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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 40.1935, (Nr. 1-53)

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J U G E

40. JAHRGANG

N D

1 9 3 5 / N r. 3 4

Zu einer Toccata mit Fuge von Bach

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Urschweigen starrt... Es waltet Finsternis ...

Da bricht ein Strahl aus zackigem Wolkenriß,

Greift Weltentiefen aus dem blinden Nichtsein,

Baut Räume auf, durchschreibt mit Licht die Nacht,
Läßt Grat und Gipfel ahnen, Hang und Schacht,

Läßt Lüfte locker blau, läßt Erde dicht sein.

Es spaltet schöpferisch zu Tat und Krieg

Der Strahl entzwei das Dunkle, keimend Trächtige:

Aufglänzt entzündet die erschrockne Welt;

Es wandelt sich, wohin die Lichtsaat fällt,

Es ordnet sich und tönt die Prächtige
Dem Leben Lob, dem Schöpfer Lichte Sieg.

Und weiter schwingt sich, gottwärts rückbezogen,

Und drängt durch aller Kreatur Getriebe
Dem Vater Geiste zu der große Drang.

Er wird zu Tat und Wort, zu Sprache, Bild, Gesang,
Wölbt Bau um Bau zu Domes Siegesbogen,

Ist Trieb und Geist, ist Kampf und Glück, ist Liebe.

FEUER UM DORF

Eine Thüringer Dorfgeschichte

VON TONI SCHWABE

Die sestgestemmte Glocke in der Stadtmühle riß heute den ganzen
Tag an. Die Mühle lonr gleichzeitig Bäckerei unb der Müller, bei* biese
beiden Geschäfte betrieb, galt für blödsinnig reich und reichlich blöd-
sinnig.

„Hain Sie noch frische Semmeln? Oder Hernichen?"

„Ich hätte gern drei Amerikaner!"

„Nassen Kuchen gibtS heite wohl nich?"

Das war der anständige Anlaß, hier ins Haus zu kommen.

lind dann Hub das eigentliche Gespräch an:

„Mer därf Ihnen wohl graktelieren, Herr Heidenreich? Mer hat
so waS gehört, wie Sie Ihr Glücke gemacht haben!" Der Müller
steckte die Hände in die Taschen und grinste.

„Na ja — so ä bißchen haben wir ja nune unser Schäfchen ins
Trockne gebracht. Meine Frau spricht heute früh vor mich: „Heini"
spricht sie, jtz habm mir aber genug un satt. Mehr iS nich nötig.

Bei nnS, da wächst ja daS Geld wie Heu", spricht sie.

Sprech ich: „Bist du vielleicht närrsch geworden, meine Gute?"

Ich wollte mich nur so ä bißchen orjentieren.

Spricht sie: „Na hast denn du noch nich in die Gewinliste geguckt?
Na, da sin mir doch mit en Haupttreffer rauSgekomm."

„Na ja — un \d) sag SieS doch — meine Alte hatte recht!"

„Sv än Glicke, Herr Heidenreich! Na, ich gratteliere auch vielmals.
Un was machen Sie denn nun mit dem vielen Gelbe?"

„Das iS eS ja eben — mich schwiht's, wenn ich nur dran denke! DaS
gibt Widder nur Arbeit, wenn mer das soll anlegen!"

„DaS beste Se bauen sich en Heischen!"

„En Heischen? Aber mer ham doch schon ä HauS."

„Ich meinte so enne Privatvilla."

„Hä?"

„Privatvilla sprech ich. Un geben hier den Kram in andre Hände."

„Ja, waS soll ich denn dann mache — den ganzen Tag?"

„Kartoffeln bann, Herr Heidenreich, das wird Ihnen glücke!"

„Kartoffeln? Warumen Kartoffeln?"

Er glotzte dumm, und die Leute im Laden fingen alle an zu kichern
und verhalten herauszuplatzen.

Jeder, außer Herr Müller selbst, verstand die 'Anspielung aus daS
Sprichwort vom dümmsten Bauern, der die größten Kartoffeln hat.

Herr Heidenreich baute sich ein „Heischen", eine Privatvilla. Ein
anderer Müller zog in die Mühle, und Herr Heidenreich konnte ihm vom
Fenster seines Erkerzimmers Zusehen, was alles er den Tag über vor-
nahm. Es waren seine eigenen bisherigen Betätigungen. Neidisch ver-
folgte er sie aus der Ferne. Er hatte sich extra einen Fernstecher zu
diesem Zweck angeschasst.

In den Garten wurde ungeheuer viel Dünger eingegraben, und alles,
was Herr Heidenreich pflanzte, gedieh. Die Kinder gingen lüstern am
Gartenzaun vorbei und spähten nach den schönen Erdbeeren und den
Früchten im Laub.

„Willste enne Erdbeere", sagte Herr Heidenreich und hielt eine große
dicke Frucht am Stiel hoch.

„Joe", sagten die Kinder mit glänzenden Augen.

„DaS kennt ich mer denke!", sagte Herr Heidenreich.

lind „schwapp", da hatte er die Erdbeere selbst verzehrt. Nur um
einen Spaß mit den Kindern zu machen, und weil er sich langweilte
kam er eben aus Spässe.

Es war ein heißer Sommertag und die Gewitterwolken türmten ßrü
mit gelblichbraunen Rändern immer wieder zusammen, um dann vor
einem leichten Wind immer wieder zu zerfließen.


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Hermann Hesse: Zu einer Toccata mit Fuge von Bach
Antonie "Toni" Schwabe: Feuer im Dorf
 
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