Miggi Farn bereits zu früher Stunde in das Atelier zu DtanriaF,
öer mit ihr den Besuch eines kleinen Karnevalsfestes verabredet batte.
Sie trug unter dem Mantel schon ihr Kostüm und zog denselben sogleich
aus, um sich bewundern zu lassen. In der Tat, sie lvar ganz reizend
verkleidet und hatte zumindest den Geschmack Namiaks vollkommen
getroffen. Er stand schweigend vor ihr, sie genau betrachtend. Von ihrem
schwarzen, geschnürten Mieder glitt sein Blick zu einem gelblichen
Spitzenröckchen, und jedes Detail ließ ihn Ln lautes Entzücken auS-
brechen. Die blaßgrüne Schleife an der nackten Schulter, die langen
Handschuhe aus gelbgrünem, aus zeisiggrünem Leder, die Netzstrümpfe,
an deren Seiten ein kleines Muster lief und schließlich die weißen
Knopfstiefelchen; wie auch ein handbreiter, zinnoberroter Gürtel, das
alles waren Dinge, die einen vernarrten Liebhaber wohl begeistern
konnten. Das leuchtende Weißblond der Haare, mit ihrem zarten Flit-
terschleier und vor allem die rätselhafte Maske von Miggis Gesicht,
die mit orangefarbenem Lippenstift diabolisch gezeichnete Linie deS Mun-
des endlich, brachten ihm Offenbarungen, die verwirrten und zugleich
betörten. Er holte sich Papier und Bleistift und fing an, Miggi zu
zeichnen. Er zeichnete sie sorgfältig und lange, riß schließlich alle Blät-
ter wieder entzwei, zog sich ein verwaschenes Pierrotkostüm an und
nahm ein perlengesticktes Täschchen von der Wand. Sein ganzes Geld
da hinein stopfend, gab er das Täschchen Miggi; und sie gingen fort,
um etwas zu essen, 2" dem kleinen Weinlokal ließen sie sich mit Grazie
bestaunen, aßen viel und tranken noch mehr und als es an daö Bezah-
len ging, wandte sich Namiak an Miggi und sagte mit lauter Stimme:
„Gib mir mal dein Täschchen, ja?" Mit Genugtuung den damit pro-
vozierten Skandal genießend, bezahlte er langsam und rief dann lär-
mend nach einem Taxi. Miggi glühte, das Essen und Trinken hatte
sie in Erregung gebracht, und ihr Spitzenkleidchen raffend, wie eine
Danseuse dabei das Dein hebend, stieg sie kokett und anmutig in den
Wagen. Sie fuhren weit vor die Stadt zu einer Pension, in derem
kleinen Häuschen ein Faschingsfest stattfinden sollte. Doch daS Häus-
chen lag dunkel und einsam da, auf NamiakS unablässiges Zerren an
einem großen Glockenstrang kam endlich der Besitzer herauSgehumpelt.
Sein spärliches rotes Haar wehte im kalten Nachtwind und er war
verstört und erschreckt ob der ganzen Störung. Nach vielen Mißver-
ständnissen lvar es klargestellt, daß sich Namiak in dem Datum auf
das gröblichste geirrt hatte; sollte doch das kleine Fest erst eine ganze
Woche später sein. Auf den Rat deS mitfühlenden PensionSwirteS be-
schlossen sie nun, auf einen großen Ball zu gehen, der in der Stadt
in dieser Nacht stattfand. So fuhren sie zurück und hielten in einem
riesigen und völlig überfüllten Saal ihren Einzug. Auf der Suche nach
einem kleinen, freien Plätzchen wurde Namiak seine Begleiterin plötz-
lich entrissen; irgend ein dicker Herr mit rotem Fez behauptete, nur mit
dieser Frau den eben ersetzenden Walzer tanzen zu können und schon
lvar er mit seiner Beute fort. Die Überraschung war auch für Miggi
zu groß, und ehe sie sich's versah, !var sie mitten im tollsten Getriebe.
Namiak lvartete auf das Ende des Tanzes, wurde von der Menge
dabei umhergeschoben und er suchte schließlich wie ein Verzweifelter nach
seiner Miggi. Längst lxitten diesem einen Walzer neue Tänze Plak
gemacht, doch er konnte sie nicht finden. Wie verhext leuchteten immer
wieder weißblonde Haare aus, aber eilte er darauf zu, dann sah er in
fremde Gesichter. Er durchsuchte den ganzen Saal, die Treppen und
die Ränge und da geschah es, daß ihm jemand rücklvärtö auf die Schul-
ter klopfte. Freudestrahlend sich umdrehend, sah er in das hämische Ge-
sicht jenes Herrn mit rotem Fez, der Schuld an dem Verschlvinden
Miggis trug. Miggi lvar diesem übrigens sogleich nach dem Tanz fort-
gelaufen, doch der dachte nicht daran, seine Niederlage einzugestehen,
^m Gegenteil, er verkündete Namiak mit bedauernden Worten, daß
besagte Dame nicht daran denke, zurückzukehren, sondern sich an seinem
Tisch köstlich unterhalte.
Namiak hörte ihn stumm an. Er war traurig und bestürzt zugleich,
aber auch zu nobel, um die ungeschriebenen Gesetze einer Faschings-
nacht nicht zu respektieren. Aber er hatte keine Lust, sich seinerseits eine
andere Partnerin zu suchen und so beschloß er, nach Hause zu gehen.
Schon an der Treppe stehend, lvurde er da von einenr Bekannten ent-
deckt, der, völlig allein hier, und ohne rechte Lust die Nacht erlebend,
ihn mit an die Bar zog. Für Namiaks Kummer lvar Alkohol gerade
das Rechte, er trank viel und rasch und als sie gingen, verlor er sich
in endlos schmalem Gang, von seinem Begleiter durch eine tückische Tür
getrennt und so kam er völlig unvermutet in daS Tabarin. Dieser kleine
Saal war von dem übrigen Fest völlig abgeschlossen und eS saßen sehr
vornehme Leute um eine bunte Tanzfläche. Namiak glitt schwanken-
den Schritts darüber und fiel leicht und beinahe fröhlich hin. Wieder
aufstehend sah er ablehnende, kalte Gesichter gegen sich gerichtet, er-
fühlte, daß etwas geschehen müsse und so riß er sich zusammen, ver-
beugte sich leicht und sagte: „Meine Damen und Herren; so wie Sie
mich sehen, gehöre ich in jene Familie der Harlekine, die . . . die —"
bums! rutschte er schon wieder auS und lag diesmal auf dem Bauch.
Ein helles Gelächter klang auf und eine vergnügte Stimme sagte laut:
„Gottseidank! Endlich ein netter Mensch in so einer faden Gesellschaft!"
Die „fade" Gesellschaft wurde daraufhin noch fader, aber die junge
Dame, die solches geäußert hatte, zog Namiak unbekümnrert an ihren
Tisch, zum Entsetzen ihrer dreiköpfigen, befrackten Begleiter. Namiak
mußte trinken und es gelang ihm, durch Reden, die nur ihm verständ-
lich waren, noch mehr das Wohlgefallen jener Dame zu gewinnen.
Er mußte sogar mit der Gesellschaft in ihre Wohnung fahren und dort
trank er SchnapS und Likör, aß mit Appetit drei belegte Brötchen und
Farn in immer mehr gehobene Stimmung. Ins Nebenzimmer gehend,
entdeckte er mit lauter Freude einen Christbaum und hörte gerührt von
einem kleinen Schwesterchen, dem zuliebe dieser Baum noch stünde. Da
seine Gönnerin nun ebenfalls in sehr animierter Laune war, war eS ihm
ein Leichtes, sie zu Unfug anzustiften und so warfen sie einträchtig die
erreichbaren, bunten Glaskugeln an die Wand. Das leichte Platzen der-
selben ließ beide in tobendes Gelächter fallen und Namiak eilte zurück,
um den drei fassungslosen Herren zu erklären, daß sich hier, in eben
öer mit ihr den Besuch eines kleinen Karnevalsfestes verabredet batte.
Sie trug unter dem Mantel schon ihr Kostüm und zog denselben sogleich
aus, um sich bewundern zu lassen. In der Tat, sie lvar ganz reizend
verkleidet und hatte zumindest den Geschmack Namiaks vollkommen
getroffen. Er stand schweigend vor ihr, sie genau betrachtend. Von ihrem
schwarzen, geschnürten Mieder glitt sein Blick zu einem gelblichen
Spitzenröckchen, und jedes Detail ließ ihn Ln lautes Entzücken auS-
brechen. Die blaßgrüne Schleife an der nackten Schulter, die langen
Handschuhe aus gelbgrünem, aus zeisiggrünem Leder, die Netzstrümpfe,
an deren Seiten ein kleines Muster lief und schließlich die weißen
Knopfstiefelchen; wie auch ein handbreiter, zinnoberroter Gürtel, das
alles waren Dinge, die einen vernarrten Liebhaber wohl begeistern
konnten. Das leuchtende Weißblond der Haare, mit ihrem zarten Flit-
terschleier und vor allem die rätselhafte Maske von Miggis Gesicht,
die mit orangefarbenem Lippenstift diabolisch gezeichnete Linie deS Mun-
des endlich, brachten ihm Offenbarungen, die verwirrten und zugleich
betörten. Er holte sich Papier und Bleistift und fing an, Miggi zu
zeichnen. Er zeichnete sie sorgfältig und lange, riß schließlich alle Blät-
ter wieder entzwei, zog sich ein verwaschenes Pierrotkostüm an und
nahm ein perlengesticktes Täschchen von der Wand. Sein ganzes Geld
da hinein stopfend, gab er das Täschchen Miggi; und sie gingen fort,
um etwas zu essen, 2" dem kleinen Weinlokal ließen sie sich mit Grazie
bestaunen, aßen viel und tranken noch mehr und als es an daö Bezah-
len ging, wandte sich Namiak an Miggi und sagte mit lauter Stimme:
„Gib mir mal dein Täschchen, ja?" Mit Genugtuung den damit pro-
vozierten Skandal genießend, bezahlte er langsam und rief dann lär-
mend nach einem Taxi. Miggi glühte, das Essen und Trinken hatte
sie in Erregung gebracht, und ihr Spitzenkleidchen raffend, wie eine
Danseuse dabei das Dein hebend, stieg sie kokett und anmutig in den
Wagen. Sie fuhren weit vor die Stadt zu einer Pension, in derem
kleinen Häuschen ein Faschingsfest stattfinden sollte. Doch daS Häus-
chen lag dunkel und einsam da, auf NamiakS unablässiges Zerren an
einem großen Glockenstrang kam endlich der Besitzer herauSgehumpelt.
Sein spärliches rotes Haar wehte im kalten Nachtwind und er war
verstört und erschreckt ob der ganzen Störung. Nach vielen Mißver-
ständnissen lvar es klargestellt, daß sich Namiak in dem Datum auf
das gröblichste geirrt hatte; sollte doch das kleine Fest erst eine ganze
Woche später sein. Auf den Rat deS mitfühlenden PensionSwirteS be-
schlossen sie nun, auf einen großen Ball zu gehen, der in der Stadt
in dieser Nacht stattfand. So fuhren sie zurück und hielten in einem
riesigen und völlig überfüllten Saal ihren Einzug. Auf der Suche nach
einem kleinen, freien Plätzchen wurde Namiak seine Begleiterin plötz-
lich entrissen; irgend ein dicker Herr mit rotem Fez behauptete, nur mit
dieser Frau den eben ersetzenden Walzer tanzen zu können und schon
lvar er mit seiner Beute fort. Die Überraschung war auch für Miggi
zu groß, und ehe sie sich's versah, !var sie mitten im tollsten Getriebe.
Namiak lvartete auf das Ende des Tanzes, wurde von der Menge
dabei umhergeschoben und er suchte schließlich wie ein Verzweifelter nach
seiner Miggi. Längst lxitten diesem einen Walzer neue Tänze Plak
gemacht, doch er konnte sie nicht finden. Wie verhext leuchteten immer
wieder weißblonde Haare aus, aber eilte er darauf zu, dann sah er in
fremde Gesichter. Er durchsuchte den ganzen Saal, die Treppen und
die Ränge und da geschah es, daß ihm jemand rücklvärtö auf die Schul-
ter klopfte. Freudestrahlend sich umdrehend, sah er in das hämische Ge-
sicht jenes Herrn mit rotem Fez, der Schuld an dem Verschlvinden
Miggis trug. Miggi lvar diesem übrigens sogleich nach dem Tanz fort-
gelaufen, doch der dachte nicht daran, seine Niederlage einzugestehen,
^m Gegenteil, er verkündete Namiak mit bedauernden Worten, daß
besagte Dame nicht daran denke, zurückzukehren, sondern sich an seinem
Tisch köstlich unterhalte.
Namiak hörte ihn stumm an. Er war traurig und bestürzt zugleich,
aber auch zu nobel, um die ungeschriebenen Gesetze einer Faschings-
nacht nicht zu respektieren. Aber er hatte keine Lust, sich seinerseits eine
andere Partnerin zu suchen und so beschloß er, nach Hause zu gehen.
Schon an der Treppe stehend, lvurde er da von einenr Bekannten ent-
deckt, der, völlig allein hier, und ohne rechte Lust die Nacht erlebend,
ihn mit an die Bar zog. Für Namiaks Kummer lvar Alkohol gerade
das Rechte, er trank viel und rasch und als sie gingen, verlor er sich
in endlos schmalem Gang, von seinem Begleiter durch eine tückische Tür
getrennt und so kam er völlig unvermutet in daS Tabarin. Dieser kleine
Saal war von dem übrigen Fest völlig abgeschlossen und eS saßen sehr
vornehme Leute um eine bunte Tanzfläche. Namiak glitt schwanken-
den Schritts darüber und fiel leicht und beinahe fröhlich hin. Wieder
aufstehend sah er ablehnende, kalte Gesichter gegen sich gerichtet, er-
fühlte, daß etwas geschehen müsse und so riß er sich zusammen, ver-
beugte sich leicht und sagte: „Meine Damen und Herren; so wie Sie
mich sehen, gehöre ich in jene Familie der Harlekine, die . . . die —"
bums! rutschte er schon wieder auS und lag diesmal auf dem Bauch.
Ein helles Gelächter klang auf und eine vergnügte Stimme sagte laut:
„Gottseidank! Endlich ein netter Mensch in so einer faden Gesellschaft!"
Die „fade" Gesellschaft wurde daraufhin noch fader, aber die junge
Dame, die solches geäußert hatte, zog Namiak unbekümnrert an ihren
Tisch, zum Entsetzen ihrer dreiköpfigen, befrackten Begleiter. Namiak
mußte trinken und es gelang ihm, durch Reden, die nur ihm verständ-
lich waren, noch mehr das Wohlgefallen jener Dame zu gewinnen.
Er mußte sogar mit der Gesellschaft in ihre Wohnung fahren und dort
trank er SchnapS und Likör, aß mit Appetit drei belegte Brötchen und
Farn in immer mehr gehobene Stimmung. Ins Nebenzimmer gehend,
entdeckte er mit lauter Freude einen Christbaum und hörte gerührt von
einem kleinen Schwesterchen, dem zuliebe dieser Baum noch stünde. Da
seine Gönnerin nun ebenfalls in sehr animierter Laune war, war eS ihm
ein Leichtes, sie zu Unfug anzustiften und so warfen sie einträchtig die
erreichbaren, bunten Glaskugeln an die Wand. Das leichte Platzen der-
selben ließ beide in tobendes Gelächter fallen und Namiak eilte zurück,
um den drei fassungslosen Herren zu erklären, daß sich hier, in eben