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AUTOBIOGRAPHIE

Auf einem Fließband kam ich zur Welt,
als Vierzylinder vierzig-null-sieben.

Dann war ich beim Händler ausgestellt,
bin aber nicht lange dort geblieben.

Mich kaufte ein Herr mit Namen Meier.

Auf Stottern. Denn per Kasse war ich zu teuer

Mit ihm habe ich ganz Deutschland durchmessen,
von West nach Ost, von Süden nach Norden;
habe dreihunderttausend Kilometer gefressen
und bin davon nicht schöner geworden,
ln Sommer und Winter, bei Hitze und Schnee —.
Da tut einem die Kurbelwelle weh!

Er fuhr auf mir, eine Dame zur Seite . .
Wir wai'en elegant, drum sah man uns gern
Doch vor der dritten Rate machte er pleite,
und ich bekam einen anderen Herrn.

Er hieß Fritz Buschbeck und war Vertreter
in Wiener und Offenbacher Leder.

Da gab es Pannen. Da gab es Schrammen.

Oft hab ich vor Schmerz mit dem Boschhorn geheult.
Da stieß man mit einem andern zusammen
und hat sich die Kotflügel arg verbeult.

Und so mancher Schupo in mancher Sladl
beglückte uns mit einem Strafmandat.

So ging mein Leben seit sieben Jahren . . .

Doch vorigen Mittwoch war es vorbei
Ein riesiger Lastzug hat uns überfahren,
und ich ging rettungslos entzwei!

Mein Herr kam davon mit ’nem Rippenbi uch,
bald kommt er geheilt aus dem Krankenhaus.

Ich aber, ich habe für immer genug.

Ich werde verschrottet. Mit mir ist’s aus!

4 an s Sei f fe rt.

Drei Stunden später war der Beginn des Rennens. Ich saß in dem
Rennwagen, in dem wir den Störsender untergebracht hatten. Harry
schärfte mir nach alles ein, dann begab er sich zu der Koje, in der unsere
Ersatzreifen waren.

Jjd) war aufgeregt. Wenn alles glückte und wir das Rennen gewannen,
winkte uns der erste Preis im Betrage von 30 000 Dollar. Wir hatten
schon länger nichts mehr verdient, unsere Kasse war ziemlich leer.

Was den Start und das Rennen erschweren sollte, war unser Glück;
man fuhr nicht auf Zeit, sondern alle Wagen gingen gleichzeitig vom
Start weg. Die weiße Fahne senkte sich; die Wagen fuhren los. Ich
ließ mir Zeit; ich sah, daß Johns Auto knapp Anschluß an die anderen
Wagen hatte. Ich fuhr an unserer Koje vorbei; Harry winkte inir auf-
geregt, neben ihm stand lächelnd Bessie und kokettierte mit einem Polizisten.

Schnurgerade lag die breite Straße vor mir. Ich schloß die Augen
und setzte meinen Störsender in Betrieb. Vor meinem geistigen Auge sah
ich bereits die Wirkung: Johns Auto fuhr plötzlich den anderen Autos
vor, während diese langsamer wurden. Nervös griffen die einzelnen
Fahrer nach Hebeln und Knö, fen, aber es nützte nichts. Ihre Autos
blieben zurück, ja es war, als ob sie alle in einer Reihe langsam dahin-
schlichen. Wie eine Reihe marschierender Soldaten kamen sie daher. Ich
sah die Aufregung des Publikums, während mein Auto mit dem geheim-
nisvollen Störsender dieser ausgerichteten Reihe der geschlagenen Autos
folgte wie ein treuer Hund.

Jetzt aber mußte ich die Augen öffnen; die Straße mußte bald eine
Kurve haben, blnd was sah ich?

Ich traute meinen Augen nicht! Vor mir fuhr ein Auto; es war
Johns Auto, Johns alter Rennwagen, blnd ferne, kaum mehr zu be-
merken, sausten die anderen Autos. Und sie fuhren nicht in einer Reihe,
wie ich gehofft hatte, sie fuhren, wie eS bei einem richtigen Autorennen
zu fein hat, eines weiter vorne, eines mehr hinten ...

Hatte mein Sender einen Fehler? Ich untersuchte die Hebel, die Schal-
tungen: Alles war in Ordnung. Und jetzt sah ich auch, daß ein Auto,
das auf einer Nebenstraße fuhr, plötzlich langsamer wurde und stehen
zu bleiben schien. Es war ein Auto, das nicht an dem Rennen teilnahm,
das nur einen neugierigen Reporter bis zur Kurve bringen sollte. Dieser
Umstand bewies mir, daß mein Störapparat funktionierte. Aber warum
wirkte er nicht auf die Rennautos? .. .

Ich zerbrach mir weiter den Kopf nicht. Als ich bei der zweiten Runde
an Harry vorbeikam, drohte er mir wütend mit der Faust. Ich zuckte
die Achseln...

Wir gewannen das Rennen nicht. John wurde Vorletzter, ich Letzter.

Harry fluchte, wie wir ihn noch nie gehört hatten. Er sagte:

„Jack, ich erwürge dich! Warum hast du den Störsender nicht bedient?"

„Ich? Ich tat, was ich konnte. Er funktionierte! Nur die Rennautos
waren unempfindlich."

„Das verstehe ich nicht", schrie Harry. Da trat John heran und
sagte grinsend:

„Habe ich nicht gleich gesagt, daß unsere beiden AutoS nichts wert
sind? Wie konntest du, Harry, überhaupt —"

„Schweig, Prärieschaf aller Prärieschafe!"

John war beleidigt und fragte:

„Wo ist Bessie?"

„Bessie? Sie ist mit einem Polizisten verschwunden! Sie läßt dicb
grüßen und läßt dir sagen, daß sie mit einem so schlechten Rennfahrer
nichts mehr zu tun haben will! Gerechte Strafe!"

John seufzte. Da kam der Sieger des Rennens zu uns, schüttelte
John die Hand und sagte:

„DaS war nett von Ihnen, daß Sie mir empfohlen haben, die Motor-
haube mit diesem merkwürdigen Gemisch zu bestreichen! Mein Wagen
fuhr wirklich tadellos, fast besser als sonst! tänd da ich mich erkenntlich
zeigen will, nehmen Sie von dem Preis, den ich erhielt, zehn Prozent!
Hier, mein Herr, sind 3000 Dollar!"

Er lächelte und ging.

Harry starrte John an.

„Du hast ihm gesagt, er soll die Motorhaube anstreichen?"

John sah dumm vor sich hin und sage:

„Ja, ich habe es ihm und allen anderen auch gesagt. Sie beschmierten

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Hans Seiffert: Auto-Biographie
Rubey: Illustration zum Text "Autorennen in Amerika"
 
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