„Ach, dichten Sie uns doch etwas", bettelt die hübsche Kellnerin.
„Wozu brauchen Sie ein Gedicht? Sie sind ja selber eines. Wenn
ich aber durchaus etwas schreiben soll, dars man mich nicht allzusehr
bedrängen. Ich glaube, unter so starker Bewachung ist noch keinem
etwas Vernünftiges eingefallen, und wenn mich alle ansehen, weiß ich
nicht einmal mehr, wie ich heiße."
„Nun, da konnten wir Ihnen schon nachhelfen", meint man scher-
zend. Dann aber läßt man mich in Ruhe.
Es ist eigentlich nicht das Richtige, mir einen bestimmten Auftrag zu
geben. Auf Bestellung arbeite ich besonders schlecht und befangen, ^zch
könnte ein andermal etwas Hübsches in dieses Buch eintragen, wenn
eS nicht unbedingt von mir> erwartet wird. An meine Bücher denke ich,
an meine Kinder von einst. Eines ist schöner als das andere. Ach, das
ist nicht mehr meine Meinung, nur ein junges Mädchen denkt noch so.
^zch rufe leise die Kleine nochmals zu mir heran, flüstere ihr heimlich
eine Frage zu: „Sagen Sie mir ehrlich, liebes Kind, haben Ihnen
wirklich einige Worte von mir gefallen? Gab es vielleicht in einem
einzigen meiner Bücher einmal einen Klang, der ihre Seele tröstete,
bestätigte, frei machte? ... Ach, und ich wußte eS nicht... So wie
Sie sind, habe ich mir einmal gewünscht... Doch nein, ich will lieber
nichts davon sagen. Eigentlich brauchte ich nur einen einzigen Leser ..."
„D, wie können Sie so etwas sagen, gnädige Frau. Sie, Sie Liebe,
Sie sind für mich eine Königin des Lebens.. ."
blnd mit diesen Worten verschwindet das Mädchen wieder.
Königin des Lebens? Nein, das ivar zuviel. Ich bin keine Königin
des Lebens. Niemals bin ich daS gewesen. Angehöre ich doch schon der
Nacht und dem Tode. Es ist so, aber denken wir nicht daran. Königin
deS Lebens, ^zch muß lächeln. Einmal glaubte ich die Toten erwecken
zu können. Es ist mir nicht gelungen. Daß ich daS nicht erreicht, nicht
gekonnt habe, nun ja, eS muß nicht unbedingt meine Schuld, meine
Unbegabtheit gewesen sein. Es könnte ja auch an den Toten liegen,
wenn .. . Aber es war doch reizend, daß die Kleine mir gerade dieses
Kinderwort zuflüsterte. Königin des Lebens ...
Was soll ich jetzt im vorliegenden Buch anmerken? Schreib ins
goldene Buch des Lebens. Trink und liebe nie vergebens. Ob sich das
reimt, weiß ich nicht, doch ist mir daS im Augenblick gleichgültig. Seid
umschlungen, Millionen, diesen Kuß der ganzen Welt. Kann nicht
schaden, wenn ich eS notiere. Wer sich daran gewöhnt, läßt ungern
davon. Ist ja auch ein schöner Spruch. Endlich sehe ich meinen kleinen
Namen unter das Geschreibsel. Die Sterne und Streublumen, die ich
daneben gemalt habe, sind mir besonders gut geraten. So gebe ich das
Buch zurück und während ich meine Rechnung still begleiche, wird meine
Eintragung am Büfett gemustert.
Die Gesichter über dem Buch werden merkwürdig lang, sichtbarlich
enttäuscht. DaS ist mir jetzt egal, ich kannS halt nicht besser.
Die ganz kleine Kellnerin kommt fragen: „Fräulein, ist ,Hennings'
ihr eigentlicher Name?"
„Nein, nein. Weiß nicht. Warum? ^zst der Name nicht gut genug?
Hab ihn mir mal geliehen."
„DaS Hab ich mir gleich gedacht. Sie kamen mir schon im ersten
Augenblick so anonym vor."
„Das ist doch nicht Ihr wirklicher Name, gnädige Frau" erkundigt
sich jetzt auch der Wirt. „Sie können eS doch wenigstens mir im Ver-
trauen sagen, daß Sie die Dichterin CourthS-Maler sind."
„?"
„Sagen Sie mir doch, daß Sie Frau CourthS-Maler sind. Flamingo
hat's mir doch versichert."
„Wenn Sie wollen, kann ich's ja sein. Aber ich bin eS dennoch nicht,
und kann eS auch nicht werden. Da nützt alles nichts, ich binS nicht.
Wen^ aber die beliebte Frau CourthS-Maler einmal nach Lugano
kommen würde, sollte sie unbedingt einmal im Grütli einkehren, damit
die Leute dort auf ihre Rechnung kommen. Man würde ihr ein Eß-
abonnement anbieten, und Schlagsahnekuchen würde man ihr vorsetzen.
Eigentlich verdanke ich nur ihr, daß ich mich einmal als Königin fühlen
durfte, und mein kleiner Spirituskocher hat vielleicht nur in zweiter
Linie Schuld an dieser seltsamen Geschichte.
„Wozu brauchen Sie ein Gedicht? Sie sind ja selber eines. Wenn
ich aber durchaus etwas schreiben soll, dars man mich nicht allzusehr
bedrängen. Ich glaube, unter so starker Bewachung ist noch keinem
etwas Vernünftiges eingefallen, und wenn mich alle ansehen, weiß ich
nicht einmal mehr, wie ich heiße."
„Nun, da konnten wir Ihnen schon nachhelfen", meint man scher-
zend. Dann aber läßt man mich in Ruhe.
Es ist eigentlich nicht das Richtige, mir einen bestimmten Auftrag zu
geben. Auf Bestellung arbeite ich besonders schlecht und befangen, ^zch
könnte ein andermal etwas Hübsches in dieses Buch eintragen, wenn
eS nicht unbedingt von mir> erwartet wird. An meine Bücher denke ich,
an meine Kinder von einst. Eines ist schöner als das andere. Ach, das
ist nicht mehr meine Meinung, nur ein junges Mädchen denkt noch so.
^zch rufe leise die Kleine nochmals zu mir heran, flüstere ihr heimlich
eine Frage zu: „Sagen Sie mir ehrlich, liebes Kind, haben Ihnen
wirklich einige Worte von mir gefallen? Gab es vielleicht in einem
einzigen meiner Bücher einmal einen Klang, der ihre Seele tröstete,
bestätigte, frei machte? ... Ach, und ich wußte eS nicht... So wie
Sie sind, habe ich mir einmal gewünscht... Doch nein, ich will lieber
nichts davon sagen. Eigentlich brauchte ich nur einen einzigen Leser ..."
„D, wie können Sie so etwas sagen, gnädige Frau. Sie, Sie Liebe,
Sie sind für mich eine Königin des Lebens.. ."
blnd mit diesen Worten verschwindet das Mädchen wieder.
Königin des Lebens? Nein, das ivar zuviel. Ich bin keine Königin
des Lebens. Niemals bin ich daS gewesen. Angehöre ich doch schon der
Nacht und dem Tode. Es ist so, aber denken wir nicht daran. Königin
deS Lebens, ^zch muß lächeln. Einmal glaubte ich die Toten erwecken
zu können. Es ist mir nicht gelungen. Daß ich daS nicht erreicht, nicht
gekonnt habe, nun ja, eS muß nicht unbedingt meine Schuld, meine
Unbegabtheit gewesen sein. Es könnte ja auch an den Toten liegen,
wenn .. . Aber es war doch reizend, daß die Kleine mir gerade dieses
Kinderwort zuflüsterte. Königin des Lebens ...
Was soll ich jetzt im vorliegenden Buch anmerken? Schreib ins
goldene Buch des Lebens. Trink und liebe nie vergebens. Ob sich das
reimt, weiß ich nicht, doch ist mir daS im Augenblick gleichgültig. Seid
umschlungen, Millionen, diesen Kuß der ganzen Welt. Kann nicht
schaden, wenn ich eS notiere. Wer sich daran gewöhnt, läßt ungern
davon. Ist ja auch ein schöner Spruch. Endlich sehe ich meinen kleinen
Namen unter das Geschreibsel. Die Sterne und Streublumen, die ich
daneben gemalt habe, sind mir besonders gut geraten. So gebe ich das
Buch zurück und während ich meine Rechnung still begleiche, wird meine
Eintragung am Büfett gemustert.
Die Gesichter über dem Buch werden merkwürdig lang, sichtbarlich
enttäuscht. DaS ist mir jetzt egal, ich kannS halt nicht besser.
Die ganz kleine Kellnerin kommt fragen: „Fräulein, ist ,Hennings'
ihr eigentlicher Name?"
„Nein, nein. Weiß nicht. Warum? ^zst der Name nicht gut genug?
Hab ihn mir mal geliehen."
„DaS Hab ich mir gleich gedacht. Sie kamen mir schon im ersten
Augenblick so anonym vor."
„Das ist doch nicht Ihr wirklicher Name, gnädige Frau" erkundigt
sich jetzt auch der Wirt. „Sie können eS doch wenigstens mir im Ver-
trauen sagen, daß Sie die Dichterin CourthS-Maler sind."
„?"
„Sagen Sie mir doch, daß Sie Frau CourthS-Maler sind. Flamingo
hat's mir doch versichert."
„Wenn Sie wollen, kann ich's ja sein. Aber ich bin eS dennoch nicht,
und kann eS auch nicht werden. Da nützt alles nichts, ich binS nicht.
Wen^ aber die beliebte Frau CourthS-Maler einmal nach Lugano
kommen würde, sollte sie unbedingt einmal im Grütli einkehren, damit
die Leute dort auf ihre Rechnung kommen. Man würde ihr ein Eß-
abonnement anbieten, und Schlagsahnekuchen würde man ihr vorsetzen.
Eigentlich verdanke ich nur ihr, daß ich mich einmal als Königin fühlen
durfte, und mein kleiner Spirituskocher hat vielleicht nur in zweiter
Linie Schuld an dieser seltsamen Geschichte.