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Zwei Monate lang mühte sich Pelagia Tag
für Tag mit tcv Erlernung des Lebens und
Schreibens ab. Geduldig stellte sie auS Lauten
Silben, aus Silben Worte zusammen, formte
Buchstaben und lernte Satz für Sah auS-
lvendig. bind jeden Abend, lvenn sie allein mar,
entnahm sie ihrer Kommode den verfänglichen
Brief und versuchte seinen geheimnisvollen Sinn
zu enträtseln . .. Daö war aber nicht einfach.

An dritten Monat erst konnte Palagia ihre
Aufgabe lösen.

Eines Morgens, als ihr Mann zur Arbeit
gegangen war, nahm sie wiederum den Brief
und begann an ihm zu studieren. Mühsam nur
gelang es ihr, die feine Handschrift zu ent-
ziffern. Immer aber, wenn sie erlahmen wollte,
ermunterte der kaum noch merkliche Duft des
Papiers sie, nicht die Geduld zu verlieren.

Das Schreiben war an ihren Mann gerichtet
und lautete folgendermaßen:

„Sehr geehrter Genosse Kutschkin, anbei
übersende ich Ihnen die versprochene Fibel. Ich
glaube, daß Are Frau in zwei bis drei Mo-
naten fließend lesen und schreiben wird. Bitte,
lieber Freund, pauken Sie mit ihr, und schärfen
Sie ihr vor allen Dingen ein, wie widerwärtig
Illnbildung ist.

Noch in diesem Jahre wird die Unwissenheit
in ganz Sowjetrußland mit allen dem Staat
zu Gebote stehenden Mitteln bekämpft werden.
Sollten wir da nicht zu allererst an die uns am
nächsten Stehenden denken?

Erfüllen Sie daher unbedingt meine Bitte,
Ivan Nikolajewitfch.

Mit kommunistischem Gruß

Are Maria Blochin."
Dreimal überlas Palagia den Brief. Dann
begann sie, mit zusammengepreßten Lippen und
von einem Gefühl dunkler Kränkung erfaßt
und doch seltsam erlöst, zu weinen...

Beweis

„Und liebst du mich wirklich, Eduard?"
„Könnt' ich sonst diese unausstehliche Frage
dreißigmal des Tages so geduldig anhören?"

Erwiderung

Ein Herr ersuchte gelegentlich eines Fest-
essens seinen Nachbar um die Gefälligkeit, ihm
etwas Brot hinüberzureichen.

Dieser bemerkte gereizt: „Aber mein Herr,
halten Sie mich für einen Kellner?"

„Nein! Ich hielt Sie für einen Gentleman!"

We i s e

„Vater, was ist das, wenn einer zu lebens-
länglich und ein Ahr verurteilt ist?... Er
kann doch nicht lebenslänglich sitzen und nach-
her noch ein Ahr!"

„So klug ist das Gericht auch, dummer
Junge, und darum muß er das Ahr natürlich
vorher absitzen!"

Entwicklung

„Was ist eigentlich aus deiner heimlichen
Liebe geworden?"

„Eine unheimliche Ehe!"

Kinder

„Taute, stimmt es, daß wir den Mond
sehen, wenn du die Augen zumachst?"

„Wie kommst du denn darauf, mein Kind?"
„Vater sagte heute früh, wenn du mal die
Augen zumachst, schauen wir alle in den
Mond!"

8c hwache Stunde

„Mama, ich weiß jetzt, wie lange der Storch
braucht, um ein Kind zu bringen!"

„So? Wie lange denn?"

„blngefähr fünfundfünfzig Minuten!"

„Wie kommst du denn darauf?"

„Onkel Karl sagte doch gestern, die Anna
verdankt ihr Kind einer schwachen Stunde!"

Besser so

„Was, Sie haben hier im Ort nicht einmal
einen Arzt? Was geschieht denn dann mit den
Schwerkranken?"

„Die sterben eines natürlichen Todes!"

l. e i d e r

„Ist inein neues Lustspiel nicht sehr belacht
worden?"

„Leider nur belächelt!"

Sonntag ist's!

Am Sonntag is' nob'l, am Sonntag iS fei',

Draht )i’ oans nach in andern beim Kirchnsteig nei' —
gschnieg lt und büg'lt stehn die Duam bei der Stiag'n
und tean die schön Dianaln genau visitiern.
klber die schiachn werd g lacht und dö jungen wern g'lobt,

Dö überbliebn san, werd'n diam amol g'foppt.

Nach der Predigt gehts zum Wirt zu dö Weißwürscht und Bier,
politisier n, dös teans aa, woaßt es scho wia.

Mit der Kellnerin lvird g'speanz'lt, und S Schurzbandl aufg macht,
und 's Diandl, dös schimpft, lveil da Wirt dazua lacht.

Da Haust schenkt ei, daß S Bier narrisch treibt,
daß eahm aa vom Schankgeld am Montag ivaS bleibt.

Hernach wart dahoam a Schweiners mit Kraut,
da iverd gar nix mehr g'redt, bloß fest einig'haut.

Da schwitzn S iind schnaufn's, eS biagt si' der Magn,
von so an fein' Fraß kann ma net gnua vertragn.
blnd hat nachher jeder sich gnua außerg'fischt,
wird der Löffel nach'm Essen am Tischtuach abg wischt.

Nach in Tischgebet bet'n geht 's außi mit Schrvung,
an Juchzer, an Schnalzer, .zu ivaS waar ma jung!

S wird g'jodlt und g'sunga, laut g'juchazt daß 's hallt,

Stoekg schlagn und Schuahplattlt, daß grad a so schnallt.
Kartenspieln, Keglscheibn, dös tean die ältern Leut,
aber zum Dianei geh, da habn d' Anga a Schneid.

Dö kraxlu nauf an d' Wand, werfen a Hand voll Sand,
na woaß jed's Dianei g'wiß, daß da Bua draußn is.

Dös iS a Seligkeit, bis oana voller Neid

an Buam vom Loatterl reißt iind ins Gras einifchmeißt.

G rafft werd, daß d Fetzn fliag'n, so tean si dö zwoa z'kriagn,
grean und blau hatschen s' z' Haus, der Sonntag is aus.

Von Afra Schulz

v. Velden
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Afra Schulz: Sonntag ist's
v. Velden: Straßensänger
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