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„Vielleicht. Aber bann Ware der Witz un-
möglich."

„Halt, halt! Nicht vielleicht und nicht dann
wäre. .. Schließlich muß ja auch ein Witz die
gewisse innere Logik haben. Aber selbst ange-
nommen, eö kommt niemand in der Kaserne
auf die Idee, den Kapellmeister rasch zu
warnen. Zugegeben, die Leute können alle ver-
dattert sein. Aber der Kapellmeister selbst!
Mensch! Wollen Sie mir weißmachen, daß der
in Gegenwart des Divisionskommandanten aus-
gerechnet eine Ouvertüre proben wird, die noch
gar nicht geht? He? Erklären Sie mir
gefälligst, warum er nicht zum Beispiel die
Oberon-Ouvertüre spielt, die alle schon aus-
wendig können?"

„Weil sonst die Pointe unmöglich wäre."

„Pardon! DaS ist keine zureichende Er-
klärung. Wegen einer Pointe kann man doch
nicht alle Wahrscheinlichkeit auf den Kopf
stellen. Aber untersuchen wir weiter. Ist Ihr
Kapellmeister ein Idiot? Nein, wahrscheinlich
nicht. Wenn er die Stelle eines Militärkapell-
meister bekam, ist er ein sehr vernünftiger und
tüchtiger Mann. Schön. Warum stellt sich
dieser verünftige und tüchtige Mann nicht Sr.
Exzellenz, dem DivistonSkommandant-en vor und

meldet: Wir halten gerade die erste Probe, die
natürlich noch nicht so klappen kann. Warum
tut er daS nicht?"

„DaS weiß ich nicht. Da müssen Sie schon
den Militärkapellmeister fragen."

„Oho! DaS werde ich nicht tun! Was
geht mich Ihr Militärkapellmeister an?
Hat e r mir einen Witz erzählt? Nein, Sie!
Übrigens! Lieber Freund! Wollen Sie mir
einreden, daß es heutzutage — heutzutage
— noch eine Militärkapelle gibt, welche die
Tannhäuser-Ouvertüre nicht schon im Schlafe
spielt? Warum sollte da der Kapellmeister
immer wieder abklopfen? Ja, wenn Sie zum
Beispiel gesagt hätten, die Militärkapelle probt
ein Stück von NeSpighi. .."

„Aber den NeSpighi spielt man doch nicht in
der StaatSoper."

„Warum muß man ihn gerade in der
StaatSoper spielen?"

„Zum Donnerwetter — weil ja sonst der
Divisionskommandant nicht sagen kann, daß eS
die Zivilisten in der Oper besser gespielt haben."

„Na, schön, dann kann er doch etwas
anderes sagen."

„Etwas anderes ist aber nicht komisch."

Herr Siebzehner wird ganz groß und pathe-

tisch: „Ja, erlauben Sie! Nur damit etwas
komisch klingt, kann man doch nicht alle Ver-
nunft einfach auf den Kopf stellen! Das geht
denn doch nicht! ünd was ist denn da schon
Komisches daran? Schließlich ist es doch selbst-
verständlich, daß die Philharmoniker in der
StaatSoper die Tannhäuser-Ouvertüre besser
spielen als ein Militärorchester, ünd dann will
ich Ihnen noch etwas sagen: Es gibt sehr
musikalische Divisionskommandanten. Wo steht
es denn geschrieben, daß gerade dieser Divi-
sionSkomamndant von Musik keine Ahnung
hat? Wo? Antworten Sie mir?"

„Nirgends steht es geschrieben", antwortete
ich gebrochen.

„Sehen Sie! ünd wenn er wieder unmusi-
kalisch war — auch das ist immerhin mög-
lich —, dann ist eS ihm ja gar nicht aufgefallen,
daß die Kapelle schlecht spielte. Stimmt eS?"

„Es stimmt."

„Na also! Dann verstehen wir uns ja."
Er hatte wieder sein strahlendes, zufriedenes
Gesicht, schob seinen Arm abermals unter den
meinen und zog mich an sich. „So! ünd jetzt
erzählen Sie mir gefälligst einen besseren Witz.
Wissen Sie — nämlich — gute Witze höre ich
für mein Leben gern..."

Popularität

Als die fünf abgesetzten Minister des gestürzten Königs Karl X. nach
der Festung Ham gebracht wurden, tobte der Pöbel von Compiegne
und brüllte:

„Nieder mit den Ministern! Werft Polignac ins Wasser!"

Einer der vier Minister wandte sich an Polignac, den die Menge auf
solche Art begrüßt hatte:

„Es scheint, Herzog, daß Sie der populärste von uns sind!"

Versöhnung

Es kam zu einem Duell zwischen dem Prinzen Pierre Bona-
parte und Herrn de I a Valette. Dieser hatte den ersten Schuß
und fehlte. Dann schoß der Prinz, aber er verwundete seinen Gegner
nicht, weil die Kugel von dessen Brust abprallte. Es stellte sich heraus,
daß ihm ein Fünffrankstück, das er in der Brusttasche trug, daS Leben
gerettet hatte. Der Prinz gab seinem Gegner die Hand und sagte: „Ich
möchte mich mit einem Manne, der auf so kluge Weise sein Geld zu
investieren versteht, wieder versöhnen." W.

Revolution

Eine Frau hatte in den Tagen der französischen Revolution ihre Ein-
käufe besorgt. Erst daheim entdeckte sie, daß sie vom Tuchhändler nicht
daS gewünschte Maß bekommen hatte, da der Kaufmann den Stoff
nach dem eben neu eingeführten Metermaß abgeschnitten hatte. Sie lief
sogleich zum Friedensrichter, um gegen diese Übervorteilung Beschwerde
zu erheben.

„Mein Herr .. .", begann sie, zorngerötet und mit bebender Stimme.

„Ich bin kein Herr", antwortete der Richter. „Es gibt überhaupt
keine Herren mehr!"

„Verzeihung, Bürger Herraud", -entschuldigte sich die Frau und wollte
fortsahren: „Ich habe am vergangenen Sonntag . .."

„Was nennt Ihr Sonntag?" unterbrach sie der Richter abermals.

„Ich meine: am fünften Wochentage. .."

„Ich kenne keine Woche mehr", entschied der Richter.

„Ich wollte sagen: in der Dekade des Monats April!"

„April? — Was redet Ihr hier für ünsinn, Bürgerin?"

„Ach, nun weiß ich eS: ich kaufte am Z. Floreal zwei Ellen Tuch . .."

Hier erhob sich der Richter und wies der Frau mit erhobener Rechten
Herren, Sonntage, Wochen, Aprile und Ellen! Ihr seid eine verdammte
Aristokratin!"

die Tür: „Seht, daß Ihr fortkommt", schrie er sie an. „Ihr habt noch

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Hermann Mayrhofer: Rückenakt
[nicht signierter Beitrag]: Popularität
[nicht signierter Beitrag]: Revolution
W.: Versöhnung
 
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