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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 40.1935, (Nr. 1-53)

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https://doi.org/10.11588/diglit.6779#0418
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J U

4 0. JAHRGANG

G E N D

1 9 3 5 / NR. 2 7

P f i n g s t r i 11

Philipp Henneberger

>

Gevatter Tod im Schwarzwald

Freundliche Geschichten vom Sterben

Q^on (Snch

Dom Sterben wollen die Leute im allgemeinen wenig wissen und zur
Unterhaltung auch nicht lesen. In den hier folgenden Geschichten wird
der Tod aber nicht als der allseits gefürchtete Sensenmann gezeichnet,
vor dem jung und alt das Gruseln bekommt, sondern es wird gezeigt,
daß man mit ihm auch auf gutem Fuße stehen kann. In den alten
Schwarzwälder Familien begegnet man dem unvermeidlichen Schluß-
kapitel im Diesseits auf eine schicksalergebene und geruhsame Weise. Wie
wäre sonst die Anekdote von dem greisen Schwaben verständlich, der auf
dem Totenbette den Wunsch äußerte, der übliche Leichenschmaus möge
noch vor seinem Ableben stattfinden, weil er nicht einsehen könne, warum
er bei der zu seinen Ehren veranstalteten Feier nicht mittun solle?! Es
geschah nach seinem Willen, bind man erzählt da und dort im Volk noch
mit Schmunzeln von dem fröhlichen Leichenschinaus, an dem der Beehrte
selber stillvergnügt teilnahm, sich dann abends friedlich auf die andere
Seite legte und verschied. — Die Schwaben von altem Schrot und Korn
fürchten sich keineswegs vorm Sterben; es gibt für sie wichtigere An-

unier

gelegenheiten im Leben als den Tod. Darum geht es auch manchmal in
einem Trauerhause gar nicht so traurig zu, sondern eher fröhlich und
unterhaltsam, waS inan beileibe nicht als Lieb- oder Herzlosigkeit be-
zeichnen darf. „Spaß muß sein bei der Leich" (d. h. Beerdigung), sonst
geht niemand mit", heißt ein altes schwäbisches Sprichwort.

Der Abschied

Nut dem Lühelhofbauern ist es ein Kreuz! Seit Jahren ist er krank,
hat Podagra, Wasser, Zucker und sonst alles Teufelszeug im Leibe. Er
„kruschtelt" ein bißchen herum, sägt Holz, schaut nach dein Dich. Kurz-
um, er taugt auf der Herrgottswelt nichts mehr. Und ein untätiger
Mann ist in einer Bauernfamilie eine ärgere Plag' als eine Tochter,
die ungeheiratet ins Kindbett kommt.

In einer wilden Aprilnacht stürmt und pfeift der Wind umS HauS;
dazwischen heult ein Hund zum Steinerweichen. Die Bäuerin hebt den
Kopf aus den Kissen, während sie gleichzeitig krampfhaft die Decke bis
an die Nase raufzieht. „Horch, Bauer, der TyraS heult Widder wia

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Erich Kunter: Gevatter Tod im Schwarzwald
August Philipp Henneberger: Pfingstritt
 
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