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Mein Schloß im Mond hängt an der Wand,
mit runden Reißzwecken auf gespannt —
eine Landkarte für den Gebrauch in Mittelklassen,
eine Landkarte für den dampfenden Hans in allen Gassen.
Durch Alaska auf Hundeschlitten sausen,
mit Desperados Bärenschinken schmausen,
in der Hudson-Bucht weiße Walfische jagen,
mit Eskimo und Eissturm will ich mich vertragen,
in Paraguay das Urwalddschungel lichten
und zarte TJerb asträucher züchten,
in Transvaal goldne Minen schürfen
und nach Belieben baggern dürfen,
Timbuktu wochenlang genießen
und tausend Fledermäuse schießen,
in Stambul blanken Raki saufen,
bis Kiss Kulessi Schlittschuh laufen,
in Memphis rasten bei Fellachen,
dem Vater Sphinx Visite machen,
im Froschteich des Tadsch Mahal schwimmen,
den Block Himalaya erklimmen
(halb Tibet starrt zu meinen Füßen),
in Teheran den Schah begrüßen,
den Kaffee — hailoh, wo liegt XJemen?,
den Kaffee in Hodeida nehmen,
dem Reich der Königin von Saba.
In Mekka meide ich die Kaaba,
wo Mohammeds Gebeine ruhn.
ln Bagdad hob ich nichts zu tun.
Das heißt: ich müßte zum Barbier.
Hie Tigris — hie Guadaquilvir.
So gen Sevilla weiter träumend
und träumend in Ragusa säumend,
find ich mich tief im dunklen Tann.
Dort blitzt ein Streifen dann und wann,
ein grünblau eingeschnittnes Band —
m die Isar! Grünwald! Deutsches Land!
Das schönste Tal, von Lieblichkeit umfächelt,
ein Tal, vom Herrgott hingelächelt.
Auf die Gefahr, verhöhnt zu werden:
mein Schloß im Mond liegt hier auf Freien.
Hans R e i m a n n.
EHERECHT
Eine Groteske
Don Karl Hans Strobl
Dor M o n s i e n r L a n v a l, Standesbeamten in Bordeaux, er-
scheinen Monsieur D u ch a t e l und eine Dame behuss Eheschließung.
Der Standesbeamte: Wollen Sie Platz nehmen! Sie sind
Monsieur Jacques Duchatel?
D u ch a t e l : Jawohl, mein Herr.
Standesbeamter: Ledig?
Duchatel : Witwer. Hier ist mein Geburtsschein lind hier der Toten-
schein meiner verstorbenen Frau.
Der Standesbeamte: Ich danke. Darf ich Sie nun auch um
den Geburtsschein von Mademoiselle bitten.
Duchatel: Ich bitte.
Standesbeamter: Mademoiselle Jeanne Testoud, geboren am
i6. Mai 1904. . . ach, Sie sind ja bereits verheiratet... mit.. .
mit Monsieur Jacques Duchatel. Am 25. Oktober 1924... Ist
das dieser selbe Monsieur Jacques Duchatel hier?
Die Braut (verschämt): Jawohl, mein Herr!
Duchatel: Es ist nämlich .. .
Standesbeamter: Was wollen Sie denn dann von mir? Sie
sind ja bereits mit Monsieur Duchatel verehelicht.
Duchatel: Es ist nämlich ... wir möchten .. .
Standesbeamter : Sie möchten doch nicht zweimal dieselbe Dame
heiraten?
Duchatel: Nur wegen der Ordnung . .. meine Frau ist nämlich erst
seit 12. Juli 1934 tot.
Standesbeamter: Was? (Sieht im Totenschein nach) Wirklich!
Sie haben also Mademoiselle Testoud geheiratet, nachdem Sie sich
von ihrer ersten Frau haben scheiden lasten.
Duchatel: Nein.
Standesbeamter: Mein Herr, wenn Sie glauben, daß ich hier
sitze, um Rebusse zu lösen, so sind Sie im Irrtum. Sind Sie nun
von Ihrer ersten Frau geschieden gewesen oder nicht?
Duchatel: Nein.
Standesbeamter: Dann haben Sie also zu Lebzeiten ihrer ersten
Frau ein zweiteSmal geheiratet. Mein Herr, eS dürfte ihnen nicht
unbekannt sein, daß dies Bigamie ist.
Duchatel: Nämlich.. . meine gute Evangeline ist während des
Krieges geisteskrank geworden .. . kein Wunder, nicht wahr? Sie
mußte in ein Sanatorium gebracht werden. Keine Aussicht auf
Heilung, sagten die Ärzte.
Standesbeamter: Nun und?
Duchatel: blnd dann kam Mademoiselle Jeanne Testoud.
Standesbeamter (mit Verbeugung): Ich verstehe, daß das für
Sie von Bedeutung war.
Duchatel: Wir liebten uns.
Standesbeamter: Sehr verständlich ... Don Ihrer Seite, mein
Herr... !
Duchatel: Ich wollte sie zu meiner Frau machen. Meine Evan-
geline war geisteskrank. . . hoffnungslos. Ich wollte mich von ihr
scheiden lassen.
Standesbeamter: Ach, mein Herr, Sie hatten vergessen, daß
für das französische Gesetz Geisteskrankheit kein Scheidungsgrund ist.
Duchatel: Ich bin auch mit meiner Scheidungsklage abgewiesen
worden.
Standesbeamter: Ganz richtig, llnd Sie haben Mademoiselle
* Testoud trotzdem geheiratet.
(Fortsetzung S. 77)
Bei etwaigen Bestellungen bittet man aufdie M
Jugend“ Bezug zu nehmen.
1935 / J U Q E N D Nr. 5
Mein Schloß im Mond hängt an der Wand,
mit runden Reißzwecken auf gespannt —
eine Landkarte für den Gebrauch in Mittelklassen,
eine Landkarte für den dampfenden Hans in allen Gassen.
Durch Alaska auf Hundeschlitten sausen,
mit Desperados Bärenschinken schmausen,
in der Hudson-Bucht weiße Walfische jagen,
mit Eskimo und Eissturm will ich mich vertragen,
in Paraguay das Urwalddschungel lichten
und zarte TJerb asträucher züchten,
in Transvaal goldne Minen schürfen
und nach Belieben baggern dürfen,
Timbuktu wochenlang genießen
und tausend Fledermäuse schießen,
in Stambul blanken Raki saufen,
bis Kiss Kulessi Schlittschuh laufen,
in Memphis rasten bei Fellachen,
dem Vater Sphinx Visite machen,
im Froschteich des Tadsch Mahal schwimmen,
den Block Himalaya erklimmen
(halb Tibet starrt zu meinen Füßen),
in Teheran den Schah begrüßen,
den Kaffee — hailoh, wo liegt XJemen?,
den Kaffee in Hodeida nehmen,
dem Reich der Königin von Saba.
In Mekka meide ich die Kaaba,
wo Mohammeds Gebeine ruhn.
ln Bagdad hob ich nichts zu tun.
Das heißt: ich müßte zum Barbier.
Hie Tigris — hie Guadaquilvir.
So gen Sevilla weiter träumend
und träumend in Ragusa säumend,
find ich mich tief im dunklen Tann.
Dort blitzt ein Streifen dann und wann,
ein grünblau eingeschnittnes Band —
m die Isar! Grünwald! Deutsches Land!
Das schönste Tal, von Lieblichkeit umfächelt,
ein Tal, vom Herrgott hingelächelt.
Auf die Gefahr, verhöhnt zu werden:
mein Schloß im Mond liegt hier auf Freien.
Hans R e i m a n n.
EHERECHT
Eine Groteske
Don Karl Hans Strobl
Dor M o n s i e n r L a n v a l, Standesbeamten in Bordeaux, er-
scheinen Monsieur D u ch a t e l und eine Dame behuss Eheschließung.
Der Standesbeamte: Wollen Sie Platz nehmen! Sie sind
Monsieur Jacques Duchatel?
D u ch a t e l : Jawohl, mein Herr.
Standesbeamter: Ledig?
Duchatel : Witwer. Hier ist mein Geburtsschein lind hier der Toten-
schein meiner verstorbenen Frau.
Der Standesbeamte: Ich danke. Darf ich Sie nun auch um
den Geburtsschein von Mademoiselle bitten.
Duchatel: Ich bitte.
Standesbeamter: Mademoiselle Jeanne Testoud, geboren am
i6. Mai 1904. . . ach, Sie sind ja bereits verheiratet... mit.. .
mit Monsieur Jacques Duchatel. Am 25. Oktober 1924... Ist
das dieser selbe Monsieur Jacques Duchatel hier?
Die Braut (verschämt): Jawohl, mein Herr!
Duchatel: Es ist nämlich .. .
Standesbeamter: Was wollen Sie denn dann von mir? Sie
sind ja bereits mit Monsieur Duchatel verehelicht.
Duchatel: Es ist nämlich ... wir möchten .. .
Standesbeamter : Sie möchten doch nicht zweimal dieselbe Dame
heiraten?
Duchatel: Nur wegen der Ordnung . .. meine Frau ist nämlich erst
seit 12. Juli 1934 tot.
Standesbeamter: Was? (Sieht im Totenschein nach) Wirklich!
Sie haben also Mademoiselle Testoud geheiratet, nachdem Sie sich
von ihrer ersten Frau haben scheiden lasten.
Duchatel: Nein.
Standesbeamter: Mein Herr, wenn Sie glauben, daß ich hier
sitze, um Rebusse zu lösen, so sind Sie im Irrtum. Sind Sie nun
von Ihrer ersten Frau geschieden gewesen oder nicht?
Duchatel: Nein.
Standesbeamter: Dann haben Sie also zu Lebzeiten ihrer ersten
Frau ein zweiteSmal geheiratet. Mein Herr, eS dürfte ihnen nicht
unbekannt sein, daß dies Bigamie ist.
Duchatel: Nämlich.. . meine gute Evangeline ist während des
Krieges geisteskrank geworden .. . kein Wunder, nicht wahr? Sie
mußte in ein Sanatorium gebracht werden. Keine Aussicht auf
Heilung, sagten die Ärzte.
Standesbeamter: Nun und?
Duchatel: blnd dann kam Mademoiselle Jeanne Testoud.
Standesbeamter (mit Verbeugung): Ich verstehe, daß das für
Sie von Bedeutung war.
Duchatel: Wir liebten uns.
Standesbeamter: Sehr verständlich ... Don Ihrer Seite, mein
Herr... !
Duchatel: Ich wollte sie zu meiner Frau machen. Meine Evan-
geline war geisteskrank. . . hoffnungslos. Ich wollte mich von ihr
scheiden lassen.
Standesbeamter: Ach, mein Herr, Sie hatten vergessen, daß
für das französische Gesetz Geisteskrankheit kein Scheidungsgrund ist.
Duchatel: Ich bin auch mit meiner Scheidungsklage abgewiesen
worden.
Standesbeamter: Ganz richtig, llnd Sie haben Mademoiselle
* Testoud trotzdem geheiratet.
(Fortsetzung S. 77)
Bei etwaigen Bestellungen bittet man aufdie M
Jugend“ Bezug zu nehmen.
1935 / J U Q E N D Nr. 5