2£ie lucnn man ein ^irin auSpustet, in jähem Schreck, lvar das Köpf-
chen untergetaucht. Dumpf murrend vor Verblüffung, mit ärgerlichem
Schnauben, verlegte er sich aufs Warten. Da: langsam, ruckweise, kam
das Blonde wieder zum Vorschein. — 9 toch ehe es sich ganz entpuppte,
machte er: „Wuff!!" — und flugs war es wieder weg!
In dieses Kuckuckanschlag-Spiel hinein geriet die Dante.
Sie batte das Etui für ihre Brille auf jenem Korbstuhl liegen lassen
und strebte diesem nun zu, um es zu holen — in respektvoller Ent-
fernung von dem Hund, und nur mit ihrem zusammengeklappten Sonnen-
schirm bewaffnet. Ihre ganze Gebärde drückte den Entschluß aus:
„Man geht ruhig, zielbewußt; dann reizt man das Dier nicht." So
wallte sie gemessen durch den Gesichtskreis RoyS, ibn seitlich nervös
bespähend.
Vielleicht jedoch war es gerade diese schleichende Art, mit der sie den
Schirm trug, was dem Hund auffiel. Er war eS gewohnt, daß Men-
schen in seiner Nähe laut redeten und herzhaft daherschritten. >Die selt-
same, mausgraue- Gestalt jedoch, die so vorüberraschelte, schmachtete
gleichsam nach einer genaueren Untersuchung. Neugierig trabte er näher.
Die Tante hatte ihm zwar keinen Knochen, wohl aber sein Weißes,
strampelndes Spielzeug weggeschleppt; — sein Ehrgefühl war verletzt
und begann zu grollen.
„Der Hund, gnädiges Fräulein", hatte Herr von Wullnitz bei Tisch
geäußert — „ist lammfromm und zahm; Eie können ihn um den Finger
wickeln." Es war daher geboten, entfann sich die Tante hastig, dämpfend
und liebreich auf die Bestie einzuwirken. Deshalb bewegte )i'e den Schirm,
der wie ein Espenblatt bebte, senkrecht auf und nieder und flötete:
„Gutes Hündchen! Gutes Hündchen! Komm, komm; kusch dich brav!
Kusch dich ganz brav!!"
.Man sagt einem ausgewachsenen Bernhardiner nicht „Kusch dich!" wie
einem Seidenpinscher. DaS war eine zusätzliche Kränkung. Außerdem
war daS Gewackel mit dem Schirm befremdlich-ärgerlich. Roy beschloß
daher, die Erscheinung zu verjagen, und sagte sehr grob: „Wuff—wufs—
wuff!" Die Tante hätte das Schirmgewedel bloß einzustellen brauchen;
sie benahm sich aber wieder unzweckmäßig. In ihrer Verlegenheit griff
sie zu der Methode des Alten Fritz, der jenen schußbereiten Panduren
mit dem Krückstock eingeschüchtert; — sie drohte daher energisch und
rief laut! „Du, du, du!!" — worauf Roy, daS königliche Tier, natür-
lich nach dem Schirm schnappte und sie selber Reißaus nahm.
Als sie rannte, fiel sie über ihren Taftrock; und bei diesem Anblick
gewann der Spieltrieb des Hundes sogleich wieder die Oberhand. DaS
Opfer spürte seine schnuppernde Schnauze im Genick und lag steif wie
ein Stock; — das letzte Stündlein war gekommen, bind als der Hund
mit täppischer Pfote, gleichsam um sich die Tante mundgerechter zu
machen, sie herumzurollen versuchte, befahl sie ihre Seele vollends dem
Himmel und betete laut, Und in ihr eigenes Zähneklappern hinein ertönte
ein jubelndes, höchst entzücktes Kindergelächter. Gleich darauf spürte
sie, wie daS Untier ab ließ von ihr, und vernahm die hohe Stimme ihrer
unverbesserlichen Nichte: „Roy!! — Tomm her! Tomm auf der
Stelle her! !"
Und in Gesellschaft ihres zerbrochenen Schirms, gleichsam auf den
Trümmern ihres gutgemeinten pädagogischen Versuches sitzend, mußte
sie Zusehen, wie das Paar, Kind und Hund, sich, innig aneinander-
geschmiegt, vom Schauplatz entfernte. ..
-Iella hatte gesiegt. —
PROP H EHE
Willy Seydel zum Gedächtnis
Ja, einmal wird das alles anders sein!
Wir werden Engel sein und Flügel haben,
auch Himmelsbrot und weißen Wolkenwein —
und uns an Eia und Popeia laben.
So oben hoch und über alleii Sternen
wirst du es plötzlich ohne Not erfühlen,
daß man es weder wissen muß noch lernen . . .
das Liebesingen und das Psalterspielen.
Wir werden lächeln, weil wir es vergessen
im Feig der Irdischkeit mit vielen kleinen Süchten,
wir werden uns die Seelenhände pressen
und über nichts mehr denken oder richten.
So eingehüllt in Wunder all des Lichts
wird uns der Himmel sehr bequem erscheinen,
wir werden alles wissen — oder nichts,
und jeden ehrlich grüßen . . . oder keinen.
Arnold Weiß-Rüthel.
SCHRITTE
BEI NACHT
Geschah es dir niemals nächtens, daß
du erschreckt
dich emporhobst vom Tische, drüber
du hingereckt,
daß du davonschobst alles, Buch und
Geschrift und Papier,
da von ferneher hallten fremde Füße
zu dir?
Du dann tratest ans Fenster, auslauschend
in Nacht.
Nach dem Wandernden spähend, der
sich noch aufgemacht,
recktest die Hand du ins Dunkle: Bruder,
gehst du zum Haus
da dein Lager geschüttet? Trieb es
vom Lager dich aus?
Ob du entschreitest zur Ferne, ob es
zu ruhen mich treibt:
bist du es, der entwandert, bin ich es,
derbleibt? n,*,/- rp r ■
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chen untergetaucht. Dumpf murrend vor Verblüffung, mit ärgerlichem
Schnauben, verlegte er sich aufs Warten. Da: langsam, ruckweise, kam
das Blonde wieder zum Vorschein. — 9 toch ehe es sich ganz entpuppte,
machte er: „Wuff!!" — und flugs war es wieder weg!
In dieses Kuckuckanschlag-Spiel hinein geriet die Dante.
Sie batte das Etui für ihre Brille auf jenem Korbstuhl liegen lassen
und strebte diesem nun zu, um es zu holen — in respektvoller Ent-
fernung von dem Hund, und nur mit ihrem zusammengeklappten Sonnen-
schirm bewaffnet. Ihre ganze Gebärde drückte den Entschluß aus:
„Man geht ruhig, zielbewußt; dann reizt man das Dier nicht." So
wallte sie gemessen durch den Gesichtskreis RoyS, ibn seitlich nervös
bespähend.
Vielleicht jedoch war es gerade diese schleichende Art, mit der sie den
Schirm trug, was dem Hund auffiel. Er war eS gewohnt, daß Men-
schen in seiner Nähe laut redeten und herzhaft daherschritten. >Die selt-
same, mausgraue- Gestalt jedoch, die so vorüberraschelte, schmachtete
gleichsam nach einer genaueren Untersuchung. Neugierig trabte er näher.
Die Tante hatte ihm zwar keinen Knochen, wohl aber sein Weißes,
strampelndes Spielzeug weggeschleppt; — sein Ehrgefühl war verletzt
und begann zu grollen.
„Der Hund, gnädiges Fräulein", hatte Herr von Wullnitz bei Tisch
geäußert — „ist lammfromm und zahm; Eie können ihn um den Finger
wickeln." Es war daher geboten, entfann sich die Tante hastig, dämpfend
und liebreich auf die Bestie einzuwirken. Deshalb bewegte )i'e den Schirm,
der wie ein Espenblatt bebte, senkrecht auf und nieder und flötete:
„Gutes Hündchen! Gutes Hündchen! Komm, komm; kusch dich brav!
Kusch dich ganz brav!!"
.Man sagt einem ausgewachsenen Bernhardiner nicht „Kusch dich!" wie
einem Seidenpinscher. DaS war eine zusätzliche Kränkung. Außerdem
war daS Gewackel mit dem Schirm befremdlich-ärgerlich. Roy beschloß
daher, die Erscheinung zu verjagen, und sagte sehr grob: „Wuff—wufs—
wuff!" Die Tante hätte das Schirmgewedel bloß einzustellen brauchen;
sie benahm sich aber wieder unzweckmäßig. In ihrer Verlegenheit griff
sie zu der Methode des Alten Fritz, der jenen schußbereiten Panduren
mit dem Krückstock eingeschüchtert; — sie drohte daher energisch und
rief laut! „Du, du, du!!" — worauf Roy, daS königliche Tier, natür-
lich nach dem Schirm schnappte und sie selber Reißaus nahm.
Als sie rannte, fiel sie über ihren Taftrock; und bei diesem Anblick
gewann der Spieltrieb des Hundes sogleich wieder die Oberhand. DaS
Opfer spürte seine schnuppernde Schnauze im Genick und lag steif wie
ein Stock; — das letzte Stündlein war gekommen, bind als der Hund
mit täppischer Pfote, gleichsam um sich die Tante mundgerechter zu
machen, sie herumzurollen versuchte, befahl sie ihre Seele vollends dem
Himmel und betete laut, Und in ihr eigenes Zähneklappern hinein ertönte
ein jubelndes, höchst entzücktes Kindergelächter. Gleich darauf spürte
sie, wie daS Untier ab ließ von ihr, und vernahm die hohe Stimme ihrer
unverbesserlichen Nichte: „Roy!! — Tomm her! Tomm auf der
Stelle her! !"
Und in Gesellschaft ihres zerbrochenen Schirms, gleichsam auf den
Trümmern ihres gutgemeinten pädagogischen Versuches sitzend, mußte
sie Zusehen, wie das Paar, Kind und Hund, sich, innig aneinander-
geschmiegt, vom Schauplatz entfernte. ..
-Iella hatte gesiegt. —
PROP H EHE
Willy Seydel zum Gedächtnis
Ja, einmal wird das alles anders sein!
Wir werden Engel sein und Flügel haben,
auch Himmelsbrot und weißen Wolkenwein —
und uns an Eia und Popeia laben.
So oben hoch und über alleii Sternen
wirst du es plötzlich ohne Not erfühlen,
daß man es weder wissen muß noch lernen . . .
das Liebesingen und das Psalterspielen.
Wir werden lächeln, weil wir es vergessen
im Feig der Irdischkeit mit vielen kleinen Süchten,
wir werden uns die Seelenhände pressen
und über nichts mehr denken oder richten.
So eingehüllt in Wunder all des Lichts
wird uns der Himmel sehr bequem erscheinen,
wir werden alles wissen — oder nichts,
und jeden ehrlich grüßen . . . oder keinen.
Arnold Weiß-Rüthel.
SCHRITTE
BEI NACHT
Geschah es dir niemals nächtens, daß
du erschreckt
dich emporhobst vom Tische, drüber
du hingereckt,
daß du davonschobst alles, Buch und
Geschrift und Papier,
da von ferneher hallten fremde Füße
zu dir?
Du dann tratest ans Fenster, auslauschend
in Nacht.
Nach dem Wandernden spähend, der
sich noch aufgemacht,
recktest die Hand du ins Dunkle: Bruder,
gehst du zum Haus
da dein Lager geschüttet? Trieb es
vom Lager dich aus?
Ob du entschreitest zur Ferne, ob es
zu ruhen mich treibt:
bist du es, der entwandert, bin ich es,
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