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Heimweg L. v. Horvath

§ünf Minuten nach acht begann eine Orgel zu spielen; dann schritt
ein kleiner schwarzgekleideter Herr zum Rednerpult — der Vorsitzende
der The Society for Roboters Revival. Ein paar Griffe an der
Schalttafel, und die Versammlung erhob sich wie ein Mann.

„Liebe Roboter! Wir freuen uns, daß ihr unserem Rufe gefolgt
seid. Euer Leben ist Mühe und Arbeit, aber verzaget nicht! Auch
euch ist heute Heil widerfahren!"

Brausend fiel die Orgel ein und weckte das Echo der Menge; aus
tausend klug konstruierten Mechanismen brach das Lied hervor wie
ein Sturzbach, schwoll an, ebbte ab und verklang.

Der Mann vorn sprach weiter; er erzählte die alte, ewig neue Weih-
nachtsgeschichte voll frommer Einfalt und tiefer Weisheit. Nie hatte
er besser gesprochen; nie hatte er ergriffenere Zuhörer. Ohne zu atmen
lauschten sie seinen Worten.

Als er aber von dem unbegreiflich hohen Wunder sprach, vom Heil,
das auch dem Roboter widerfahren, da sanken die Tausende in die
Knie, und in ihren blicklosen Augen standen Tränen. So groß war die
Macht des Wortes; so exakt funktionierte daS Schaltwerk ihres elek-
trischen Hirns. Gegen zehn Hhr war die Weihnachtsfeier der Roboter
zu Ende. Schweigend verließen sie den Saal und stampften durch tiefen
Schnee ihren Behausungen zu.

Am Weihnachtsmorgen betrat Bob wie gewöhnlich das Zimmer
seiner Herrin. Er brachte Zeitungen, Post und Frühstück, bereitete daS
Bad, gab Auskunft über Wetter und Temperatur. Alles Tun mit

stummer Geschäftigkeit, alle Rede mit wohlklingender Demut. Als die
Herrin ihn fragte „Nun, Bob, wie war es gestern abend?" — ver-
beugte er sich und küßte ihr schweigend die Hand. In seinen Augen
standen Tränen. „Er hat eine Seele!" dachte sie mit leisem Erschauern
und hieß ihn gehen. Dann ließ sie sich in das Marmorbasfin gleiten.

Bob aber stand im Vorzimmer und weinte bitterlich.

Letztes Lebewohl am Telephon

Ich habe dich noch einmal im Büro angerufen, ob du kämst.

Du warst ganz verstört und sagtest: ich kann hier nicht reden

wie ich mag.

Ich saß in der dunkeln Zelle, draußen war ein jubelnder

Vorfrühlingstag.

Aber sie haben dich wieder in den Krallen; was ist dir da die
Sonne, die so schön über die alten Plätze glänzt.
Du getrautest dich kaum zu sprechen, natürlich, dein Chef war

in der Näh,

Und die Kolleginnen kicherten blöd und verliert.

Ach, mein Herz ward in den Draht gepreßt und blutet vor Weh.
Aber dich hat sicher gestern wieder nach dem Ball irgendein

Kommis verführt.

Da hab ich dir traurig ein letztes Lebewohl hingesprochen,

Und ich fühlte, wie du noch schnell meinen alten Namen

geschrien,

Aber ich halte schon eingehängt . . . draußen war ich verstört

und erschrocken

Und sah in den Schauläden rote, gelbe, weiße Rosen blühn.

Ha ringer

Diät

Knillert ijt unter dem Einfluß seiner Tante zur Rohkost über-
gegangen. Er futtert alle Speisefolgen in ilnmengen.

„Aber m i t der Schale, hörst du, m i t der Schale!" mahnt die
Tante.

Kurz nach Weihnachten besucht sie Knillert. Er liegt mit Bauch-
grimmen zu Bett.

„Ich weiß nicht, Tantchen", wimmert er, „sonst sind mir die
Walnüsse und Paranüsse viel besser bekommen!" Th.

Variatio delectat

Elli holte die Puderbüchse aus ihrer Handtasche und begann, sich
zu bestäuben.

Aha, dachte Emil und suchte an den Nebentischen nach den Neben-
buhlern.

Emil: „Mal hast du weißen Puder und mal gelben, Elli. Welcher
ist denn besser?"

Da sagte Rolf: „Treuherziges Naturkind! Keiner ist besser. Der
weiße ist für Blondinen, der gelbe für Brünetten. .." H. Bewald

Eine Bibliothek für Politik und Wissenschaft von seltener Voll-
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geschichte des Weltkrieges (Werk des Untersuchungsausschusses) 4 Bände;
Der Weltkrieg (herausgegeben vom Reichsarchiv) 8 Bände; Die Ursachen des
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vollständiger Deutscher Geschichtskalender von Purlitz (Felix-Meiner-Verlag);
vollständiger Schulthes Europäischer Geschichtskalender (Beckh’sche Verlags-
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wissenschaft; Memoiren, Biographien, Gesammelte Werke, Lexikon. Biblio-
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schöne Literatur

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Man kann die „Jugend" nicht nur in Kaffeehäusern,
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man kann sie auch in jeder Buchhandlung oder
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Register
Hans Rewald: Variatio delectat
Th.: Diät
Lajos v. Horvath: Heimweg
(Johann) Jakob Haringer: Letztes Lebewohl am Telephon
 
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