Toni Bichl
„Sehn S\ i war no nie in an Kino. Für sowas hob i nix übrig.“
„San S’ froh! Mei Alte geht jeden Tag ins Kino und hat deswegen nix mehr übrig“
Bühnentechnik
Q)on QOilLlm QOelclin
Ich bin ein durchaus normaler Mensch, Ich
habe in meinem Leben kaum je etwas anderes
geschrieben als Kondolenzbriese und gelegent-
liche Ansichtskarten. Zeichen von Wahnsinn
haben sich bei mir nie gezeigt. Daß ich dennoch
auf die Idee kam, ein Lustspiel zu schreiben,
kann ich mir nur durch einen vorübergehenden
Anfall von Trübsinn erklären.
Ich habe allerdings später überraschend
viele Leute getroffen, die schon einmal ein Lust-
spiel geschrieben haben. Aber dann sprachen sie
davon in einem gedämpften Tonfall, wie man
von einer knapp überstandenen Blinddarment-
zündung mit vorgeschrittener Darmverschlin-
gung spricht.
Es war mir von Anfang an klar, daß das
Wichtigste bei einem Lustspiel ein Kompagnon
ist. Weiß Gott, warum daS so ist, aber Lust-
spiele werden immer von zwei Autoren ge-
schrieben. Ich erkläre mir daS heute so, daß
sie für einander einspringen, so oft einer von
ihnen einen Nervenanfall mit Weinkrämpfen
bekommt. Ich rief meinen Freund Ralph an,
der schon öfters Gedankensplitter in den Maga-
zinen veröffentlicht hat.
„Du bist nicht vielleicht zufällig verrückt
geworden?" fragte er.
Ich verneinte.
„Dann kaufe fünfhundert Zigaretten und
zwanzig Flaschen Whisky und richte ein
Duantum schwarzen Kaffee an, daS für ein
Bataillon Soldaten ausreicht. Das übrige
wird sich finden."
Wir fingen mit einem Fünfuhrtee bei Lord
Shorelavington im gelben Salon von Shore-
lavington-Castle an und kamen erstaunlich
schnell vom Start weg. Die Szene gab uns
die Möglichkeit, gleich eine ganze Menge
Figuren einzuführen. Langsam erwies sich aller-
dings der Fassungsraum des gelben Salons
von Shorelavington-Castle für die Figuren,
deren Zahl kataraktartig anschivoll, als zu
klein und wir waren gezwungen, die Szene in
den großen Saal zu verlegen. Aber auch der
Saal füllte sich mit unheimlicher Geschwindig-
keit und wir hatten gut dreißig Personen auf
der Szene, als sich plötzlich die unausweichliche
Notwendigkeit ergab, dem Helden und der
Heldin eine Aussprache unter vier Augen zu
ermöglichen.
„Was sollen wir tun?" fragte Ralph
resigniert.
Ich brütete dumpf vor mich hin.
„Lassen wir den Sohn des Hauses im Gar-
ten von Shorelavington-Castle eine Knallkapsel
abschießen", schlug ich vor. „Daraufhin stürzt
alles hinaus. Das Ei des Kolumbus!"
„Unsinn", sagte Ralph. „Es wäre unpsycho-
logisch, daS Liebespaar auf der Szene bleiben
zu lassen, wenn im Garten eine Explosion
erfolgt."
Ich sah das ein. Eine andere Idee kam mir.
„Wie wäre es, wenn achtundzwanzig Gäste
von einem genossenen Gericht eine Fischvergif-
tung bekommen und ihnen plötzlich übel wird.
Nur das Liebespaar hat von dem Fisch nicht
gegessen; Liebende denken nicht an Essen. Dab
wäre psychologisch und wir sind die anderen
los."
Gegen diese Lösung wandte Ralph ein, daß
ihr dasselbe Prinzip zugrunde liege, wie der
anderen, nämlich daS des Ausschüttens einer
Badewanne. Wir debattierten also weiter und
schließlich einigten wir uns auf einer mittleren
Linie und folgende Szene entstand:
Sir Humphrey Brocken: Gütiger Himmel!
Ich habe vergessen, den Gasrechaud zu Hause
VERSICHERUNGEN
t I I • 1 0 4 4
VERSICHERUNGEN
ALLER ART
Landes-Verwaltungsstelle Bayern
MÜNCHEN / KAU L BACH STR ASSE 89 / FERNS PRECHER 32899/31174
Bei etwaigen Bestellungen bittet man auf die Münchner „Jugend“ Bezug zu nehmen.
683
1935 / J U G E N D Nr. 43
„Sehn S\ i war no nie in an Kino. Für sowas hob i nix übrig.“
„San S’ froh! Mei Alte geht jeden Tag ins Kino und hat deswegen nix mehr übrig“
Bühnentechnik
Q)on QOilLlm QOelclin
Ich bin ein durchaus normaler Mensch, Ich
habe in meinem Leben kaum je etwas anderes
geschrieben als Kondolenzbriese und gelegent-
liche Ansichtskarten. Zeichen von Wahnsinn
haben sich bei mir nie gezeigt. Daß ich dennoch
auf die Idee kam, ein Lustspiel zu schreiben,
kann ich mir nur durch einen vorübergehenden
Anfall von Trübsinn erklären.
Ich habe allerdings später überraschend
viele Leute getroffen, die schon einmal ein Lust-
spiel geschrieben haben. Aber dann sprachen sie
davon in einem gedämpften Tonfall, wie man
von einer knapp überstandenen Blinddarment-
zündung mit vorgeschrittener Darmverschlin-
gung spricht.
Es war mir von Anfang an klar, daß das
Wichtigste bei einem Lustspiel ein Kompagnon
ist. Weiß Gott, warum daS so ist, aber Lust-
spiele werden immer von zwei Autoren ge-
schrieben. Ich erkläre mir daS heute so, daß
sie für einander einspringen, so oft einer von
ihnen einen Nervenanfall mit Weinkrämpfen
bekommt. Ich rief meinen Freund Ralph an,
der schon öfters Gedankensplitter in den Maga-
zinen veröffentlicht hat.
„Du bist nicht vielleicht zufällig verrückt
geworden?" fragte er.
Ich verneinte.
„Dann kaufe fünfhundert Zigaretten und
zwanzig Flaschen Whisky und richte ein
Duantum schwarzen Kaffee an, daS für ein
Bataillon Soldaten ausreicht. Das übrige
wird sich finden."
Wir fingen mit einem Fünfuhrtee bei Lord
Shorelavington im gelben Salon von Shore-
lavington-Castle an und kamen erstaunlich
schnell vom Start weg. Die Szene gab uns
die Möglichkeit, gleich eine ganze Menge
Figuren einzuführen. Langsam erwies sich aller-
dings der Fassungsraum des gelben Salons
von Shorelavington-Castle für die Figuren,
deren Zahl kataraktartig anschivoll, als zu
klein und wir waren gezwungen, die Szene in
den großen Saal zu verlegen. Aber auch der
Saal füllte sich mit unheimlicher Geschwindig-
keit und wir hatten gut dreißig Personen auf
der Szene, als sich plötzlich die unausweichliche
Notwendigkeit ergab, dem Helden und der
Heldin eine Aussprache unter vier Augen zu
ermöglichen.
„Was sollen wir tun?" fragte Ralph
resigniert.
Ich brütete dumpf vor mich hin.
„Lassen wir den Sohn des Hauses im Gar-
ten von Shorelavington-Castle eine Knallkapsel
abschießen", schlug ich vor. „Daraufhin stürzt
alles hinaus. Das Ei des Kolumbus!"
„Unsinn", sagte Ralph. „Es wäre unpsycho-
logisch, daS Liebespaar auf der Szene bleiben
zu lassen, wenn im Garten eine Explosion
erfolgt."
Ich sah das ein. Eine andere Idee kam mir.
„Wie wäre es, wenn achtundzwanzig Gäste
von einem genossenen Gericht eine Fischvergif-
tung bekommen und ihnen plötzlich übel wird.
Nur das Liebespaar hat von dem Fisch nicht
gegessen; Liebende denken nicht an Essen. Dab
wäre psychologisch und wir sind die anderen
los."
Gegen diese Lösung wandte Ralph ein, daß
ihr dasselbe Prinzip zugrunde liege, wie der
anderen, nämlich daS des Ausschüttens einer
Badewanne. Wir debattierten also weiter und
schließlich einigten wir uns auf einer mittleren
Linie und folgende Szene entstand:
Sir Humphrey Brocken: Gütiger Himmel!
Ich habe vergessen, den Gasrechaud zu Hause
VERSICHERUNGEN
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VERSICHERUNGEN
ALLER ART
Landes-Verwaltungsstelle Bayern
MÜNCHEN / KAU L BACH STR ASSE 89 / FERNS PRECHER 32899/31174
Bei etwaigen Bestellungen bittet man auf die Münchner „Jugend“ Bezug zu nehmen.
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1935 / J U G E N D Nr. 43