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wahr. Nachweislich! Paß aus: Wenn er sich
nicht ans dem Sumpf gezogen hätte, dann
wäre er versunken und ertrunken! Da er die
Geschichte aber selber bei lebendigem Leibe er-
zählt hat, muß sie wahr sein!"

„ddddd—d" klvpste eS.

Wir hörten nicht daraus. Wir tischten uns
gegenseitig Münchhausengeschichten auf, die
wir beide kannten. Aber hier, in der Gegend
seines Wirkens — auf geschichtlichem Boden

— Grund genug, sie einmal zu repetieren! In
so romantischer Umgebung!

„3(1 er nicht hier in der Nähe begraben?"

„Ja, und nun klopft er hier am Zelt
herum!"

Ei, wie munter scherzten wir! Wir waren
doch bei Laune, oho! — Es war ja auch im
ganzen ein heiterer Betrieb hier!

Münchhausen klopfte gerade wieder. Dann
schrillte der Pfuhl aus. Wir schwiegen so lange.

Als es vorüber war, sprachen wir ganz
kühl und lustig von Klopsgeislern. Klopfgeister,
was ist denn schon dabei? Es haben schon ver-
schiedene Menschen Klopsgeister gehört. Klopf-
geister tun einem nichts zuleide. Klopfgeister
haben allen Grund, sich anständig und rück-
sichtsvoll zu benehmen. Schließlich werden sie
ja ein Anliegen haben — meistens haben sie
irgendein Anliegen, sonst würden sie sich ja gar
nicht die Mühe machen, in einem harmlosen,
naturliebenden Zelt herumzuklopsen. Es soll
nämlich sehr anstrengend sein . . .

„Korraaks — korrraaaks — breckeckeckex"
jaulten die teuflischen Kröten.

Ich zweifelte, ob eS Lachen war, ver-
zweifeltes Lachen, oder heulendes Elend und
hilfloses Zähneklappern? — Wenn nur diese
Kröten nicht gewesen wären! Klopfgeister sind
dagegen eine ganz vernünftige und stubenreine
Angelegenheit. Wenn mich zu Hause ein Klops-
geist anriese, würde ich mich geehrt fühlen.
Aber hier war ja nun allerdings wirklich nicht
der Ort und die Gelegenheit dafür.

„ddddd—d" klopfte es hinter meinem Kopf.

Was bedeutete es? Wenn eS nach dem ABC
ging, mußte es F heißen. Es konnte möglicher-
weise auch 12345, also E heißen und dann i,
also A. Drittens konnte eS ein Morsezeichen
se.'n, und von Morsezeichen habe ich keine
Ahnung.

„Was für ein umständliches und hoffnungs-
loses Verfahren für Geister!" sagte meine
Frau, „warum flüstern sie nicht einfach?"

Ich konnte ihr das alles erklären, denn auf
diesem Gebiet habe ich viel gelesen.

„Paß aus!" sagte ich, „zu einem vernünf-
tigen Gedankenaustausch gehört aus der inensch-
lichen Seite ein Medium in Trance, das weißt
du doch. Auf der Geisterseite muß aber auch
noch ein ,Guide' da sein. Das ist so eine Art
Conferencier und Dolmetscher. Der Guide ist
es, der durch den Mund des Mediums spricht

— das Medium weiß natürlich nichts davon.
Der Guide kann aber auch manchmal andere
Geister, mit denen man zu plaudern wünscht,
also irgendwelche Kaiser, Könige oder tote
Tanten heranlotsen, Nachrichten von ihnen
übermitteln oder sie selber vor dem Mikrophon
zum Reden bringen. — Einmal wollte jemand
den Spirit von Lenin beschwören ..."

„ddddd—d" klopfte eS, aber was ging uns
denn eigentlich das Klopsen an?!

„... beschwören. Nein, so war es gar nicht.
Er wollte feine Frau an den Apparat bitten
lassen — da ries der Guide plötzlich mit der
Erregung eines FunkansagerS: 'Soeben naht
sich ein Geist — ein sehr starker Geist — er
will sprechen. ..' und dann kam gar nichts
mehr. Vielmehr doch: das Medium verfiel in
heftige Krämpfe und der Witwer machte sich
aus eine schwere Gardinenpredigt gefaßt. Aber
der Sitzungsleiter forderte den starken Geist im
strengsten Tone aus, sich zu legitimieren —
und da stammelte das Medium mühsam:
,L—e—n—i—n‘. Mehr brachte es nicht her-
aus. Lenin hatte offenbar noch nicht den Knigge
für Spirits gelesen und verstand sich nicht aus
den Umgang mit Medien! Vielleicht..." setzte
ich sinnend hinzu, „lag eS auch an der russischen
Sprache, an der sich das Medium Ztmge und
Gaumen verrenkte..."

.Weine Frau bewunderte meine Kenntnisse.
„Ja, du wirst einmal ein guter Spirit!" sagte
>ie. Die Kröten lachten laut. Wir lachten mit
und machten das Licht aus.

Wirklich schien meine Frau einzuschlafen,
obschon die feuchten Viecher in der Pfütze noch
immer krakcelten. Ich atmete tief und langsam,
aber ich hatte noch nicht vor, zu schlafen. Ich
fühlte die Pflicht, mich mit den Klopfgeistern
zu verständigen und ihre Botschaft entgegenzu-
nehmen.

Eigentlich spricht man zu Geistern aller Art
mit lauter Stimme, aber ich wollte diese Sache
allein mit ihnen abmachen, ohne meine Frau
zu wecken. Ich beschloß, so deutllich und so
heftig lvie möglich zu denken. Zuerst mußte der
Schlägel verabredet oder bestätigt lverden, der
Zeichenkodex, nach dem geklopft lverden sollte.

„Das Abc!" dachte ich sehr energisch, „das
Abc! Das Abc!"

„ddddd—d" fing es gleich wieder an.

- ’ ..

Garten im Herbst Walter Dolch

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