Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
J U

3 9. J A H R G A N G

G E N D

1 9 3 4 / NR. 4 6

's Klosawei

Von Jörg Englschalk

„Neun!. .zehn!. .. oder schlagtS gar scho elfi? Ich kann ihn halt
it verwarten! I halt S nimmer ans..daß er aber lvieder it heimgeht?
klnd er weiß doch, wies steht!"

„Fanny! Fany! Faany! Faaany, Fany, hörst mi denn it! Mei, so
a Kind schloft halt, man kannö ihm ja it verdenken."

's Klosawei liegt im Bett, die Tür zur Kammer nebenan ist angelehnt,
dort schlasen ihre Kinder, alle bis ans eines, das liegt im Kinderwagen,
der neben ihrem Bett steht.

„Fanny, Fanny!", ruft ste wieder. Da geht die Türe und, die Fäust-
chen in den Augen, kommt der Klostn ihr Drittjüngster angezwazelt.

„Mudder, d Fanny schloft ja, aber i, Mudder, i", schmeichelt die
Stimme, und die kleinen Hände graben sich in die Bettdecke, „Mudder i,
dars ich zu enk neiliegen? Bei enk isch so warm drinn, i möcht halt so
gern zu enk neiliegen, Mudder, darf ich? D' Fanny schloft ja! Mudder,
bei ins dauß geht der Wind so! Dars i, Mudder?"

„Haust, tu deine Händ lveg von der Decke, heut darfst it reischlafen,
morgen früh dann lvieder, komm, geh in Kammer und lveck d Fanny
auf."

Traurig geht der Kleine in die Kammer, zieht an der Fanny ihrem
Bett: „Aufstehn sollst, d' Mutter braucht dich, aber glei!"

Blind vom Schlaf kommt die Fanny anS Bett ihrer Mutter: „Mutter,
waS ifch denn, ifch schon in der Früh?"

„Da, am Kamodkasten, liegen die Zündhölzer, zünd S Licht an, und
bring vor allein an Haust lvieder in s Bett."

„Haust" sagt 's Klosawei, „geh mit der Fanny eh inS Bett, morgen
darfst nachher lvieder zu mir reiliegen."

„M... m... m, Mudder, i möcht halt so gern neischlafen zu enk,
Mudder laßt'ö mi halt, i möcht halt..." Doch die Fanny nimmt den
kleinen Hemadlenz an der Hand und zieht ihn hinaus in die Kammer.
„Da liegst di eh nei und gibst a Ruah", hört man ste, durch die Tür,
schimpfen.

„Hast ihn gut zudeckt?" fragt die Klostn, als die Fanny wieder zurück-
kommt. „Ja, i Hab ihn scho zudeckt! Mutter, soll i sonst noch was
tun?" — „Zieh dich amal z'erst an, darfst mei schöne Jackn anlegen,
aber Schuh mußt auch anziehn, und gehst zur Bähin nauf und sagst
ihr, ste soll so gut sei und soll zu mir ra kommen. Aber zuerst machst
in der Kucha no a Feur und stellst die messing Pfanne voll Wasser hin,
aber tummel dich..."

„Muddr i find ja Zündhölzlin it!"

„Schaug nur grad hin, sie liegen scho dort! Hosch dti S eh? Mach
a bißl g'schwind, morgen bleibst dann dafür von der Schul daheim, weilst
heut it zum Schlafen kommst."

„Krad morgen, Mutter, ntöcht ich in d' Schul, morgen isch doch Erd-
kunde!"

„So, hoscht du ö' endlich g'funden, tooS amal, ... ich glaub, daß er
eh doch endlich kimmt, ich mein, ich hör ihn, an Vater, inach d' Haustür
auf, ich glaub scho, daß er 'S ist. . ."

„Naa Mutter, da lvar er it dabei, die find vorbeigangen ..."

Im Kinderwagen neben der Klostn wird S lebendig. Die Klostn greift
nach ihm, schaukelt ihn. DaS Kind im Wagen wimmert, weint,
schreit... Der Klostn kommt der Schweiß, sie hat nicht mehr die
Kraft, den Wagen zu rütteln . ..

blnd e r, der Klosamann, geht it heim ...

Das Kind schreit! Da kommt aus der Kammer eine Stimme:
„Mudder, Mudder, darf ich, darf ich die Mädi necken, daß ruhig wird?
Darf i, Mudder?"

Die Klostn gibt keine Antwort, kann keine geben, so heiß wird ihr
auf einmal wird.

Die Kammertür gehr auf und Oer kleine HanSl geht zum Wagen,
schiebt ihn hin und her. Stellt fick auf die Zehen, sucht in den Decken
den Diezel, schiebt ihn der Mädi in den Mund, und neckelt den Wagen
und stoßt ihn. DaS Kind wird ruhiger, saugt am Diezl, mampft befrie-
digt und schläft ein.

„Mudder, aber etz darf i, d' Mädi schloft, etz, Mudder, darf ich nei-
liegen zu enk? Etz isch schon in der Früh, brennt ja schon 's Licht!"

„Hans!, sei still, j glaub ich hör an Vater koinmen, i hör doch Schritt,
ich glaub das ist er. ..", aber die Schritte gehen vorbei, vorbei in die
Nacht.

„Mudder, darf i etz neiliegen?" — „Ja, da lieg dich in Vater fein
Bett nei!" — „Di, n, Mudder, zu enk..." — „Nein Hanst, das geht
heut nicht, zu mir kannst it reiliegen."

Enttäuscht kriecht der Hansl in 's Bett seines Vaters, das neben
dem der Klostn steht.

„Aber, wenn der Vater kimmt, nachher Mudder, darf i zu enk nei?"

„Ja, ja, Hanst, nachher ..."

Klostn schreit zur Fanny in Küch: „WaS isch denn, wie lang brauchst
denn noch, mach doch amal, i Halts ja nimmer aus!"

„Gei, Mutter, gei, 's Feir brennt scho, ich find bloß d Pfanne it...
Habs aber eh schon, eh geh i gei!"

„So, Mutter, eh, aber d' Jackn darf i schon anziehn, aber Mutter
am Freithof, am Freithof trau ich mich it allein vorbei." — „Nachher
soll halt der Maxl mitgsehn", meint d Klostn, „aber machtS enk, weck ihn
auf an Maxl!"

„I schlaf ja gar it", kommtS von der Kammer rei, i schlof ja gar it,
fürcht sich die schon lvieder allein", bin gei anglegt, bloß d' Hose, Schuh
brauch ich keine, ifch it so kalt!" Aus der Kammer kommt schon der
Maxl. „Aber gell, Mutter, dafür brauch ich nachher morgen it in
d' Schul, lveil i eh bei der Nacht nauS muß?"

„Ja, aber machtS, daß weiter kommtS. Im heimgehn fchautS beim
Wirt beim Fenster nei, ob der Vater it dinn sitzt, und fchautS, wer no
aller bei ihm sitzt, blnd sagtS ja zur Bähin, sie soll so gut sein, und
i tät warten drauf, ste soll halt kommen, ste soll halt so gut sei..."

DaS Häusl vom Klosenmann liegt ain Rand vorn Dorf. Die zwei
Kinder gehen über die kotige Straße in die Herbstnacht.

„Du Fanny" sagt der Maxl, „du, lveil wir die Bähin holen müssen,
da kriegen wir lvieder a Kind, nachher sind wir sechs Kinder, und lveißt
warum i mitgangen bin mit dir? Weil der Wind, beim Schreinerlvanger,
glviß an ganzen Haufen Birn rnntergfchüttelt hat, und eh bei der Nacht
hebt s' doch niemand auf. Schau nur her, i Hab an Vater sein Schurz
ang'legt, den mach i mir voll!"

D' Fanny sagt nix, daß so finster sein muß! Drinn im Haus hat sie
sich denkt, wenn inan länger draußen ist, nachher g'wohnt manS. Aber
eS wird it lichter, und koinmen tut auch kein Mensch. Wo ste die schöne
Jackn an hat, die neue Jackn von der Mutter!

„Fanny, i sag, wir klauben schon im naufweg Dirn auf, nachher
haben wirs, und zu der Bähin gehst du allein nei, denn die braucht it
sehn, waS ich für an Schurz voll Birn Hab!"

„Aber d' Mutter hat g'sagt, eg bressjert", meint d' Fanny! ~
„A, nachher lauf'n wir halt a bißl, nachher bringn wirs schon wieder

722
Register
Jörg Englschalk: 's Klosawei
 
Annotationen