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„Als alter Herr rat’ ich dir auch dringend ab, aber heute rat' ich
uns dringend zu. — Was schaust du denn so erstaunt zu dem Tisch
hinüber?"

„Weil dort der Herr sitzt, der mir abgeraten hat. Als Türke mas-
kiert, aber ich erkenne ihn trotz seines falschen DollbarteS. blnd die
Bajadere, die er gerade küßt, trägt Männerhosen und Aschenbecher! —
Rudi, jetzt fühle ich mich erst frei, und kann dir sagen, daß ich dich auch

lieb habe. Da ist der Kuß!-Aber wirst du mich bis morgen nicht

wieder vergessen haben?"

„Nein, Liebling, dich vergesse ich nie mehr, und morgen gehen wir
miteinander auf ein anderes Fest, bind übermorgen wieder!"

„Ja, ja, Rudi — ich bin ja so glücklich! Willst du mich morgen
vormittags anrufen? Ich kann deine Stimme nicht bis zum Abend
entbehren. Hier ist meine Telefon-Nummer!"

„Ich rufe dich an. blnd jetzt auf, zum Walzer!"

HI.

vis Hauswirtin und das junge Mädchen

„No, Fräulein Kon stanze, no allawei in die Federn? Aber freili, bal
ma erfcht um achte hoam kimmt vo so ara Faschingögaudi! Hat's
Eahna wenigstens g'fall'n?"

„Gefallen ist gar kein Ausdruck dafür, liebe Frau. Ich war glück-
lich, ich bin es noch. Glücklich, wie noch nie in meinem Leben. — Aber
sagen Sie mir, wieviel blhr ist es eigentlich?"

„Zwölfe hat's g'rad g'fchlag'n. No ja, wann ma a Nacht lang tanzt
und trunka und poussiert hat, kann ma an' guaten Schlaf bis.zum
Ab'nd fcho vertrag'n. Hab's aa net anders g'macht, wia i no jung
g wen bi."

„Wie, eS ist schon zwölf bihr, und eS kam noch kein telefonischer
Anruf für mich?"

„Naa, nix hat si grührt. Erwartens S' vielleicht, daß d' Schneiderin
a’ruft?"

„Oh nein, das wäre umvichtig. Ich erwarte den Anruf eines Herrn,
den ich gestern Abend bei einem Faschingsfest kennen gelernt habe. Er
hat mir bestimmt versprochen, anzurufen. Ach, liebe Frau, eS würde
mich unglücklich machen, wenn er es vergäße, anzurufen."

„Wer iS denn nacha der fell Herr?"

„Er ist Künstler, ein Kunstmaler aus Schwabing."

„Oh mei! Fräulein Konstanze, da könnan S' bis Ostern warten,
bis so oaner o'ruft! Hab' als jung's Madl aa mit der buidenden Kunst
z'tuan g'habt und meine Erfahrungen g'macht mit fellane Schlawiner.
Die Bildhauer und Graphiker fan no bester, was die Treue betrifft,
aber ein Herr Kunstmaler, da fan S' fcho glei ganz auSg'fchmiert
damit. Soll i Eahna vielleicht die Karten schlag n, damit's koan Zweifi
z'hab'n braucha, daß derfell heut' fcho mit ara andern geht? Js a
kl oaner Trost, bal ma's sicher woaß."

„Es wäre eine furchtbare Enttäuschung für mich."

„No, so arg iS aa wieder net. A Nacht lang abbustelt und ab-
tatfchelt werd n, da kann ma nacha a paar Wocha davo zehr'n."

„Nein, liebe Frau, ich kann das nicht, denn ich habe diesen Mann
wirklich lieb gewonnen. Ich wäre unglücklich, wenn er mich vergäße."

„Werd'n S' Ehana im Fasching fcho abg'wöhna, der iS 's beste
Treining für Liabfchaften, dö wo net halten. Sö, Fräulein Konstanze,
der fell ruaft nia nimmer o. — Jesi'aS — da klingelt's, 's Telefo!
Genga S' glei hi, vielleicht iS er's!"

-„Ja, ja, er ist es.-,Rudi — Rudi, ich habe schon

gefürchtet — nein, ich habe eS gewußt, daß du anrufen würdest.-

Nein, das kann ich dir am Telefon nicht sagen, so gerne ich eS möchte.
Aber heute Abend — um acht blhr holst du mich ab — — ja, ja,
und dann sage ich eS dir — Rudi, ich habe dich sehr — aber daS werde
ich dir heute Abend sagen. Komme nicht zu spät, ich kann eö nicht
erwarten, bis du kommst!' — — — — Nun sehen Sie, liebe Frau,
der Herr hat eben doch angerufen!"

„Fräulein Konstanze, das ist ein Wunder, oder die Schwabinger san
besser word'n, als wia's zu meiner Zeit war'n."

IKAIR'NIEVAIL

Von Arnold Weiß-Riithel

Ich gehe, wie ich immer gehe. . .
im Karneval ist das erlaubt.

Ich glaube kaum, daß jemand glaubt,
daß ich mir dann noch ähnlich sehe.

Du bist als Nixe äußerlich charmant
und kannst dabei dein Innenleben zeigen.

So wird es eben doch einmal bekannt,
daß wir zu Spar- und Sittsamkeiten neigen.

Sei unbesorgt! ... Ich trinke wie ein Hund,

der jahrelang an seiner Kette zerrte,

wie ein Student, dem man das Konto sperrte... —

oh —, ich bin Faß, und Glaö, und Wein, und Mund, und Spund! .. .

Dann zwischen Lust und turbulentem Grauen,
in Sektglasscherben, bei zerstampften Paaren... —
will ich mit dir, du süßeste der Frauen,
in eine rosenrote Zukunft fahren!...

Im Auto ... ? — Nein ... Hier hast du sieben Groschen,
steck' eine Semmel in daS Portemonnaie . . .
und außerdem liegt heute gar kein Schnee,
und wozu hast du deine Filzgaloschen? . ..

Man muß nicht alles auf die Spitze treiben,
nur der ist glücklich, der entbehren kann. . . !

Du meinst? ... wir könnten auch zu Hause bleiben? . ..

Na schön, — dann zieh dich, bitte, wieder an!

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Register
Rubey: Zeichnung ohne Titel
Arnold Weiss-Rüthel: Karneval
 
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