millionen-
maul —!"
Bunker ließ sich durch diese Komplimente
nicht aus dem Konzept bringen. „So hielt ich
sie beim Kragen und schüttelte sie, daß man
ihre Seelen klappern hörte."
„Tragen sie Bärte, die KramutaS?" fragte
Feilschmied.
Bunker warf ihm einen vernichtenden Blick
zu. „Ob sie Bärte tragen?! — Da würdest
(Fortsetzung Seite 775)
M a 5 o n
Wenn er sich was wünschen dürfte
„0 Herr, zeigt dir dein Glas nicht dort am Rand der Oase eine Karawane
von Leuten mit Kino-Apparaten, für die wir tanzen dürfen und dann bekommen
wir süßen Schnaps und Perlenschnüre, glänzend wie das Weiße am Zebra und
lang wie der Ilals einer Giraffe?(< — „Mein Sohn, du siehst eine Fata Morgana,
die aufhören wird, wenn dir die Sonne nicht mehr auf den Scheitel brennt.“
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