Das Leben ein Traum
Sailer
Ein Auto sollt* man halt haben! Ein
\uto!
Ich würd* damit nach Baden-Baden
fahren und dort die Bank sprengen!
Natürlich kauf’ ich mir mit dem Geld
sofort einen wunderbaren Pelzmantel
und schöne Kleider . . .
Dann fahr’ ich an die Riviera — ein
Maharadscha wird um meine Hand an-
hallen . . .
Natürlich nehme ich ihn — wir fahren
nach Paris, Indien — alles nur per Flug-
zeug . . .
So — und wer zahlt mir jetzt meinen
Kaffee???
Hebe in kleinhübersberg
Don 8 rih A. Nende
Endlich hatte es Liselotte durchgesetzt, daß
die Eltern mit ihr in den kleinen Ort fuhren,
jenen kleinen Ort, den man nicht einmal im
Reisebüro kannte, aus dem Liselotte jedoch
kürzlich eine Ansichtskarte bekommen hatte —
von einem Bekannten, der zufällig dort in
Kleinhübersberg einer Autopanne zum Opfer
gefallen mar. Die Karte mar sehr bunt und
zeigte einen Himmel, vor dem der Himmel in
Italien zu alberneni Grau verblassen mußte.
Seitdem spukte der Name Kleinhübersberg in
Liselottes unklarem Köpfchen.
Der Herr Kommerzienrat wollte eigentlich
nach Meran. Meran schied von vornherein
aus. Die Frau Kommerzienrat wollte nach
Lugano — und das Töchterchen wollte nach
Kleinhübersberg. Mit Hilfe einiger Wein-
krämpfe brachte es Liselotte endlich soweit,
daß die Frau Kommerzienrat sagte: „Dann
fahren wir eben nach diesem ... diesem ..."
Sie sprach den Namen Kleinhübersberg um
die Welt nicht aus.
Was wollte Liselotte eigentlich in Klein-
hübersberg? Hatte sie eS satt, in gepflegten
Hotels die gepflegte Dame zu sein? Gingen
ihr die gepflegten Männer auf die Nerven?
Jedenfalls — Vater, Mutter und Kind
fuhren nach dem Nest der töchterlichen Träume
und stiegen in der einzigen Pension am Platze
ab. Die Gesellschaft, die sich dort zu den
Mahlzeiten versammelte, war so, daß Frau
Kommerzienrat kaum einen Bissen durch die
gekränkte Speiseröhre brachte. Sie magerte
sichtlich ab und fand daraufhin den Ort
reizend.
blnd der Herr Kommerzienrat? Kein Mensch
umwedelte ihn, keiner pumpte ihn an, denn
wer hätte in diesem Herrn Meyer den all-
gewaltigen AufsichtSratSvorsitzenden der Vei-
wag — Vereinigte Eisenwerke Aktiengesell-
schaft — vermutet. Mit aufgetautem Herzen
wandelte er durch die Täler und strich heiteren
Gesichts die Dividenden ein, die Natur und
Dorf in überreichem Maß ausschütteten.
Einzig Liselotte, des Kommerzienrats kreuz
und quer verzogenes Töchterlein, langweilte
sich, daß ihr der Bart zum Fenster hinaus-
gewachsen wäre, falls sie einen gehabt hätte.
Sie wurde täglich gereizter und fand, daß
Idylle inklusive Mondschein meist eine Traum-
landschaft seien, in der sich an irgendeiner
Stelle unbedingt ein Mann befinden müsse,
kein richtiger Mann mit Smoking und „Meine
Gnädigste", sondern irgend so ein Mondmann,
aber ... Liselotte seufzte... was in Klein-
hübersberg an Männern zu finden war, das
rechnete sie allerhöchstens unter die Gattung
der Mondkälber. Halt! Nicht durchweg.
?ort8etLUNi§ Zeite 809
807
Sailer
Ein Auto sollt* man halt haben! Ein
\uto!
Ich würd* damit nach Baden-Baden
fahren und dort die Bank sprengen!
Natürlich kauf’ ich mir mit dem Geld
sofort einen wunderbaren Pelzmantel
und schöne Kleider . . .
Dann fahr’ ich an die Riviera — ein
Maharadscha wird um meine Hand an-
hallen . . .
Natürlich nehme ich ihn — wir fahren
nach Paris, Indien — alles nur per Flug-
zeug . . .
So — und wer zahlt mir jetzt meinen
Kaffee???
Hebe in kleinhübersberg
Don 8 rih A. Nende
Endlich hatte es Liselotte durchgesetzt, daß
die Eltern mit ihr in den kleinen Ort fuhren,
jenen kleinen Ort, den man nicht einmal im
Reisebüro kannte, aus dem Liselotte jedoch
kürzlich eine Ansichtskarte bekommen hatte —
von einem Bekannten, der zufällig dort in
Kleinhübersberg einer Autopanne zum Opfer
gefallen mar. Die Karte mar sehr bunt und
zeigte einen Himmel, vor dem der Himmel in
Italien zu alberneni Grau verblassen mußte.
Seitdem spukte der Name Kleinhübersberg in
Liselottes unklarem Köpfchen.
Der Herr Kommerzienrat wollte eigentlich
nach Meran. Meran schied von vornherein
aus. Die Frau Kommerzienrat wollte nach
Lugano — und das Töchterchen wollte nach
Kleinhübersberg. Mit Hilfe einiger Wein-
krämpfe brachte es Liselotte endlich soweit,
daß die Frau Kommerzienrat sagte: „Dann
fahren wir eben nach diesem ... diesem ..."
Sie sprach den Namen Kleinhübersberg um
die Welt nicht aus.
Was wollte Liselotte eigentlich in Klein-
hübersberg? Hatte sie eS satt, in gepflegten
Hotels die gepflegte Dame zu sein? Gingen
ihr die gepflegten Männer auf die Nerven?
Jedenfalls — Vater, Mutter und Kind
fuhren nach dem Nest der töchterlichen Träume
und stiegen in der einzigen Pension am Platze
ab. Die Gesellschaft, die sich dort zu den
Mahlzeiten versammelte, war so, daß Frau
Kommerzienrat kaum einen Bissen durch die
gekränkte Speiseröhre brachte. Sie magerte
sichtlich ab und fand daraufhin den Ort
reizend.
blnd der Herr Kommerzienrat? Kein Mensch
umwedelte ihn, keiner pumpte ihn an, denn
wer hätte in diesem Herrn Meyer den all-
gewaltigen AufsichtSratSvorsitzenden der Vei-
wag — Vereinigte Eisenwerke Aktiengesell-
schaft — vermutet. Mit aufgetautem Herzen
wandelte er durch die Täler und strich heiteren
Gesichts die Dividenden ein, die Natur und
Dorf in überreichem Maß ausschütteten.
Einzig Liselotte, des Kommerzienrats kreuz
und quer verzogenes Töchterlein, langweilte
sich, daß ihr der Bart zum Fenster hinaus-
gewachsen wäre, falls sie einen gehabt hätte.
Sie wurde täglich gereizter und fand, daß
Idylle inklusive Mondschein meist eine Traum-
landschaft seien, in der sich an irgendeiner
Stelle unbedingt ein Mann befinden müsse,
kein richtiger Mann mit Smoking und „Meine
Gnädigste", sondern irgend so ein Mondmann,
aber ... Liselotte seufzte... was in Klein-
hübersberg an Männern zu finden war, das
rechnete sie allerhöchstens unter die Gattung
der Mondkälber. Halt! Nicht durchweg.
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