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Fortsetzung von Seite 807

Eine Ausnahme gab es, doch diese Ausnahme
gefiel sich darin, Liselotte höchstens mit einem
prüfenden Blick zu streifen, sie aber im übrigen
zu übersehen, als sei Fräulein Meyer ein
Fliegendreck an der Fensterscheibe.

Die Ausnahme war ein Herr von etwa
dreißig Jahren, mit zurückhaltendem Beneh-
men und außerordentlich gut geschnittenen An-
zügen. Ging er lässig durch das Speisezimmer,
dann wandelte sich der Raum plötzlich zu einer
strahlenden Halle mit Palmen, Liftboys und
fließendem Warmwasser zu jeder Tageszeit.

Liselotte grübelte. Wo hatte sie diesen Mann
schon einmal gesehen? Gesehen hatte sie ihn
bestimmt schon in ihrem an fremden Gesichtern
überreichen Leben. Eine vage Erinnerung regte
sich in ihr und brachte die Ausnahme in enge
Verbindung mit einem Luxus-Hotel in Marien-
bad, in dem sie vor zwei Jahren mit ihren
Eltern kurze Zeit gewohnt hatte. Hieß es nicht
Europa? Jawohl! Liselotte triumphierte. Dort
war sie diesem Mann schon begegnet.

Was suchte er aber in Kleinhübersberg?
Diese Frage war für Liselotte unwichtig, denn
was suchte sie selbst hier? Viel wichtiger war
für sie, den Unnahbaren zu umgarnen, ihn
zum Balzen zu bewegen. Während sie sich daS
überlegte — sie spazierte gerade am Dorfbach
entlang — hörte sie hinter sich eine Stimme,
die in ihrer vornehmen Gedämpftheit alle Ge-
danken aus Liselottes Hirn jagte — wenigstens
vorübergehend — und nichts als ein fchrnll-
pochendeö Herz zurückließ. Die Ausnahme per-
sönlich trat neben sie, murmelte einen undeur-
lichen Namen und plauderte bald mit ihr auf
die scharinanteste Weise, mit kristallenen Kom-
plimenten den nötigen Zucker beifügend.

Durch die Tage in Kleinhübersberg unver-
wöhnt, ließ Liselotte den Zucker genießerisch auf
der Zunge zergehen und bemühte sich eifrig,
dümmer zu scheinen als sie war. Darum spielte
sie dem Fremden ein schüchternes Fräulein
Meyer vor. Die große Dame wäre ihr auch
kaum gelungen, da sie auf beinah kleinhüberS-
berqische Weise verliebt war.

Der Herr Kommerzienrat und seine Frau
rollten aufgeregt durch die Pension. DaS
Mittagessen war längst vorüber. Es ging auf
vier Uhr. „Wo steckt Liselotte?" fragte die

»Frau Kommerzienrat in ständig höher ge-
schratlbten Tonlagen. „DaS arme Kind. Geh
zur Polizei. Wir müssen etwas unternehmen."

Kurz bevor der Herr Kommerzienrat wirk-
lich dem Wunsch seiner Gattin folgen wollte,
stürzte Liselotte freudebebend auf ihre Eltern
zu. „Ich heirate ihn", jubelte sie und fiel
Vater und Mutter hintereinander um den
Hals. Nachdem der Vater ausgerechnet hatte,
daß sie ihn seit drei Jahren zum erstenmal
wieder umarmt hatte, konnte er sich einer
leisen Rührung nicht erwehren, aber er fragte
streng: „Erstens wen, zweitens wieso?"

„Diesen vornehinen Mann auS der Pension,
llnb denkt euch, er liebt mich als das einfache
Fräulein Meyer. Er liebt nt i ch, nicht mein
Geld!" Diese Rede endete wieder mit Um-
armungen. „In einer halben Stunde will er
bei euch einen Besuch machen..."

Als die halbe Stunde um war, brachte der

Pensionsdiener einen Brief: „An Fräulein Lise-
lotte Meyer".

Don dem Inhalt dieses Briefes gibt es zwei
Versionen. Die eine Version — und zwar die
von Liselotte im Freundinnenkreis verbreitete —
lautet: „Mein teures, sehr verehrtes Fräulein!
Nachdem ich vom Portier erfahren habe, daß
Sie gar kein Fräulein Meyer, sondern eine
Kommerzienratstochter sind, muß ich Sie ver-
lassen. Ich bin der letzte Sproß einer schuld-
los verarmten Familie. Meine Ehre zwingt
mich, von Ihnen zu reisen, denn ein Boden-
hausen erträgt eS nicht, in den Verdacht der
Erbschleicherei zu geraten. Die Erinnerung an
Sie wird daS einzige Licht meiner dunklen Zu-
kunft sein. Ewig Ihr Udo von Bodenhausen."
(Tränenflecke.)

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1933 / JUGEND Nr. 51
Register
Lajos v. Horvath: Feine Leute
 
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