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J U

3 9. JAHRGANG

G E N D

1 9.3 4 / NR. 35

Der schöne Sommertag vergeht,

Die Löge! singen schon den Abend ein,
Ein Hauch besonnter Wiesen weht
Durch Flur und Hain.

Die sonst sich tief ins Einbegrenzte weitet,
Geheimnisvoll in Heller MittagSglut,

Die Ferne scheinet nahe hingebreitet,
Vertraut und gut.

Die Frösche sind im feuchten Grund erwacht
Elnd weiße Wolken ziehen rotgesäumt —

Des Tages froh harrt nun die Welt der Nacht,
Still und verträumt.

Johannes G. Arnoldt

Die Lünierlkuh

Don Max peinkofer

„Liebe Frau vom Bogenberg, Liebe Frau
von Handlab, Liebe Frau vom Heiligen Berg,
alle heiligen Wetterheiligen stehts mir bei!"
ruft der Sumperer von Sumpering, den mit-
ten am schönsten Tag ein teuflisches Donner-
wetter überrascht und in hellichte Ängsten ver-
setzt.

Es pumpert der Donner, wie wann die
Welt untergehen möchte; alle Augenblick fährt
ein mords Blitz umeinander am Firmament,
fährt nieder auf die Erde und schlägt ganz in
der Nähe ein.

Elnd kein Elnterstand in der Näh, kein Haus
und keine Schupfen. Elnd einem Baum darf
man nicht trauen. Da stellst dich hin unter
einen und schon sucht sich der Blitz akkurat
diesen Baum aus und schon bist du mauS-
dreckeltot.

Der Sumperer zieht seinen Rosenkranz, will
das Beten anfangen, bringt in der Angst und
Aufregung die Gsetzl völlig durcheinander; er-
schlägt ein Kreuz nach dem anderen. Aber der
Himmel hat keine Einsicht und kein Erbarmen.
Das Wetter wird vielmehr immer drohender.
Elnd schütten tut eS, als gössen sie aus lauter
Zubern das Wasser herunter vom Himmel.
Elnd der Sumperer soll eh nicht naß werden,
wo er doch das Rheumatische hat und einen
einwendigen Pecker vom Krieg her. Der wo
ihm jeden Monat 9 Mark! und ein laustgeü
Fuchzgerl eintragt.

Daß sein Leben jeden Augenblick ein furcht-
bares End haben kann, das steht fest. Wenn
nicht ein Wunder geschieht, dann finden sie ihn
heut auf die Nacht tot, vom Blitz dermermelt,
auf der Straßen.

Die Erde ist in ihren Grundfesten erschüt-
tert, der Himmel ein Feuermeer, die Blitze sind
kaum inehr zu unterscheiden, einer fährt dein
anderen ins Gäu: ein solches Donnerwetter
hat man noch nie erlebt seit Menschen-
gedenken!

Da kann nur eine große, eine ganz große
Opfergesinnung helfen. Da fällt dem Sum-
perer ein uraltes Votivtaferl ein in der Wall-
fahrtskirche zu Handlab: ein Lauer steht betend
und händeringend unter einem ebenso unge-
heuren Gelvitter auf dem freien Feld. l.lnd
drüber schwebt in den Wolken die liebe Nrut-
tergotteS und breitet schützend ihren blauen
Nrantel aus. Elnd in einem Eck stehen die
trostreichen tind dankbaren Worte: Durch die
Fürbitt der Muttergottes bin ich aus größter
Wettergefahr errettet worden anno 1623.

Da überlegt sich unser Ncann die Sache
nicht mehr lange. Elnd er tut feierlich unter
Blitz und Donner und Wassergüssen daS Ge-
löbnis: Liebe Frau von Handlab, wann du
mich heut gesund und lebendig heimbringst zu
meiner Alten und in mein Häusl, dann ver-
kauf ich die schönste Kuh im Stall und opfere
dir den Einnahm! — — —

Sapperadi! Schon ist das ungeheuer
schwere, verantwortungsvolle Wort gespro-
chen! Da gibts kein Zurück und keinen Wider-
ruf mehr! Der Himmel läßt nicht spaßen mit
sich!

GehtS aber wie es will! Wenn er wieder
glücklich beimkommt, dann ist auch nicht schad
um die Kuh, um die ihn drei Gemeinden be-
neiden. Denn eine zweite Kuh von dieser Güte
und Schönheit gibt es nicht mehr im ganzen
Waldland!

Aber dividomine nocheinmal, was wird fein
Weib sagen, dieses Gnack, diese Zang, die schon
bald ausgetrocknet und eingedörrt ist vor lau-
ter Geiz und Knickerei, die ihm keine Halbe
Bier vergunnt und keine Zigarr! Die läßt ihn
ja Scheitel knien und salitert ihn wieder mit
dem Lederpantosfel, wann er sich solche Sei-
tensprünge leistet! Die wird ja stocknarrisch,
wann sie die schönste Kuh hergeben muß für
ein Opfer, die Kuh, die jeden Tag ihre 19 Maß
Milli gibt, die Kuh, die eine Postur hat wie
ein Ochs!

Aber schließlich ist seiner Senz ihr Mann
doch lieber wie die Kuh! Elnd sie wird ihn nicht
gleich umbringen, wann er ihr Mitteilung
macht von seinem Gelöbnis!

Elnd schau, das Wetter laßt schon nach
auch! Der Himmel hat ein Einsehen! Er bat
das Versprechen des Sumperer von Sum-
pering mit Wohlgefallen angenommen und
hat Blitz und Donner Einhalt geboten. Elnd
der Sumperer kann sich genau vorstellen, wie
das organisiert ist im Himmel droben, wie die
Liebe Frau zum Petrus sagt: Mach jetzt ein-
mal ein End mit dem damischen Wetter! Es
ist mir zwegen dem Sumperer von Sumpering,
dem kreuzbraven Mann, dem sein Weib nicht
einmal ein Maul voll Bier und eine Zigarr
vergunnt! Mach ein End jetzt, Peterl, denn
ich will haben, daß der Sumperer gut an-
kommt zu Hause, indem er ein so rares Ver-
sprechen gemacht bat für meine Wallfahrt
auf dem Gnadenberg zu Handlab! — —

jawohl, genau so wird die Himmelmutter
gesagt haben zum Wettermacher, denn schon
wird es ruhiger, der Himmel klärt stch auf, die
Sonne guckt schon heraus unter dem Gewölk,

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Johannes G. Arnoldt: Abendfrieden
Max Peinkofer: Die Fünferlkuh
 
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