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„Ich gehe nur auf einen Sprung ins Cafe de Paris", verkündete er
Fatme beim Frühstück.

Fatme runzelte unmerklich die Stirn. Sie kannte diese Symptome
und mußte, daß Widerstand den Zauber gefährdete.

„Wie du willst, Darling", sagte sie süß. Hüte dich bloß vor einem
Mann: dem großen Weisen. Er sitzt den ganzen Tag im Kaffeehaus
und übt auf alle Menschen einen bösen Zauber aus."

Der Weife war ein Schriftsteller und wäre am liebsten gar kein
Weiser gewesen, denn mit Weisheit verdient man heutzutage kein Geld
und er hätte es daher vorgezogen, einen Sardinenexport zu betreiben,
wenn er dazu imstande gewesen wäre. Aber er war zu allen ver-
nünftigen Beschäftigungen völlig unfähig. Er war sozusagen ein Weiser
aus Verlegenheit. So begnügte er sich damit, mit seiner Weisheit
jungen Männern aus Kentucky das Leben zu verpesten, wozu Weisheit
das geeignetste Mittel ist. Er begrüßte Gregory mit einem sardonischen
Lächeln.

„Alle Wege enden im Kaffeehaus", bemerkte er aphoristisch.

Gregory fand das weder besonders weife noch geistreich, aber er
fühlte daS dringende Bedürfnis, sich auszusprechen und der Weise hatte
immerhin eine gewisse Reputation als Schöpfer der modernen psycho-
logischen Novelle. So erzählte er ihm rückhaltslos die Geschichte von
Fatme, ihrem Zaubergarten, der ihm Kopfschmerzen zu bereiten begann
und seinem überraschend wiedererwachten Bedürfnis, Billard zu spielen.

Der Weise sah Gregory lauernd an, wie ein Raubtier sein Opfer.
Er neidete diesen jungen Männern aus Kentucky ihre Fähigkeit zum
Bezaubertwerden und zur erfolgreichen Führung von Exportgeschäften
und freute sich, daß er in der Lage war, sich zeitweilig dank seiner
Weisheit an ihnen zu rächen.

Winter Walter Busch

„Ich will Ihnen helfen!" sagte er und seine Miene nahm einen
Ausdruck wohlwollenden Mitgefühls an. „Ihr inneres Ego wünscht
sich von der Bindung Ihres äußeren Ego zu befreien, findet aber keinen
Ausweg. Der Zaubergarten, dem sie nicht entkommen können, existiert
nur in Ihrer Phantasie. Rotten Sie ihn aus Ihrer Phantasie ans
und Sie sind frei!"

„O.K.!" sagte Gregory, der das alles nicht ganz genau verstanden,
hatte, dessen Tatsachensinn sich aber an das Praktische, nämlich an den"
erteilten Rat klammerte, setzte sich in seinen Packard und fuhr nach
Hause.

Trotzdem er den Weg genau kannte, mußte er sich verirrt haben
denn plötzlich sah er ein HauS vor sich, das er noch nie gesehen hatte.
Es war durchsichtig, ganz aus GlaS und innen wie ein riesiger Schön-
heitsfalon eingerichtet. Im Garten des Hauses, der eine bloß mit
einem KaktuS und einer Agave bewachsene Geröllhalde war, saß eine
Frau von der faszini-erend abstoßenden Schönheit einer jungen Hexe
und machte sich an einer käfigartigen Maschinerie zu schaffen, auf der
weithin sichtbar zu lesen stand:

MÄNNERFALLE .

PATENTIERT IN ALLEN KULTURSTAATEN

Verwirrt hielt Gregory seinen Wagen an und fragte widerstrebend
und höchst angewidert, ob die Dame ihm sagen könne, wie er zu der
Villa der Condesa Fatme komme.

„Ich bin die Condesa Fatme!" antwortete die junge Hexe lächelnd.

„Dann bin ich Georg Washington", sagte Gregory und brachte seinen
Motor auf Touren.

„Aber Gregory, Darling!" ries die junge Hexe. „Erkennst du mich
denn nicht?"

Gregory wurde bleich.

„Du bist ja eine Hexe, Fatme!" sagte er entsetzt.

„Im Gegenteil — ich bin eine gute Fee", sagte die junge Hexe giftig.
„Lind du bist ein undankbarer Lümmel!"

„Eine Fee!" rief Gregory höhnisch. „Jeder Mensch weit und breit
kann sehen, daß du eine Hexe bist!"

Er lachte gellend und so heftig, daß er gar nicht merkte, wie ein
eleganter Stromlinienwagen neben seinem Packard hielt. Ihm entstieg
ein eleganter junger Mann, der der Hexe die Hand küßte.

„Ach!" rief der junge Mann verzückt. „Welch ein awfully wunder-
voller Garten! Ich möchte hier am liebsten mein ganzes Leben ver-
bringen."

„Verbringen Sie hier wenigstens vier Wochen", lächelte die Hexe.
„Meine Haushälterin — '•-"

Da gab Gregory, von Grauen geschüttelt, Vollgas und raste davon.
Die selbe Geschichte passierte ihm noch ein paar Dutzend Male, bis er
auf die Idee kam, sich einen alten Ford, Modell 1917, zu kaufen. Da,
endlich, nahmen die Feen keine Notiz mehr von ihm und ließen ihn
in Ruhe.

Humoral sucht einen Stoff

VonWilhelm Lichtenberg

Vereheliche Redaktion!

Ich bestätige Ihnen mit vielem, herzlichen Dank Ihre freundliche
Zuschrift von heute morgen, in der Sie eine Humoreske bei mir
bestellen, die allerdings bis zum Abend in Ihrem Besitz sein müßte.
Sehr geehrt und sehr erfreut!

Ich kann Ihnen allerdings nicht verhehlen, daß mich Ihr geschätztes
Schreiben in nicht gelinde Verlegenheit brachte; denn ich habe momentan
keinen Stoff für eine Humoreske. Man kann leicht etwas Stimmungs-
volles, etwas Kluges, etwas mit einer spannenden Handlung schreiben,
wenn man nur ein bißchen Phantasie hat; aber etwas Lustiges, das die
Leute zum Lächeln reizt? Da muß einem doch etwas einfallen, es muß
ein humoriger Ausgangspunkt vorhanden fein, eine aparte Verwicklung,
eine starke Pointe. Woher nehmen und nicht stehlen? Denn auch mit
dem Stehlen hat es der Humorist schwer. Die andern Humoristen sind
sehr aufmerksame Zeitungsleser. Und man geht doch im gestohlenen
Pelz nicht zu Besuch des Bestohlenen.

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[nicht signierter Beitrag]: Humorist sucht einen Stoff
Walter Busch: Winter
 
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