Lesendes Mädchen Eugen Spiro
Jeder Mann hat elf Taschen
Aus dem Russischen von M. Teffi
Sprechen wir einmal van den Taschen und
Täschchen in den Männeranzügen! Wissen
Sie, wieviele Männertaschen es ans der Welt
gibt? Wenn Sie eS nicht wissen, dann mul-
tiplizieren Sie die Anzahl sämtlicher Männer
der Welt mit els. Denn jeder, auch der be-
scheidenste Mann versagt über mindestens els
Taschen. Die Bewohner Zentralafrikas natür-
lich dars man nicht einbeziehen, auS dem ein-
fachen Grunde, weil es bei ihnen praktisch un-
möglich wäre, auch nur den winzigsten Taschen-
schlitz einzuschneiden.
Ein jeder also besitzt els Taschen. Eine Un-
zahl geradezu, aber wahrscheinlich daS Er-
gebnis absoluter Notwendigkeit.
In der oberen linken Westentasche steckt die
Uhr. 3n der korrespondierenden rechten ist die
Uhrkette verankert. So!
Nun, und was befindet sich wohl in der
rechten unteren Westentasche? Eine alte Brief-
marke. Und in der linken das Schlüsselchen
der Heimsparkasse, und zwei Kopeken.
Hinten, in der sogenannten Revolvertasche
steckt ein verpatztes Wechselblankett. Un) in
irgendeinem der restlichen Hosenfächer klimpert
die Geldbörse. In welcher Tasche aber sie sich
gerade befindet, das weiß ihr Besitzer nie und
klopft daher, wenn es ans Zahlen geht, auf-
merksam horchend an sich herum, bis er eS
schließlich irgendwo klinipern hört. Manchmal
klimpert eS auch wirklich, aber das ist dann
nicht die Börse, sondern eine verirrte Kopeke
und ein Schlüssel. Die Enttäuschung ist groß,
und das Auskultieren nimmt seinen fieberhaften
Fortgang.
Die Geldbörse bei den Männern ist meist
schäbig, klein und zerrissen. Dem Mann ist
daS peinlich und er verdeckt sie vor fremden
Augen mit der Handfläche. Die Börse selbst
birgt meist nur Reste exotischer Währungen
und zu Klümpchen geballte Postbesiätigungen
längst abgesandter Sendungen. Das Geld
aber befindet sich gewöhnlich ganz wo anders.
Elegante Portemonnaies findet man nur bei
zweideutigen Existenzen, Don Juans, Schie-
bern und Strebern. Bei anständigen Men-
schen sieht eine Börse so aus, wie ich sie be-
schrieb.
Was sich in den übrigen fünf Taschen ab-
spielt ijt schwer zu ergründen. Daraus kommt
man immer nur bei Gelegenheit.
„Unlängst habe ich einen komischen Brief
bekommen... Wo habe ich ihn nur hin-
gesteckt? ..."
Jetzt heißt es suchen.
Aus allen Taschen wandern wichtige Pa-
piere ans Tageslicht. Sie sind alle' derart
wichtig, daß man sie unmöglich zu Hause am
^isch liegen lagen kann. Man muß sie bei
jich tragen und sie jedesmal, wenn man sich
umkleidet, aus einem Anzug in den andern
übersiedeln.
^ „Was ist denn das für ein Brief?...
Segenswünsche? .. . Ach, vom Herrn Pfarrer!
. . . Keine Ahnung, wie der hierher kommt!
628
Jeder Mann hat elf Taschen
Aus dem Russischen von M. Teffi
Sprechen wir einmal van den Taschen und
Täschchen in den Männeranzügen! Wissen
Sie, wieviele Männertaschen es ans der Welt
gibt? Wenn Sie eS nicht wissen, dann mul-
tiplizieren Sie die Anzahl sämtlicher Männer
der Welt mit els. Denn jeder, auch der be-
scheidenste Mann versagt über mindestens els
Taschen. Die Bewohner Zentralafrikas natür-
lich dars man nicht einbeziehen, auS dem ein-
fachen Grunde, weil es bei ihnen praktisch un-
möglich wäre, auch nur den winzigsten Taschen-
schlitz einzuschneiden.
Ein jeder also besitzt els Taschen. Eine Un-
zahl geradezu, aber wahrscheinlich daS Er-
gebnis absoluter Notwendigkeit.
In der oberen linken Westentasche steckt die
Uhr. 3n der korrespondierenden rechten ist die
Uhrkette verankert. So!
Nun, und was befindet sich wohl in der
rechten unteren Westentasche? Eine alte Brief-
marke. Und in der linken das Schlüsselchen
der Heimsparkasse, und zwei Kopeken.
Hinten, in der sogenannten Revolvertasche
steckt ein verpatztes Wechselblankett. Un) in
irgendeinem der restlichen Hosenfächer klimpert
die Geldbörse. In welcher Tasche aber sie sich
gerade befindet, das weiß ihr Besitzer nie und
klopft daher, wenn es ans Zahlen geht, auf-
merksam horchend an sich herum, bis er eS
schließlich irgendwo klinipern hört. Manchmal
klimpert eS auch wirklich, aber das ist dann
nicht die Börse, sondern eine verirrte Kopeke
und ein Schlüssel. Die Enttäuschung ist groß,
und das Auskultieren nimmt seinen fieberhaften
Fortgang.
Die Geldbörse bei den Männern ist meist
schäbig, klein und zerrissen. Dem Mann ist
daS peinlich und er verdeckt sie vor fremden
Augen mit der Handfläche. Die Börse selbst
birgt meist nur Reste exotischer Währungen
und zu Klümpchen geballte Postbesiätigungen
längst abgesandter Sendungen. Das Geld
aber befindet sich gewöhnlich ganz wo anders.
Elegante Portemonnaies findet man nur bei
zweideutigen Existenzen, Don Juans, Schie-
bern und Strebern. Bei anständigen Men-
schen sieht eine Börse so aus, wie ich sie be-
schrieb.
Was sich in den übrigen fünf Taschen ab-
spielt ijt schwer zu ergründen. Daraus kommt
man immer nur bei Gelegenheit.
„Unlängst habe ich einen komischen Brief
bekommen... Wo habe ich ihn nur hin-
gesteckt? ..."
Jetzt heißt es suchen.
Aus allen Taschen wandern wichtige Pa-
piere ans Tageslicht. Sie sind alle' derart
wichtig, daß man sie unmöglich zu Hause am
^isch liegen lagen kann. Man muß sie bei
jich tragen und sie jedesmal, wenn man sich
umkleidet, aus einem Anzug in den andern
übersiedeln.
^ „Was ist denn das für ein Brief?...
Segenswünsche? .. . Ach, vom Herrn Pfarrer!
. . . Keine Ahnung, wie der hierher kommt!
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