Wohnungskrise
&ei naßi Qlli£h. cJosl:}\is£l\evi(<o
sah ich eine Fuhre Ziegelsteine vor-
beifahren. DaS Herz stand mir still vor Freude.
Wir bauen, Bürger, wir bauen! bind in
zwanzig Jahren wird vielleicht jeder vvn uns
sein eigenes Zimmer haben. Vielleicht sogar
mit Bad. DaS möchte ich noch erleben! Aber
vvrläusig. ..
Ich lebe nämlich Ln Moskau. Seit zwei
Wochen renne ich in der Stadt herum und
suche ein Ammer. Endlich habe ich ein sesteS
Angebot: für dreißig Rubel kann ich ein Bade-
zinimer Ln einem Herrschaftshause haben.
Fenster sind keine da, dafür aber eine Tür, und
Wasser soviel ich nur will, blnd so oft ich Lust
habe, kann ich baden. Den ganzen Tag, ver-
sichert mir der Hausbesorger, sogar schwimmen
in der großen Marmorwanne. Ich erwidere:
„Werter Genosse, ich bin doch kein Fisch, ich
möchte lieber im Trockenen leben. Gehen Sie
wenigstens mit dem Preis ein wenig herunter."
„Das geht unmöglich, die Wohnung ist
kommunal."
Ich ziehe also ein. Das Bad ist wirklich
hochherrschaftlich. Ganz auS Marmor. Sehen
freilich kann ich mich nirgends. Höchstens auf
den Rand der Marmorwanne, auf die Gefahr
hin, hineinzufallen . . . Aber es ist ein sehr vor-
nehmes Badezimmer. So vornehm, daß ich mir
einbilde, heiraten zu können. Ein ganz junges,
gutmütiges Weiberl, das gar kein Zimmer hat.
Ich fürchtete erst, sie würde nein sagen wegen
des Badezimmers, aber sie meinte treuherzig:
„Auch in einein Badezimmer können zwei
Liebende glücklich sein. Vielleicht könnte man
unsere Wohnstätte durch einen Verschlag ab-
teilen. Dann hätten wir Küche, Eßzimmer und
Boudoir."
„Könnte man, mein Täubchen, wenn die
andern Hausbewohner, diese Teufelsbande nicht
wäre."
Gut also, wir leben weiter, bekommen ein
Kind, heißen eS Wolodka, baden eS jeden Tag
— und leben weiter, weil wirS so gewöhnt
sind . ..
Eines nur ist unangenehm: Abend für Abend
kommen die anderen Mieter, um sich zu
waschen. blnd für diese ganze Zeit muß ich mit
meiner Familie im Korridor stehen. Ich prote-
stiere vergebens: „Genossen, bitte, wascht euch
Rubey
„Mo ans t, daß bald schneibt. .
„In Geldbeutel nei gwiß net!“
doch nur am SamStag. Zu viel Waschen ist
gar nicht gesund". Sie fluchen, diese Schweine!
Es sind ihrer zweiunddreißig, die ni'r die Fresse
einzuschlagen drohen. Wohl oder übel leben
wir also weiter.
Da kommt eines Tages meine Schwieger-
mutter aus der Provinz. Sie träumt schon
lange davon, sagt sie, ihren kleinen Enkel zu
schaukeln. Man kann ihr doch dies Glück nicht
abschlagen!
„Schaukeln Sie nur, liebe Schwiegermama!
Sie können sogar die Wanne voll Wasser
fließen lassen lind mit Ihrem Enkel schwimmen
lernen!" llnd zu meiner Frau sage ich: „Viel-
leicht, Bürgerin, kommt noch jemand von
Ihren lieben Verwandten, es ist ja Platz da!"
„Gewiß", lächelt sie selig, „über die Feier-
tage werden meine kleinen Brüder kommen!"
(Deutsch von A. Wiedmeyer.)
E h e - R a d i o
Während der Verlobungszeit war er der
Rundfunksender und sie die Hörerin. Während
der Flitterwochen war sie der Sender und er
der Hörer, blnd jetzt funken sie beide, und die
Rachbarn hören zu.
6 e m a h I
„Bitt' schön, wo kann ich Ihren Herrn
Gemahl heute abend treffen?"
„Keine Ahnung! Er sagte, er hätte noch
was im Büro zu erledigen."
E h e
„Haben Sie das reizende Mädchen geheiratet,
das Sie damals kannten, oder kochen Sie noch
immer Ihr Esten selber?"
„Ja, beides!"
Der ^orgunblurclicbter
Von Fred Endrikat
I) e r Sänger ist uns wohlbekannt,
man trifft ihn allerwegen.
Heut mit der Palme in der Hand —
und morgen mit dem Degen.
Heut flötet er auf der Schalmei
süßsanfte Friedensweisen —
doch morgen spuckt er Gas und Blei,
und brüllt nach Blut und Eisen.
Wehe — wenn er heroisch wird,
dann greift er nach der Flinte
und zückt den Degen, daß es klirrt,
und stürzt sich in die Tinte.
Rennt in der Werkstatt hin und her,
stößt wild in die Fanfare.
Ganz nebenbei berechnet er
die Zeilenhonorare.
Er zündet eine Fackel an,
und tat ein Pfeiflein schmauchen.
Fühlt sich als tapfrer Kriegersmann,
und läßt die Schlote rauchen.
Er fabriziert en gros den Mist
und liefert ihn per Fuhre.
Die Muse dieses Sängers ist
wie eine feile Hure.
So dichtet dieser Bösewicht
mit Palme oder Flinte.
Besicht man sein Gedicht bei Licht —
was ist’s? — Papier und Tinte.
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beifahren. DaS Herz stand mir still vor Freude.
Wir bauen, Bürger, wir bauen! bind in
zwanzig Jahren wird vielleicht jeder vvn uns
sein eigenes Zimmer haben. Vielleicht sogar
mit Bad. DaS möchte ich noch erleben! Aber
vvrläusig. ..
Ich lebe nämlich Ln Moskau. Seit zwei
Wochen renne ich in der Stadt herum und
suche ein Ammer. Endlich habe ich ein sesteS
Angebot: für dreißig Rubel kann ich ein Bade-
zinimer Ln einem Herrschaftshause haben.
Fenster sind keine da, dafür aber eine Tür, und
Wasser soviel ich nur will, blnd so oft ich Lust
habe, kann ich baden. Den ganzen Tag, ver-
sichert mir der Hausbesorger, sogar schwimmen
in der großen Marmorwanne. Ich erwidere:
„Werter Genosse, ich bin doch kein Fisch, ich
möchte lieber im Trockenen leben. Gehen Sie
wenigstens mit dem Preis ein wenig herunter."
„Das geht unmöglich, die Wohnung ist
kommunal."
Ich ziehe also ein. Das Bad ist wirklich
hochherrschaftlich. Ganz auS Marmor. Sehen
freilich kann ich mich nirgends. Höchstens auf
den Rand der Marmorwanne, auf die Gefahr
hin, hineinzufallen . . . Aber es ist ein sehr vor-
nehmes Badezimmer. So vornehm, daß ich mir
einbilde, heiraten zu können. Ein ganz junges,
gutmütiges Weiberl, das gar kein Zimmer hat.
Ich fürchtete erst, sie würde nein sagen wegen
des Badezimmers, aber sie meinte treuherzig:
„Auch in einein Badezimmer können zwei
Liebende glücklich sein. Vielleicht könnte man
unsere Wohnstätte durch einen Verschlag ab-
teilen. Dann hätten wir Küche, Eßzimmer und
Boudoir."
„Könnte man, mein Täubchen, wenn die
andern Hausbewohner, diese Teufelsbande nicht
wäre."
Gut also, wir leben weiter, bekommen ein
Kind, heißen eS Wolodka, baden eS jeden Tag
— und leben weiter, weil wirS so gewöhnt
sind . ..
Eines nur ist unangenehm: Abend für Abend
kommen die anderen Mieter, um sich zu
waschen. blnd für diese ganze Zeit muß ich mit
meiner Familie im Korridor stehen. Ich prote-
stiere vergebens: „Genossen, bitte, wascht euch
Rubey
„Mo ans t, daß bald schneibt. .
„In Geldbeutel nei gwiß net!“
doch nur am SamStag. Zu viel Waschen ist
gar nicht gesund". Sie fluchen, diese Schweine!
Es sind ihrer zweiunddreißig, die ni'r die Fresse
einzuschlagen drohen. Wohl oder übel leben
wir also weiter.
Da kommt eines Tages meine Schwieger-
mutter aus der Provinz. Sie träumt schon
lange davon, sagt sie, ihren kleinen Enkel zu
schaukeln. Man kann ihr doch dies Glück nicht
abschlagen!
„Schaukeln Sie nur, liebe Schwiegermama!
Sie können sogar die Wanne voll Wasser
fließen lassen lind mit Ihrem Enkel schwimmen
lernen!" llnd zu meiner Frau sage ich: „Viel-
leicht, Bürgerin, kommt noch jemand von
Ihren lieben Verwandten, es ist ja Platz da!"
„Gewiß", lächelt sie selig, „über die Feier-
tage werden meine kleinen Brüder kommen!"
(Deutsch von A. Wiedmeyer.)
E h e - R a d i o
Während der Verlobungszeit war er der
Rundfunksender und sie die Hörerin. Während
der Flitterwochen war sie der Sender und er
der Hörer, blnd jetzt funken sie beide, und die
Rachbarn hören zu.
6 e m a h I
„Bitt' schön, wo kann ich Ihren Herrn
Gemahl heute abend treffen?"
„Keine Ahnung! Er sagte, er hätte noch
was im Büro zu erledigen."
E h e
„Haben Sie das reizende Mädchen geheiratet,
das Sie damals kannten, oder kochen Sie noch
immer Ihr Esten selber?"
„Ja, beides!"
Der ^orgunblurclicbter
Von Fred Endrikat
I) e r Sänger ist uns wohlbekannt,
man trifft ihn allerwegen.
Heut mit der Palme in der Hand —
und morgen mit dem Degen.
Heut flötet er auf der Schalmei
süßsanfte Friedensweisen —
doch morgen spuckt er Gas und Blei,
und brüllt nach Blut und Eisen.
Wehe — wenn er heroisch wird,
dann greift er nach der Flinte
und zückt den Degen, daß es klirrt,
und stürzt sich in die Tinte.
Rennt in der Werkstatt hin und her,
stößt wild in die Fanfare.
Ganz nebenbei berechnet er
die Zeilenhonorare.
Er zündet eine Fackel an,
und tat ein Pfeiflein schmauchen.
Fühlt sich als tapfrer Kriegersmann,
und läßt die Schlote rauchen.
Er fabriziert en gros den Mist
und liefert ihn per Fuhre.
Die Muse dieses Sängers ist
wie eine feile Hure.
So dichtet dieser Bösewicht
mit Palme oder Flinte.
Besicht man sein Gedicht bei Licht —
was ist’s? — Papier und Tinte.
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