Rudolf Nißl
e
dereA, sagt Dirk: „Vielleicht geht die schwarze
Mamba einen Besuch machen im Zimmer der
weißen Missi — wenn du willst, Alina." Sein
mageres gelbes Gesicht, die zusammengekniffenen
Augen spiegeln die Verschlagenheit seines Den-
kens deutlich wieder.
Zunächst versteht Allna noch nicht so ganz;
aber dann wird es hell in ihrem Hirn. Sie
überlegt, daß Dirk als Schlangentöter bekannt
ist, ja, baß er sogar lebendige Schlangen an
die verrückten Weißen verkauft, bind denkt:
Die schwarze Mamba ist die tückischste und
giftigste Schlange Südafrikas — ja, es wäre
vielleicht gut, wenn sie der weißen Misst einen
Besuch machen könnte .. . Alina lacht ein wenig
zu Dirks Worten. Ihre dunklen Negeraugen,
die seltsam glühend in dem jugendweichen, rosig-
gelben Mischlingsgesicht stehen, winken ver-
heißungsvoll, als Dirk schließlich erregt fragt:
„Wirft du mich belohnen, Alina?"
„Ai, Dirk, ich will... wir werden sehen." —
Am folgenden Tag mit sinkender Sonne ist
Dirk damit beschäftigt, unter dem von der
Regenzeit ausgewaschenen Ufer des kleinen
trockenen RivierS, das sich in der Nähe des
FarmhauseS vorüberwindet, einen länglichen
Kasten zu verbergen. Aus dem Kasten dringt
ein böses Fauchen. Dirk nickt befriedigt. Dann
nähert er sich vorsichtig dem Farmhause. Stille
— das Haus ist leer. Er lauscht hinaus und
hört bei den Kralen die Rufe des Viehjungen,
das Blöken der Schafe, dazwischen die Stimme
des Bas und der Missi. Sie sind dabei, das
Kleinvieh- zu zählen. Eine günstige Stunde.
Dirk eilt zum Rivier zurück, zieht den Kasten
aus dem Versteck hervor und ist in wenigen
Minuten wieder beim Haus. Am Ende der
Seitenveranda, von der aus die Blicke in die
Einsamkeit deS Busches und über die fernen
Berge schweifen, liegt das Zimmer der Missi.
Er öffnet die Tür ein wenig, klemmt den Kasten
zwischen Türflügel und Pfosten, zieht vorsichtig
den Schiebeverschluß auf: zischend schießt eine
etwa zwei Meter lange, schwarze Mamba ins
Zimmer. Türe zu, erledigt, verschwinden. Dirk
denkt: Eine Schlange gerät leicht in ein Haus.
Es muß ja auch gar nichts Schlimmes geschehen.
Das muß Gott machen. . . bind weiter denkt
Dirk an Alina. —
Aber auch Alina weiß, daß ini Hause zu
dieser Stunde eine Überraschung nicht zu
fürchten ist. Das Zählen der Schafe wird noch
eine gute Weile dauern. Man kann wohl ohne
Sorge indessen das Zimmer der weißen Misst
mal ein wenig näher untersuchen.
In der gleichen Minute, da Dirk gleichmütig
pfeifend beim Schafkral auftaucht, schlüpft
Alina neugierig und voll boshafter Gedanken
in das Zimmer der Missi. Ein einfacher, heller
Raum: an der einen Wand steht das Bett,
hinter der Tür ein Schrank, vor dem Fenster
ein Tisch, daneben ein primitiver eiserner
Waschständer unter einem Spiegel. Alina hat
die Tür geschlossen. Während sie einige Sekun-
den horchend verharrt, wandern ihre Blicke
begehrlich suchend durch den Raum und bleiben,
gleichsam magisch hingezogen und neidvoll erin-
nernd, an der rot und gold schimmernden Hals-
kette hängen, die vor ihr auf dem Tisch am
Fenster liegt. Wenige Schritte nur, ein rasches
Ausstrecken des Arms: die Kette ist in ihrer
Hand. Man könnte sie doch wenigstens einmal
zur Probe anlegen. Gleich darauf steht Alina
vor dem Spiegel. Eitel betrachtete sie das
farbig und funkelnd untermalte Bild ihrer
hübschen Larve, in der jugendliche Weichheit und
katzenhafte Wildheit sich reizvoll paaren. Alina
ist so in ihren eigenen Anblick versunken, daß sie
nicht bemerkt, wie seitwärts hinter dem Schrank
A k t
ein langer schwarzglänzender Leib sich schatten-
haft hervorwindet. Jetzt will sie eine neue
Wirkung ihres Spiegelbildes versuchen und ver-
ändert mit kurzem Ruck ihre Stellung. Schar-
fes, warnendes Zischen trifft ihr Ohr. Ohne
Bewegung des Kopfes drehen sich AlinaS Augen
langsam zur Seite und weiten sich zu starrem
Entsetzen.
Hßjh,jViUf<n>
H. Mayrhofer-Passau
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dereA, sagt Dirk: „Vielleicht geht die schwarze
Mamba einen Besuch machen im Zimmer der
weißen Missi — wenn du willst, Alina." Sein
mageres gelbes Gesicht, die zusammengekniffenen
Augen spiegeln die Verschlagenheit seines Den-
kens deutlich wieder.
Zunächst versteht Allna noch nicht so ganz;
aber dann wird es hell in ihrem Hirn. Sie
überlegt, daß Dirk als Schlangentöter bekannt
ist, ja, baß er sogar lebendige Schlangen an
die verrückten Weißen verkauft, bind denkt:
Die schwarze Mamba ist die tückischste und
giftigste Schlange Südafrikas — ja, es wäre
vielleicht gut, wenn sie der weißen Misst einen
Besuch machen könnte .. . Alina lacht ein wenig
zu Dirks Worten. Ihre dunklen Negeraugen,
die seltsam glühend in dem jugendweichen, rosig-
gelben Mischlingsgesicht stehen, winken ver-
heißungsvoll, als Dirk schließlich erregt fragt:
„Wirft du mich belohnen, Alina?"
„Ai, Dirk, ich will... wir werden sehen." —
Am folgenden Tag mit sinkender Sonne ist
Dirk damit beschäftigt, unter dem von der
Regenzeit ausgewaschenen Ufer des kleinen
trockenen RivierS, das sich in der Nähe des
FarmhauseS vorüberwindet, einen länglichen
Kasten zu verbergen. Aus dem Kasten dringt
ein böses Fauchen. Dirk nickt befriedigt. Dann
nähert er sich vorsichtig dem Farmhause. Stille
— das Haus ist leer. Er lauscht hinaus und
hört bei den Kralen die Rufe des Viehjungen,
das Blöken der Schafe, dazwischen die Stimme
des Bas und der Missi. Sie sind dabei, das
Kleinvieh- zu zählen. Eine günstige Stunde.
Dirk eilt zum Rivier zurück, zieht den Kasten
aus dem Versteck hervor und ist in wenigen
Minuten wieder beim Haus. Am Ende der
Seitenveranda, von der aus die Blicke in die
Einsamkeit deS Busches und über die fernen
Berge schweifen, liegt das Zimmer der Missi.
Er öffnet die Tür ein wenig, klemmt den Kasten
zwischen Türflügel und Pfosten, zieht vorsichtig
den Schiebeverschluß auf: zischend schießt eine
etwa zwei Meter lange, schwarze Mamba ins
Zimmer. Türe zu, erledigt, verschwinden. Dirk
denkt: Eine Schlange gerät leicht in ein Haus.
Es muß ja auch gar nichts Schlimmes geschehen.
Das muß Gott machen. . . bind weiter denkt
Dirk an Alina. —
Aber auch Alina weiß, daß ini Hause zu
dieser Stunde eine Überraschung nicht zu
fürchten ist. Das Zählen der Schafe wird noch
eine gute Weile dauern. Man kann wohl ohne
Sorge indessen das Zimmer der weißen Misst
mal ein wenig näher untersuchen.
In der gleichen Minute, da Dirk gleichmütig
pfeifend beim Schafkral auftaucht, schlüpft
Alina neugierig und voll boshafter Gedanken
in das Zimmer der Missi. Ein einfacher, heller
Raum: an der einen Wand steht das Bett,
hinter der Tür ein Schrank, vor dem Fenster
ein Tisch, daneben ein primitiver eiserner
Waschständer unter einem Spiegel. Alina hat
die Tür geschlossen. Während sie einige Sekun-
den horchend verharrt, wandern ihre Blicke
begehrlich suchend durch den Raum und bleiben,
gleichsam magisch hingezogen und neidvoll erin-
nernd, an der rot und gold schimmernden Hals-
kette hängen, die vor ihr auf dem Tisch am
Fenster liegt. Wenige Schritte nur, ein rasches
Ausstrecken des Arms: die Kette ist in ihrer
Hand. Man könnte sie doch wenigstens einmal
zur Probe anlegen. Gleich darauf steht Alina
vor dem Spiegel. Eitel betrachtete sie das
farbig und funkelnd untermalte Bild ihrer
hübschen Larve, in der jugendliche Weichheit und
katzenhafte Wildheit sich reizvoll paaren. Alina
ist so in ihren eigenen Anblick versunken, daß sie
nicht bemerkt, wie seitwärts hinter dem Schrank
A k t
ein langer schwarzglänzender Leib sich schatten-
haft hervorwindet. Jetzt will sie eine neue
Wirkung ihres Spiegelbildes versuchen und ver-
ändert mit kurzem Ruck ihre Stellung. Schar-
fes, warnendes Zischen trifft ihr Ohr. Ohne
Bewegung des Kopfes drehen sich AlinaS Augen
langsam zur Seite und weiten sich zu starrem
Entsetzen.
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H. Mayrhofer-Passau
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