unglaubliche Viecherei machen? So ein frecher
Widerstand ist mir noch nicht vorgekommen."
„ ^ woaß a net", erwiderte Dirscherl, „tvia
dr'S zuaganga iS. I »maß rein mein Verstand
not beinander g habt Hain. Aber wann mi
oaner dumm anredt, nachher lver L wild, und
loann i lvild bin, nachher Han i alles zamm.
Da kann i nix dafür."
„Es wird Ihnen teuer ZU stehen konnnen",
sagte der Amtsrichter.
„Nachher kann i a nix machen", mar die
trockene Antwort.
Dirscherl wurde von dem Amtsrichter in
Untersuchungshaft gesetzt und ließ stch gullvillig
abführen.
-»
Eö war etwa ein später, da kam der
Amtsrichter Wunderlich in der Abenddämme-
rung von einer Bergfahrt zurück. Er hatte eine
tüchtige Marschleistung hinter sich und mußte
außerdem den schweren Rucksack schleppen.
Als er mit müden Schritten gerade durch einen
Wald ging, hörte er plötzlich Schritte. Hinter
ihm kam ein großer Mann, der ein Beil über
der Schulter trug und überlaut „Grüaß Gott"
sagte.
Er erkannte ihn sofort; eS war Dirscherl.
Wunderlich erschrak. Hier in diesem abge-
legenen Wald, kein Mensch weit und breit,
fühlte er sich nicht so ganz sicher, ob seine
psychologischen Erfahrungen ausreichten, um
die augenblickliche Lage beherrschend zu mei-
stern. Er hatte den Mann damals im Ge-
fängnis am Ende doch etivaS zu derb ange-
faßt; eS war innnerhin möglich, daß er ihm
das noch nachtrug. Er kam sich jetzt vor wie
ein Tierbändiger, der einem seiner Zöglinge
außerhalb des Käfigs auf freier Wildbahn
begegnet.
Er bemühte sich, unbefangen zu scheinen,
und frug den Riesen, wie weit eö bis zum
nächsten Dorfe fei.
„Bals guat gengan, Herr Amtsrichter,
brauchenö a schwache Stund", antwortete
dieser mit dröhnender Stimme.
Wunderlich fuhr zusammen. Das Inkognito
war dahin.
„Kennen Sie mich denn noch?" frug er
eüvaö unsicher.
„Ja freili, so an Krippenmannderl, als wia
Sie fan, sicht ma nöt alle Tag. Soll i Eahna
nöt den Rucksack a weng tragen, der iS für
Eahna ja vui z'schrvar."
Wunderlich getraute sich nicht, daS Aner-
bieten abzulehnen, um den Mann nicht zu ver-
letzen. Er übergab ihm den Rucksack, den sich
dieser uw die Schultern hangte. Dann mar-
schierten sie mitsamen weiter.
Dirscherl sprach von seinem Prozeß und
sagte, daß sie ihm am Landgericht sechs Mo-
nate gegeben haben. „Grad' im Sommer Hab'
is absitzen müasten, wo i do im Winter so
schön Zeit g'habt hatt'."
Wunderlich fühlte sich bei diesen Erörte-
rungen nicht ganz behaglich. Er versuchte das
Gespräch auf weniger verfängliche Dinge zu
bringen, aber Dirscherl kam immer wieder auf
seine Bestrafung zurück und wurde dabei
immer lebhafter und ausfälliger.
Wunderlich dachte an die Bemerkungen, die
Dirscherl im Gefängnis über die Hemmungs-
losigkeit seines Temperaments gemacht hatte,
und lvischte sich, obwohl er keinen Rucksack
inehr zu tragen hatte, den Schweiß von der
Stirne.
Aber der Wald ging zu Ende, ohne daß sein
Begleiter richtig wild geworden wäre. Der
Weg führte nun über Wiesen abwärts nach
dein Dorfe zu, das schon in der Ferne sichtbar
lvar, und in dem bereits die ersten Lichter an-
gezündet lvurden.
Der Amtsrichter gelvann nach und nach
feine Ruhe und Sicherheit zurück. Auf irgend-
eine Gewalttätigkeit konnte es Dirscherl nicht
abgesehen haben, sonst würde er dazu daS
Dunkel des Waldes benützt haben. Es war
ihm offenbar nur darum zu tun, die günstige
Gelegenheit auSzunützen und den Amtsrichter
ein wenig zu ängstigen, ivas ihm ja auch recht
gut gelungen war.
Endlich standen sie vor dein Wirtshause.
Dirscherl streifte den Rucksack ab und legte
ihn auf die Hausbank mit den beruhigenden
Worten: „So, da war'n mer."
Wunderlich zog feine Börse, um ihn für das
Tragen des Rucksackes zu entlohnen. Er
wollte sich nicht amnerken lassen, daß er die
aufgedrängte Begleitung nicht als Dienst, son-
dern alü Belästigung und Bedrohung einpfun-
den hatte.
Dirscherl jedoch lehnte entschieden ab. „Dös
brauchts nöt, Herr Amtsrichter, dös iS gar
nöt der Red wert."
Nun erwachte in dein AintSrichter doch der
Wille, den Vorgang psychologisch näher zu
untersuchen.
„Jetzt sagen Sie mir, Dirscherl, warum
haben Sie inir eigentlich den Rucksack getragen,
lvenn Sie nichts dafür annehmen wollen?"
„Weil Sie mir iui Gefängnis so guat zua-
g'redt Ham. Sogar an Lackel und an Horn-
ochsen Hain S' mi g'hoaßen. Dös Hab i Eahna
nöt vergessen."
Wunderlich bedankte sich, nahm seinen Ruck-
sack und betrat daS Haus. — Sein Vertrauen
in seine Menschenkenntnis und in seine Fähig-
keit der JNenschenbehandlung war wieder voll-
ständig hergestellt.
Der Holzknecht F. W. Richter
69
Widerstand ist mir noch nicht vorgekommen."
„ ^ woaß a net", erwiderte Dirscherl, „tvia
dr'S zuaganga iS. I »maß rein mein Verstand
not beinander g habt Hain. Aber wann mi
oaner dumm anredt, nachher lver L wild, und
loann i lvild bin, nachher Han i alles zamm.
Da kann i nix dafür."
„Es wird Ihnen teuer ZU stehen konnnen",
sagte der Amtsrichter.
„Nachher kann i a nix machen", mar die
trockene Antwort.
Dirscherl wurde von dem Amtsrichter in
Untersuchungshaft gesetzt und ließ stch gullvillig
abführen.
-»
Eö war etwa ein später, da kam der
Amtsrichter Wunderlich in der Abenddämme-
rung von einer Bergfahrt zurück. Er hatte eine
tüchtige Marschleistung hinter sich und mußte
außerdem den schweren Rucksack schleppen.
Als er mit müden Schritten gerade durch einen
Wald ging, hörte er plötzlich Schritte. Hinter
ihm kam ein großer Mann, der ein Beil über
der Schulter trug und überlaut „Grüaß Gott"
sagte.
Er erkannte ihn sofort; eS war Dirscherl.
Wunderlich erschrak. Hier in diesem abge-
legenen Wald, kein Mensch weit und breit,
fühlte er sich nicht so ganz sicher, ob seine
psychologischen Erfahrungen ausreichten, um
die augenblickliche Lage beherrschend zu mei-
stern. Er hatte den Mann damals im Ge-
fängnis am Ende doch etivaS zu derb ange-
faßt; eS war innnerhin möglich, daß er ihm
das noch nachtrug. Er kam sich jetzt vor wie
ein Tierbändiger, der einem seiner Zöglinge
außerhalb des Käfigs auf freier Wildbahn
begegnet.
Er bemühte sich, unbefangen zu scheinen,
und frug den Riesen, wie weit eö bis zum
nächsten Dorfe fei.
„Bals guat gengan, Herr Amtsrichter,
brauchenö a schwache Stund", antwortete
dieser mit dröhnender Stimme.
Wunderlich fuhr zusammen. Das Inkognito
war dahin.
„Kennen Sie mich denn noch?" frug er
eüvaö unsicher.
„Ja freili, so an Krippenmannderl, als wia
Sie fan, sicht ma nöt alle Tag. Soll i Eahna
nöt den Rucksack a weng tragen, der iS für
Eahna ja vui z'schrvar."
Wunderlich getraute sich nicht, daS Aner-
bieten abzulehnen, um den Mann nicht zu ver-
letzen. Er übergab ihm den Rucksack, den sich
dieser uw die Schultern hangte. Dann mar-
schierten sie mitsamen weiter.
Dirscherl sprach von seinem Prozeß und
sagte, daß sie ihm am Landgericht sechs Mo-
nate gegeben haben. „Grad' im Sommer Hab'
is absitzen müasten, wo i do im Winter so
schön Zeit g'habt hatt'."
Wunderlich fühlte sich bei diesen Erörte-
rungen nicht ganz behaglich. Er versuchte das
Gespräch auf weniger verfängliche Dinge zu
bringen, aber Dirscherl kam immer wieder auf
seine Bestrafung zurück und wurde dabei
immer lebhafter und ausfälliger.
Wunderlich dachte an die Bemerkungen, die
Dirscherl im Gefängnis über die Hemmungs-
losigkeit seines Temperaments gemacht hatte,
und lvischte sich, obwohl er keinen Rucksack
inehr zu tragen hatte, den Schweiß von der
Stirne.
Aber der Wald ging zu Ende, ohne daß sein
Begleiter richtig wild geworden wäre. Der
Weg führte nun über Wiesen abwärts nach
dein Dorfe zu, das schon in der Ferne sichtbar
lvar, und in dem bereits die ersten Lichter an-
gezündet lvurden.
Der Amtsrichter gelvann nach und nach
feine Ruhe und Sicherheit zurück. Auf irgend-
eine Gewalttätigkeit konnte es Dirscherl nicht
abgesehen haben, sonst würde er dazu daS
Dunkel des Waldes benützt haben. Es war
ihm offenbar nur darum zu tun, die günstige
Gelegenheit auSzunützen und den Amtsrichter
ein wenig zu ängstigen, ivas ihm ja auch recht
gut gelungen war.
Endlich standen sie vor dein Wirtshause.
Dirscherl streifte den Rucksack ab und legte
ihn auf die Hausbank mit den beruhigenden
Worten: „So, da war'n mer."
Wunderlich zog feine Börse, um ihn für das
Tragen des Rucksackes zu entlohnen. Er
wollte sich nicht amnerken lassen, daß er die
aufgedrängte Begleitung nicht als Dienst, son-
dern alü Belästigung und Bedrohung einpfun-
den hatte.
Dirscherl jedoch lehnte entschieden ab. „Dös
brauchts nöt, Herr Amtsrichter, dös iS gar
nöt der Red wert."
Nun erwachte in dein AintSrichter doch der
Wille, den Vorgang psychologisch näher zu
untersuchen.
„Jetzt sagen Sie mir, Dirscherl, warum
haben Sie inir eigentlich den Rucksack getragen,
lvenn Sie nichts dafür annehmen wollen?"
„Weil Sie mir iui Gefängnis so guat zua-
g'redt Ham. Sogar an Lackel und an Horn-
ochsen Hain S' mi g'hoaßen. Dös Hab i Eahna
nöt vergessen."
Wunderlich bedankte sich, nahm seinen Ruck-
sack und betrat daS Haus. — Sein Vertrauen
in seine Menschenkenntnis und in seine Fähig-
keit der JNenschenbehandlung war wieder voll-
ständig hergestellt.
Der Holzknecht F. W. Richter
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