Olaf stand auf dein Posischiff, das durch
den Gratsund nach Tromsö steuerte. Es war
Samstag und das Vorderdeck gerammelt voll,
denn jeder hatte Eile, in die Stadt zu kom-
men, wo am anderen Morgen, nach der Predigt
des Pfarrers, der Jahrmarkt begann. Olaf
stand zwischen all den Leuten und hatte Lam-
penfieber vor dem ersten Betreten der Stadt.
Er war vor ein paar Tagen von seiner ersten
Fahrt hermgekehrt, auf einem Robbenfänger,
der auf den Bäreninseln an die zweihundert
Tiere geschlagen hatte. Er war in Karlsö an
Land gegangen und ein paar Tage zu Hause
gewesen, jetzt folgte er Herrn Stensens Kutter,
mit dem sie noch einmal auöfähren wollten,
den ganzen Winter über. Der Kutter würde
dann auf Rord-Ost-Land aufgesetzt werden,
und sie machten Jagd auf alles, was ihnen
unter die Keule kam. Für sie war eS kein
gutes Jahr gewesen. Schiffer Stensen hatte
einen neuen Motor kaufen müssen und war
den Lohn schuldig geblieben. Er hoffte auf das
nächste Jahr. Der Kutter ging ja vor.
Es machte Olaf nichts aus, daß er nach
VON BASTIAN MÜLLER
einer Fahrt kaum eine Krone in der Tasche
hatte; er war noch' sehr jung, um die Sommer-
wende wurde er zwanzig. Wenn nicht gerade
Jahrmarkt in Tromsö gewesen wäre, hätte er
vergnügt einen weiten Bogen über die Reling
gespuckt.
Aber so ...
Er dachte seit der Abfahrt von Karlsö an
Rugald, dachte an die Zeit, wo sie hinter einer
kümmerlichen Bohnenlaube Mann und Frau
gespielt hatten. Er mußte sie manchmal schla-
gen. Das hatten sie vom alten Tjarks, der
feine Frau immer schlagen mußte, weil sie ihm
sonst davonlief und eS mit anderen versuchte.
Oh, sie wußten von nichts und spielten nur so,
klein wie sie waren, Mann und Frau.
Alle Kinder spielen daS, dachte Olaf, ob eS
die Mädchen eigentlich vergessen, wenn sie
größer werden? — Manchmal heißt eS ja:
Jugendliebe! blnd die Leute stecken die Rasen
zusammen.
Jetzt war Rugald in Tromsö, bei Kaufmann
Schulksen und betreute zwei kleine Kinder.
Ihre Eltern hatten ihm einen Gruß an sie auf-
getragen, und sie sollte die Wäsche schicken, die
Mutter wollte sie durchsehen und vielleicht
instandsetzen.
Wenn daS alles nicht gewesen wäre! Denn
schließlich war Olaf von einer langen Fahrt
heimgekommen — war auf dem besten Wege,
ein Mann zu werden, denn von der Beute
fielen genau zweiundsechzig Robben unter
seinem Keulenschlage. Das war genau fein
Anteil; Schiffer Stensen und sein Söhn hatten
auch nicht viel mehr, obwohl sie alte Fänger
waren.
Run spuckte Olaf doch noch über die
Reling, der Postdampfer drehte zum Kai bei
und beim Anblick von Tromsö sammelte sich
zuviel Speichel in seinem Munde. Vor lauter
blnruhe!
O Gott! Er war mit seinen Gedanken keinen
Deut weiter gekommen, er drängte sich durch
die Passagiere und schritt über den Steg an
Land. Aus irgendeinem Grunde hoffte er, daß
Rugold am Kai stehen könnte.
Aber sie wußte ja gar nicht, daß er kam.
blnd es war noch lange nicht sicher, ob sie
gekommen wäre, wenn sie um seine Ankunft
gewußt hätte. Es war fast ein Jahr her, da
sie sich zuletzt gesehen hatten, sehr flüchtig nur,
abends, als die Möven schon auf die Klippen
fielen und das Licht der Sonne nächtlich weiß
wurde. Er hatte ihr hinter der Scheune zu-
geflüstert:
„Ich würde dir einen Ring kaufen, Silber
mit einem blauen Stein, wenn eS in FörsenS
Kramladen fowaS gäbe. Das würde ich tun,
nur damit du ab und zu an mich denkst..."
„Försen hat keine Ringe, auS Silber mit
einem blauen Stein", hatte sie darauf geant-
wortet.
Ilnd jetzt dachte er wieder daran, was das
wohl heißen sollte.
Aber vielleicht gab es auf dem Markt
Ringe. Jetzt konnte es fast ein goldener sein.
Vielleicht mit einem roten Stein. Es hatte sich
inzwischen vieles geändert, sie war ihm um
zehn Kronen teurer geworden.
„Verdammt!" sagte er. Das galt Stensens
altem Motor, und dem neuen, der ihn um
seinen Lohn gebracht hatte. Verdammt, eS war
nicht einerlei, ob man einige Zehnkronenscheine
in der Tasche hatte oder nicht. Wäre Stensen
eine alte Robbe gewesen, er hätte ihm so mit
der Keule vor den Kopf...
„Ach Unsinn!" stöhnte er.
Aber unwillig war Olaf doch. Er fragte
sich durch nach SchulksenS Laden und ging
gleich hinein. — blnd kriegte den Mund nicht
auf! Stand und gaffte den Ladendiener an,
musterte ihn lange und genau. Er war so
Fünfundzwanzig und hatte eine rotseidene
Krawatte an. Er war so erhaben über einen
Robbenfänger, und wartete ab, ob der
Bursche, der da eintrat, reden wollte oder
nicht.
OER RING VOM MARKT IN TROMSO
694
den Gratsund nach Tromsö steuerte. Es war
Samstag und das Vorderdeck gerammelt voll,
denn jeder hatte Eile, in die Stadt zu kom-
men, wo am anderen Morgen, nach der Predigt
des Pfarrers, der Jahrmarkt begann. Olaf
stand zwischen all den Leuten und hatte Lam-
penfieber vor dem ersten Betreten der Stadt.
Er war vor ein paar Tagen von seiner ersten
Fahrt hermgekehrt, auf einem Robbenfänger,
der auf den Bäreninseln an die zweihundert
Tiere geschlagen hatte. Er war in Karlsö an
Land gegangen und ein paar Tage zu Hause
gewesen, jetzt folgte er Herrn Stensens Kutter,
mit dem sie noch einmal auöfähren wollten,
den ganzen Winter über. Der Kutter würde
dann auf Rord-Ost-Land aufgesetzt werden,
und sie machten Jagd auf alles, was ihnen
unter die Keule kam. Für sie war eS kein
gutes Jahr gewesen. Schiffer Stensen hatte
einen neuen Motor kaufen müssen und war
den Lohn schuldig geblieben. Er hoffte auf das
nächste Jahr. Der Kutter ging ja vor.
Es machte Olaf nichts aus, daß er nach
VON BASTIAN MÜLLER
einer Fahrt kaum eine Krone in der Tasche
hatte; er war noch' sehr jung, um die Sommer-
wende wurde er zwanzig. Wenn nicht gerade
Jahrmarkt in Tromsö gewesen wäre, hätte er
vergnügt einen weiten Bogen über die Reling
gespuckt.
Aber so ...
Er dachte seit der Abfahrt von Karlsö an
Rugald, dachte an die Zeit, wo sie hinter einer
kümmerlichen Bohnenlaube Mann und Frau
gespielt hatten. Er mußte sie manchmal schla-
gen. Das hatten sie vom alten Tjarks, der
feine Frau immer schlagen mußte, weil sie ihm
sonst davonlief und eS mit anderen versuchte.
Oh, sie wußten von nichts und spielten nur so,
klein wie sie waren, Mann und Frau.
Alle Kinder spielen daS, dachte Olaf, ob eS
die Mädchen eigentlich vergessen, wenn sie
größer werden? — Manchmal heißt eS ja:
Jugendliebe! blnd die Leute stecken die Rasen
zusammen.
Jetzt war Rugald in Tromsö, bei Kaufmann
Schulksen und betreute zwei kleine Kinder.
Ihre Eltern hatten ihm einen Gruß an sie auf-
getragen, und sie sollte die Wäsche schicken, die
Mutter wollte sie durchsehen und vielleicht
instandsetzen.
Wenn daS alles nicht gewesen wäre! Denn
schließlich war Olaf von einer langen Fahrt
heimgekommen — war auf dem besten Wege,
ein Mann zu werden, denn von der Beute
fielen genau zweiundsechzig Robben unter
seinem Keulenschlage. Das war genau fein
Anteil; Schiffer Stensen und sein Söhn hatten
auch nicht viel mehr, obwohl sie alte Fänger
waren.
Run spuckte Olaf doch noch über die
Reling, der Postdampfer drehte zum Kai bei
und beim Anblick von Tromsö sammelte sich
zuviel Speichel in seinem Munde. Vor lauter
blnruhe!
O Gott! Er war mit seinen Gedanken keinen
Deut weiter gekommen, er drängte sich durch
die Passagiere und schritt über den Steg an
Land. Aus irgendeinem Grunde hoffte er, daß
Rugold am Kai stehen könnte.
Aber sie wußte ja gar nicht, daß er kam.
blnd es war noch lange nicht sicher, ob sie
gekommen wäre, wenn sie um seine Ankunft
gewußt hätte. Es war fast ein Jahr her, da
sie sich zuletzt gesehen hatten, sehr flüchtig nur,
abends, als die Möven schon auf die Klippen
fielen und das Licht der Sonne nächtlich weiß
wurde. Er hatte ihr hinter der Scheune zu-
geflüstert:
„Ich würde dir einen Ring kaufen, Silber
mit einem blauen Stein, wenn eS in FörsenS
Kramladen fowaS gäbe. Das würde ich tun,
nur damit du ab und zu an mich denkst..."
„Försen hat keine Ringe, auS Silber mit
einem blauen Stein", hatte sie darauf geant-
wortet.
Ilnd jetzt dachte er wieder daran, was das
wohl heißen sollte.
Aber vielleicht gab es auf dem Markt
Ringe. Jetzt konnte es fast ein goldener sein.
Vielleicht mit einem roten Stein. Es hatte sich
inzwischen vieles geändert, sie war ihm um
zehn Kronen teurer geworden.
„Verdammt!" sagte er. Das galt Stensens
altem Motor, und dem neuen, der ihn um
seinen Lohn gebracht hatte. Verdammt, eS war
nicht einerlei, ob man einige Zehnkronenscheine
in der Tasche hatte oder nicht. Wäre Stensen
eine alte Robbe gewesen, er hätte ihm so mit
der Keule vor den Kopf...
„Ach Unsinn!" stöhnte er.
Aber unwillig war Olaf doch. Er fragte
sich durch nach SchulksenS Laden und ging
gleich hinein. — blnd kriegte den Mund nicht
auf! Stand und gaffte den Ladendiener an,
musterte ihn lange und genau. Er war so
Fünfundzwanzig und hatte eine rotseidene
Krawatte an. Er war so erhaben über einen
Robbenfänger, und wartete ab, ob der
Bursche, der da eintrat, reden wollte oder
nicht.
OER RING VOM MARKT IN TROMSO
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