Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Vielleicht hat er seine Kammer Ln der Nähe
von Rugald, dachte Olaf, und er dachte wieder:
Wäre der Kerl nur eine Robbe, so ein schmie-
riger Seehund, ein halber Schlag wäre genug!

Aber dann erkundigte er sich doch erst, wo
Fräulein Rugald sei.

„Bei den Kindern."

„Sv. Wollen Sie ihr sagen, daß Olaf aus
Karlsö da ist?"

„Einen Augenblick."

Olaf hatte gespannt auf den Ton der Worte
deS Ladendieners gehorcht... Nein, er konnte
nichts heraushören.

Da kam Rugald. O, sie lachte. Sie hatte
einen dunklen Fleck in der Schürze, „vom
kleinsten Jungen", sagte sie verlegen und steckte
die Schürze hoch. Dann sah sie Olaf an, und
er bekam einige Hoffnung.

Ich muß zwanzig Kronen haben, dachte er.
Ich muß! — Und er sagte die Grüße aus
Karlsö und das mit der Wäsche so daher.

Und dann verabredeten sie sich für morgen
Abend. Sie wollten zusammen über den Markt
gehen und sehen, ob er so gewaltig sei, wie sie
ihn sich als Kinder vorgestellt hatten; damals,
als sie noch Mann und Frau spielten.

Und am anderen Abend? — Es war eine
hoffnungslose Sache. Olaf hätte dem Schiffer
Stensen den Schädel einschlagen können! —
Im Guten hatte er es versucht, so:

„Schiffer, ich brauche zwanzig Kronen."

„Olaf", antwortete der, „erstens habe ich
keine, und wofür brauchst du sie zweitens?"

Was sollte er da sagen? Er brauchte nichts.
Alles war da, bis auf den Ring.

Nun kam Rugald aus Schulksens Laden,
hatte einen Mantel an und einen Handschuh.
Die linke Hand war bloß, als harre sie auf
den Ring.

Es war sehr wenig lustig auf dem Markt.
Zwar versuchten sie in einer Kaffeebude einen
Tanz zu machen, aber jedesmal, lvenn Olaf
die Hand Rugolds faßte, war sie kahl, ohne
Ring, Und über den Markt gehen war eine
Oual. Es waren zwei Buden da, die echte
Ringe verkauften, zusammen mit Medaillons,
in die inan zwei kleine Fotos stecken konnte,
die ein schwarzhaariger Fotograf vor einem
gemalten Villengarten herstellte. Auch jetzt zur
Nachtzeit gellte das Blitzlicht grellgrün in die
tveißhelle Nacht.

Olaf konnte nicht anders, er erzählte von
dem verdammten neuen Motor, den Schiffer
Stensen kaufen mußte, Und dann gingen sie
sehr früh nach Hause, weil Rugald nach den
Kindern sehen mußte.

Alles war vergebens. Kein Wort hatte er
gesagt von dem, worauf es ankam. Nur:
„Morgen, init der Abendflut laufen wir aus."

„Ich möchte dich dann noch sehen", sagte
Rugald.

Sie richtete eS auch so ein. Sie war mit
dein abfallenden Wasser am Kai; die Kinder
mußte sie mitnehmen. Olaf war zuerst nicht zu
sehen. Sie schaute lange vergebens zum
Kutter .. ., bis er plötzlich sie antippte, hinter
ihrem Rücken stand und Augen wie ein toll-
wütiger Hund hatte.

Denn er hatte es gesehen! Den Ring an

ihrein Finger! — Und noch viel mehr! Er
hatte alles klar von seinen Augen: den Laden-
diener aus Schulksens Kaufhaus ... hatte sie
nicht gestern früh nach Hause gedrängt, und
hatte sie nicht weggesehen, als sie an den Ring-
verkäufern vorbeigingen?

Es war klar, ein anderer, irgend so ein
Jammerlappen hatte längst vor ihm in die
Tasche gegriffen, die Kronen hervorgezogen
und mit dem Händler großspurig um den
Preis gefeilscht... Hatte ihr den Ring mit
allein Protz an den Finger geschoben lind lver
lveiß lvaS dafür erhalten!

Es war alles sehr klar. Olaf sagte mit
einer Stimme, die einen Sprung hatte: „Was
willst du eigentlich noch hier?!"

„Oh, nichts..." Sie ließ die Kinder los
und verkrampfte die Hände ineinander, daß der
Ring verschwand. Sie hatte jeden Mut ver-
loren, — iind doch so eine Freude gehabt.

Nach langein Schweigen sagte sie: „Ist es
ein guter Motor, der neue?"

„Der...?" Olaf riß den Mund auf. —

Was ging sie der Motor an?

(Schluß S. 703)
Register
Anton Leidl: Der Maler C. O. Müller
 
Annotationen