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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 40.1935, (Nr. 1-53)

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J U G E

4 0. JAHRGANG


D

1935 / N R. J 4

SONDERNUMM IE IR

„ FILM "

Greta Garbo A. Sailer

Die Verantwortung
der Filmschaffenden

Von Carl Auen
Leiter der Reichsfachschaft Film

Die letzten Wochen des alten Jahres brach-
ten grundlegende Auseinandersetzungen über die
künstlerische Dualität deS deutschen FilmS.
Reichsminister Dr. Goebbels demonstrierte
durch das Verbot zweier Filme, daß er mit
einem erheblichen Teil der deutschen Filmpro-
duktion nicht einverstanden ist. DaS Lichtspiel-
gesetz erfuhr hinsichtlich der Mitwirkung deS
Neichsfilmdramaturgen eine Änderung. Auf
dem letzten Aussprache-Abend der Reichsfilm-
kammer schließlich wurde von maßgeblicher
Stelle eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß
eine geistige Reform der ganzen Filmherstellung
vonnöten ist.

Der deutsche Filmschaffende, der den Ehren-
titel Künstler verdient, wird diese Entwicklung
mit Genugtuung begrüßt haben. Er weiß selbst
nur zu gut, daß viele Filme den zu stellenden
Ansprüchen nicht genügen, er weiß aber auch,
warum dies nicht der Fall ist. Regisseure,
Autoren und Darsteller vieler schlechter Filme
sind in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit
scharf angegriffen worden. Die Kritik ihrer
Leistungen kann nicht als ungerecht empfunden
werden, weil ja schließlich der Kritiker nur den

fertigen Film sieht und sich auf Grund seiner
Dualitäten sein Urteil fällen muß.

Jeder mit dem Produktionsprozeß vertraute
Fachmann weiß aber, wie selten die Vorstellung
eines Künstlers von einem Film, einer Rolle
oder einer szenischen Gestaltung ihre Verwirk-
lichung im fertigen Film findet. Zu groß ist
noch der Kreis derjenigen, die vor, während
und nach der Produktion eines Films mitreden,
die das Wollen und das Werk des Künstlers
umfälschen, die aber die Verantwortung dem
Künstler zuschieben, wenn eS zu einer Kata-
strophe kommt.

Wir von der Neichsfachschaft Film haben
nicht die Absicht, dies länger mitanzusehen.
Wir wissen, daß der lebendige, schaf-
fende Künstler das größte und wesent-
liche Aktivum deS deutschen FilmS ist. Gute
Filme können nicht allein durch Organisation
und kaufmännisches Rechnen gemacht werden.
Sie bedürfen des Künstlers, und dieser muß
wirklich daS geben können, was in ihm wohnt.

Wenn ich der Vorherrschaft deS persönlich
verantwortlichen Filmschaffenden daS Wort
rede, dann weiß ich, daß dieses Ziel nicht zu er-
reichen ist ohne eine gewisse Auslese. Die
Kapitaldecke des deutschen FilmS verträgt eS
nicht, daß nun jeder, der die Mitgliedskarte
der Neichsfachschaft Film besitzt, sich berechtigt
glaubt, ohne Rücksicht auf seine Mitarbeiter
und die Allgemeinheit, drausloSwirtschaften zu
können. Ich fordere Bewegungsfreiheit für den
wahren Künstler — daS bedeutet aber auch
restlose Durchführung deS Leistungs-
prinzips.

Neichsfachschaft, Filmnachweis und Kontin-
gentstelle sind gern bereit, sich mit den Produ-
zenten über eine personelle Auslese zu unter-
halten. Wenn aber ein Autor oder ein Regis-
seur einmal eine Aufgabe erhalten hat, über
deren Umrisse eine Einigung erzielt wurde,
dann geht eS nicht an, daß anonyme, unver-
antwortliche Instanzen eine gute Idee und
eine brauchbare Handlung verschandeln.

Ich habe hinsichtlich der personellen Auslese
schon dadurch einen Anfang gemacht, daß ich
die sogenannte „Sondererlaubnis" für die Mit-
wirkung am Film nur noch in verschwindend
geringen Fällen erteile.

Die Ereignisse der letzten Wochen haben dem
deutschen Filmschaffenden eine schwere Aufgabe
gestellt. Er ist bereit, sie anzunehmen. Er wird
sich nicht beirren lassen durch Theorie-Mauern,

die man hie und da aufrichten will. Es gibt
auch kein grundsätzliches Verbot eines Fjlm-
GenreS. Der wahre Künstler, der mit der Zeit
lebt, hat daS, was er zu tun und zu lassen hat
in den Fingerspitzen; er darf nicht durch bk
innere Unsicherheit von Nichtkünstlern beein-
flußt und gehemmt werden.

Wir wollen gute Filme machen, durch
die wir auch im Ausland die deutsche
Sache würdig repräsentieren können. Wir
wollen dem deutschen Film die Stellung im
Auslande erobern, die Deutschlands Kunst-
und Kulturtradition entspricht.

Diese guten deutschen Filme können nur
dann entstehen, wenn alle für einen Film ein-
gesetzten Filmschaffenden ihr Bestes geben
und jeder einzelne sich mitverantwortlich fühlt.
Die Reichsfachschaft wird im kommenden
Jahre dafür sorgen, daß die Filmschaffenden
nicht nur innerhalb ihrer Sparten, sondern
auch über ihre Sparten hinweg Kontakt zu-
einander finden. Nur so können Mißstande be-
hoben werden, die der künstlerischen Arbeit im
Wege stehen.

Der deutschen Filmschaffenden harren im
neuen Jahr große und schwere Auf-
gaben. Die Reichsfachschaft wird alles dar-
ansetzen, ihnen bei der Erfüllung dieser Auf-
gaben zur Seite zu stehen.

Marlene Dietrich

A. Sailer

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[nicht signierter Beitrag]: Sondernummer "Film"
Anton Sailer: Greta Garbo
Anton Sailer: Marlene Dietrich
 
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