Mr. Brown sonnt sich
i.
Seit Mr. Brown iMc Führung seiner Schuh-
fabrik seinen Söhnen überlassen und sich mehr
aus die bilanzmäßigen Erträgnisse zurück -
gezogen hatte, war es sein liebstes Vergnügen,
an jedem halbwegs schönen Vormittag zum
Goodyear-Park hinauszupilgern.
Inmitten der göttlichen Ratnr, umgeben
von Blüten und Vogelgezwitscher, saß er dort,
um sorglos-angeregt einen der Wallace-Romane
zu lesen und dabei, waS die Hauptsache war,
sein rechtes Bein lang aus der Bank auszu-
strecken.
Dieses Bein war nämlich von der Podagra
heimgesucht und die Sonne tat ihm wohl.
Aber ans seiner Bank, aus der einzigen
Bank im Rischengrnnd, saß bereits einer da.
Erbitterung, Groll überkam Mr. Brown.
Sicher, Mr. Brown hätte sich ebensogut
auf einer der vielen anderen Bänke im Park
niederlassen können, -aber gerade diese Bank
stand so richtig sonnseitig und war für ein
BeinauSstrerken so fabelhaft günstig und un-
gestört. blnd dann war sie ihm schon durch die
Gewohnbeit besonders lieb.
Mr. Brown hätte den Kerl auf der Bank
am liebsten beim Kragen geparkt.
Aber er hielt an sich.
Der Kerl auf der Bank sah nämlich aus-
gesprochen rabiat und verkommen aus. Sein
Gesicht war mit wüsten Bartstoppeln durch-
setzt, der Rockkragen hochgeschlagen, die
Schirnnnütze tief in die Stirn gedrückt und
auch sonst war er keinesfalls jener Typ, dem
man gerne auf einsamer Landstraße begegnen
möchte. Empörend, unerhört. Dabei saß der
Mensch genau in der Mitte der Bank. Von
einem Beinausstrecken konnte also keine Rede
sein.
Mr. Brown räusperte sich indigniert.
Wortlos und ohne den lästigen Patron eines
weiteren Blickes zu würdigen, ließ er sich in der
äußersten Bankecke nieder.
Er nahm seinen Wallaee-Roman zur Hand
und zog umständlich seine Brille und dann sein
Taschentuch hervor. Dabei streute er eine
funkelnagelneue Fünszig-Dollar-Rote aus der
Tasche heraus. Zweimal zusammengefaltet, wie
sie war, lag sie, braunbläulich faszinierend, da
aus dem KieS. Mr. Brown aber bemerkte es
nicht. Er putzte sorgfältig die Brille und sattelte
sie ans. Dann versorgte er sein Taschentuch
und drehte dem Mann aus der Bank ostentativ
den Rücken, um sich endgültig in sein Buch zu
versenken.
vjn den stieren Augen des Rachbars auf
der Bankmitte spielte plötzlich ein eigenartiges
Glitzern.
Er sasz zwar weiter apathisch und unbeweg-
lich da, aber sein eines Bein fing an, sich
langsam und nnmerklich sowie immer mehr
nach seitSwärtS abzuzweigen, so lange, bis es
die Dollarnote erreicht hatte, die es mit der
Fußspitze behutsam und lautlos sowie auf dem
gleichen Weg ganz nahe an seinen Chef und
Auftraggeber heranschleifte. Der Mann bückte
sich jetzt und zog seinen Schuhriemen fester.
Dabei ließ er den Geldschein verschwinden.
Dann erhob er sich, schob die Hände in die
Hosentaschen und schleuderte psisselnd den
Kiesweg hinunter.
II.
Der Mann strebte hastig zum Park hinaus und
eilte ein paar Kreuz- und Quergassen hinunter.
Erst nach einer Weile blieb er halten.
Sorgfältig entfaltete er den Fünszig-Dollar-
schein, den er freudig musterte und drehte.
Sein Blick wurde plötzlich starr und weit.
Ans der Rückseite der Goldnote, in schönen,
roten Lettern gedruckt, war zu lesen:
Mit diesen fünfzig Dollar werden Sie nicht
weit kommen. Hingegen mit Mr. Browns
garantiert erstklassigen Lederstrapazschuhen
können Sie bis ans Ende der Welt schreiten.
R. L.
Sauer
Geburtstagsfeier
Der Prokurist beginnt seine Begrüßungsansprache: „Ungebeugt durch die Last der Jahre . . . . ‘
„Ilörnsc auf, Meier, was gehen Sie meine Lasterfahre an?“
«*•
805
i.
Seit Mr. Brown iMc Führung seiner Schuh-
fabrik seinen Söhnen überlassen und sich mehr
aus die bilanzmäßigen Erträgnisse zurück -
gezogen hatte, war es sein liebstes Vergnügen,
an jedem halbwegs schönen Vormittag zum
Goodyear-Park hinauszupilgern.
Inmitten der göttlichen Ratnr, umgeben
von Blüten und Vogelgezwitscher, saß er dort,
um sorglos-angeregt einen der Wallace-Romane
zu lesen und dabei, waS die Hauptsache war,
sein rechtes Bein lang aus der Bank auszu-
strecken.
Dieses Bein war nämlich von der Podagra
heimgesucht und die Sonne tat ihm wohl.
Aber ans seiner Bank, aus der einzigen
Bank im Rischengrnnd, saß bereits einer da.
Erbitterung, Groll überkam Mr. Brown.
Sicher, Mr. Brown hätte sich ebensogut
auf einer der vielen anderen Bänke im Park
niederlassen können, -aber gerade diese Bank
stand so richtig sonnseitig und war für ein
BeinauSstrerken so fabelhaft günstig und un-
gestört. blnd dann war sie ihm schon durch die
Gewohnbeit besonders lieb.
Mr. Brown hätte den Kerl auf der Bank
am liebsten beim Kragen geparkt.
Aber er hielt an sich.
Der Kerl auf der Bank sah nämlich aus-
gesprochen rabiat und verkommen aus. Sein
Gesicht war mit wüsten Bartstoppeln durch-
setzt, der Rockkragen hochgeschlagen, die
Schirnnnütze tief in die Stirn gedrückt und
auch sonst war er keinesfalls jener Typ, dem
man gerne auf einsamer Landstraße begegnen
möchte. Empörend, unerhört. Dabei saß der
Mensch genau in der Mitte der Bank. Von
einem Beinausstrecken konnte also keine Rede
sein.
Mr. Brown räusperte sich indigniert.
Wortlos und ohne den lästigen Patron eines
weiteren Blickes zu würdigen, ließ er sich in der
äußersten Bankecke nieder.
Er nahm seinen Wallaee-Roman zur Hand
und zog umständlich seine Brille und dann sein
Taschentuch hervor. Dabei streute er eine
funkelnagelneue Fünszig-Dollar-Rote aus der
Tasche heraus. Zweimal zusammengefaltet, wie
sie war, lag sie, braunbläulich faszinierend, da
aus dem KieS. Mr. Brown aber bemerkte es
nicht. Er putzte sorgfältig die Brille und sattelte
sie ans. Dann versorgte er sein Taschentuch
und drehte dem Mann aus der Bank ostentativ
den Rücken, um sich endgültig in sein Buch zu
versenken.
vjn den stieren Augen des Rachbars auf
der Bankmitte spielte plötzlich ein eigenartiges
Glitzern.
Er sasz zwar weiter apathisch und unbeweg-
lich da, aber sein eines Bein fing an, sich
langsam und nnmerklich sowie immer mehr
nach seitSwärtS abzuzweigen, so lange, bis es
die Dollarnote erreicht hatte, die es mit der
Fußspitze behutsam und lautlos sowie auf dem
gleichen Weg ganz nahe an seinen Chef und
Auftraggeber heranschleifte. Der Mann bückte
sich jetzt und zog seinen Schuhriemen fester.
Dabei ließ er den Geldschein verschwinden.
Dann erhob er sich, schob die Hände in die
Hosentaschen und schleuderte psisselnd den
Kiesweg hinunter.
II.
Der Mann strebte hastig zum Park hinaus und
eilte ein paar Kreuz- und Quergassen hinunter.
Erst nach einer Weile blieb er halten.
Sorgfältig entfaltete er den Fünszig-Dollar-
schein, den er freudig musterte und drehte.
Sein Blick wurde plötzlich starr und weit.
Ans der Rückseite der Goldnote, in schönen,
roten Lettern gedruckt, war zu lesen:
Mit diesen fünfzig Dollar werden Sie nicht
weit kommen. Hingegen mit Mr. Browns
garantiert erstklassigen Lederstrapazschuhen
können Sie bis ans Ende der Welt schreiten.
R. L.
Sauer
Geburtstagsfeier
Der Prokurist beginnt seine Begrüßungsansprache: „Ungebeugt durch die Last der Jahre . . . . ‘
„Ilörnsc auf, Meier, was gehen Sie meine Lasterfahre an?“
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