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müssen. Bald werde ich nicht mehr reiten
können, lind dann habe ich sehr viel Zeit.
Wollen Sie?"

Ich sagte, daß ich wollte, und nach einer-
halben Stunde sahen wir ihren Mann zwischen
den Obstbäumen heranreiten, und sie beugte sich
vor und fiel Ln einen so scharfen Galopp, daß

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ich daraus verzichtete, neben ihr zu bleiben, und
mein Pferd anhielt und ihr nachsah. Zch dachte,
daß man oft glaubt, etwas ist vorbei im Leben
und kommt niemals wieder, und es ist eine
leere Stelle da, alles andre nur lebloses Abbild,
und dann an einem schönen Tag steigt es auf
wie ein Traum und ist kein Traum, aus der

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war

Endlosigkeit; also darf man eS ansehen, und das
genügt. Ich freute mich, und dann kamen die
beiden heran und ließen ihre Pferde Schritt
gehen; sie hatten jetzt Zeit, und der Abend war
jehr schön, init bläulicher Dämmerung, über
den Feldern Nebel, und am Horizont war noch
Wetterleuchten.

Zn der Mittagsstunde stand er auf dein Frauenplan zu Weimar. Er
war offenbar vom Himmel gefallen. — Der würdige Fremde war
biedermeierisch gekleidet, trug einen Ordensstern auf der Brust und wor-
in einen wolligweichen Mantel gehüllt. Mit seinen großen, jupiterhaften
Augen beschaute er prüfend ein paar neue Gebäude in der Umgebung
des Platzes, wich ohne Eilfertigkeit einem nervös tutenden Auto aus
und schritt ungesäumt auf daS berühmte Goethe sehe Haus zri, zog mit
rascher Bewegung am Klingelzug, ohne die Tafel zu beachten, auf der
die Besuchszeiten des Museums genau bezeichnet standen. Der aufrechte
Herr ließ sich keine Unruhe anmerken, als der Pförtner nicht sogleich
öffnete, sondern ergriff den Klingelzug noch einmal und legte die Hand
auf die Klinke. Ein Schlüssel klirrte im Schloß — und durch die
schmale Türspalte blickte das Gesicht eines uniformierten Hausmeisters.

„Keine Besuchszeit!" meldete er.

„Aber mein Herr, Sie gestatten doch wohl, daß ich das Haus betrete,
das ich fünfzig Lebensjahre mein eigen nannte!" erwiderte der Fremde.
Entmutigt durch daS bestimmte Auftreten deS außergewöhnlichen Be-
suchers wich der Uniformierte ein Stück zurück und gestattete dem selbst-

sicheren Herrn, zur ungewöhnlichen Stunde einzutreten. Mit raschen
Schritten stieg der Fremde die breiten Treppen empor, warf im Vorbei-
gehen einen vollen Blick auf die im Treppenhause aufgestellten Bronzen
— und schlug eine Tür mit lautem Schlag hinter sich zu. Der Hauö-
beamte beeilte sich, den AuSgang nach der Straße rasch zu schließen und
folgte dem zudringlichen Herrn nüt größter Eile.

Er überraschte ihn im „Goetheschen Arbeitszimmer". Als wäre er
hier zu Hause, hatte der Besucher bereits den Zylinderhut abgelegt und
den Mantel über einen Stuhl geworfen.

„Mein Herr, Sie haben noch nicht bezahlt!" sagte der Hausmeister.

„Wollen Sie verlangen, daß ich in meinem eigenen Hause Entree
bezahle?" kam es zurück. Zornige Blitze aus zwei großen, schwarzen
Augen trafen den eingeschüchterten Mann, der eS nicht wagte, seine
Forderung zu wiederholen.

Der Besucher drehte ihm mit majestätischer Bewegung sogar den
Rücken zu und kreuzte die beiden Arme darüber.

„Welches Amt haben Sie in diesem Hause zu versehen, mein Wer-
tester?" fragte der Fremde. (Fortsetzung S. 56)

Dazu hat er Zeit

Dem verschwenderischen Buk-
kingham warf ein berüchtigter
Geizhals einmal vor: „Warum
leben Sie nicht wie ich?"

„Wie Sie?" erwiderte Buk-
kingham. „Das kann ich doch
immer noch, wenn ich keinen Cent
Nachbauer mehr besitze."

Alles um Goethe

Eine junge Lehrerin in Frank-
furt-Bockenheim hatte versucht,
den Kindern den früheren Zu-
stand der Gerbermühle und beson-
ders Goethes Beziehungen zu ihr
zu veranschaulichen. DaS Ergeb-
nis dieser Bemühung wurde von
einem Kinde folgendermaßen ver-
arbeitet: „Am Main liegt einsam
die Gebärmühle. Sle wurde früher
von Goethe viel benutzt."

*

Eine Schulklasse hatte einen
Ausflug nach dem Goetheturm
unternommen. Einer der von den
Zungen darüber geschriebenen
Aufsätze sah so aus:

„Gestern machten wir auf den
Goetheturm. Hier hat Goethe oft
gesessen, damals war er noch
nicht so voll. Nachher führten
wir am Weg links ab wieder in
Goethes Vaterstadt zurück."

Stadtbrücke
Register
R. H. Nachbauer: Stadtbrücke
Georg Schwarz: Der Besuch
[nicht signierter Beitrag]: Dazu hat er Zeit
[nicht signierter Beitrag]: Alles um Goethe
 
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