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Die TournesvlS wohnten ganz hoch oben auf bem Montmartre in
einem Wolkenkratzer, der sich in einer provinzialen Gegend inmitten
einiger schmutziger Straßen und uralter Häuser ausreckte. Der Schnee
breitete über alles seinen dicken Teppich. Die Kamine ragten aus den
in Weiß eingehüllten Dächern wie aus einem Halstuch hervor.

Paulette hatte mit ihrem Verehrer ein Rendezvous an der Ecke der
Rue St. Vincent. Sie wollte nicht, daß er in Schnee und Kälte warte.
Kaum heimgekehrt, fand sie eine Ausrede, um nochmals fortzugehen.
Die HauSmeisLerin lauerte ihr beim AuSgang auf. Sie war eine alte,
neugierige Person, deren Verschwiegenheit man mit Gold erkaufen
mußte, wenn man einen Brief ohne Wissen der Eltern erhielt, oder
wenn ein Verehrer bis zur Haustür mitkam.

„Ich wünsche Ihnen ein glückliches neues Jahr!" sagte Paillette,
aber sie dachte:

Möge sich all das Geld, das ich dir je gegeben, in falsches ver-
wandeln."

Sie war noch nicht um die Ecke, als sich bereits die HauSmeisterin
mit der Milchfrau wegen eines Geldstückes auS Blei in den Haaren
lagen.

Alexander, der schöne Liebhaber, wartete, seine Pfeife im Munde.
Er war bei einem Architekten angestellt, gab sich aber das Ansehen
des Künstlers, trug lange Haare und eine große schwarze Krawatte.
Für Paulette gab eS nichts Schöneres auf Erden. Sie lief auf ihn
zu, schmiegte sich in seine Arme und flüsterte: „Ich wünsche dir ein
glückliches neues Jahr!"

Zu gleicher Zeit wünschte sie alle Herrlichkeiten der Welt herbei,
^uhm, der ihn umschleichen möge, Ehre, die er genießen könne, den

Rompreis! Alexander müßte der berühmteste lind reichste Ncann von
ganz Paris werden.

Nach zärtlichen Umarmungen sagte sie obenhin: „Ich weiß nicht
warum, aber ich habe daS Gefühl, daß dir ein Glücksfall bevorsteht."

DaS ist sehr leicht möglich", sagte Alexander. „Ich habe gerade von
meinem Chef, dem Architekten, bei dem ich arbeite, einen sehr herzlichen
Brief bekommen. Ich solle ihn morgen aufsuchen, er hat mir angeblich
wichtige Vorschläge zu machen."

Paulette schlief nicht in dieser Nacht. Sie erwartete mit Ungeduld
den Morgen. Ihre geheimnisvolle Macht war zu Ende, aber ihr
letzter Wunsch würde für sie eine Duelle unendlichen Glückes werden.
Alexander würde dank ihrem Wunsche ein berühmter Mann werden.
Da wird dann alles sehr einfach. Er wird zu ihren Eltern kommen,
um ihre Hand anhalten, die einem so schönen, so reichen, so berühmten
jungen Mann nicht versagt würde.

Sie war die erste beim Rendezvous. Sie wartete voll Ungeduld.
Endlich erschien Alexander am Ende der Straße. Sein Gesicht strahlte,
aber seine Freude schien sich beim Anblick PauletteS zu vermindern.

„Nun?" fragte sie zitternd.

„Also, ich will es dir lieber gleich sagen, so ist eS besser für beide
von unS. Glaube mir, daß ich selbst verzweifelt bin. Mein Chef will
mich zum Teilhaber nehmen. Das ist eine große Chance."

„Ich wußte es", unterbrach ihn Paulette, „aber dann .. ."

„Aber dann können wir uns nicht inehr sehen, denn er will, daß ich
nicht nur sein Teilhaber, sondern auch sein Schwiegersohn werde. Ich
bin mit Raymonde, seiner Tochter verlobt. Adieu!"

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Walter Dolch: Dorf im Schnee
 
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