Eine Reise ohne Unkosten
Der große französische Satiriker
Francois Rabelais 0495—l553)
geriet auf seiner Reise von Rom
nach Paris in arge Geldverlegen-
heit. In Lion, wo er seit geraumer
Zeit in dem teuersten Gasthof
wohnte und eS den Wirt sehr be-
fremdet hatte, daß ein Mann wie
er zu Fuß gekommen war, wußte
er sich kaum mehr Rat. Da kam
ihm ein rettender Einfall. Er füllte
inehrere Papiere, die er nach Art
der Apothekerpulver kniffte, mit
gestoßenem Zucker und versah sie
init den Anschriften: Gift für den
König; Gift für die Königin; Gift
für den Dauphin usw. Dann
sorgte er dafür, daß ein Diener des
Gasthofes die Päckchen erblickte.
Alles kam nun wie er wollte. Der
Diener glaubte, der Gast wolle
die ganze königliche Familie ver-
nichten, und teilte seine Entdeckung
sofort dem Wirt mit, der eiligst
den Präsidenten benachrichtigte.
Die Folge war, daß Rabelais
verhaftet und unter starker Be-
deckung nach Paris gebracht
wurde. Auf der Reise behandelte
man ihn mit größter Rücksicht-
nahme, weil er geschickt den An-
schein zu erwecken wußte, daß er
der Träger großer Geheimnisse
sei. In Paris angekommen, klärte
er alles auf. Zum Beweise seiner
Angaben verschluckte er vor den
Augen seiner Ankläger die sämt-
lichen Pulver. W.
Hegenbarth
„Drei Recloutn und fünf Bäll an oamn Fog — i sags ja alle-
weil, der Fasching ghörl unter Sportnachrichten !((
flotten Lauf, sie strauchelten in Vertiefungen unter dem Schnee, schienen
vor aus der Finsternis tretenden Bäumen zu erschrecken und schnaubten
aufgeregt. Ihre Kruppen glänzten von Schweiß.
Den Marquis durchfuhr blitzschnell eine Reihe unzusammenhängender
Gedanken. Bald sah er sich bei fröhlichem Gelage, den Becher in der
Hand einen voll Aubel aufgenommenen Trinkspruch tun. Dann brach
er in tollem Ritt hinterm Hirsch durchs Gehölz, und dann wieder sah
er einen Schlitten von großer Pracht, mit goldenen Engeln und broka-
tenen Tüchern geschmückt, über den in der Sonne blitzenden Schnee
gleiten, und viele Herren, aus ihren Pelzen sahen die Spitzenkrägen
hervor, ritten nebenher. Einer der Reiter und dem Schlitten zunächst
war er selber.
Die Wölfe waren nun auf dreißig Schritte herangekommen. Sie
rochen an der Spur und schienen immer noch unschlüssig. Nun rückten
aber die hinteren in eine Reihe mit dem, der an der Spitze war, sie
drängten sich vor, und so wuchs auch ihr Mut und ihr Hunger nach
warmem Fleisch. Der Marquis beugte sich vor und versuchte die Zügel
zu erfassen, die neben dem Kutscher an einen Handgriff gebunden waren.
Aber Theophiles riesiger Körper hinderte ihn daran. Er fühlte, wie die
seidene Weste, die er unter dem blauen Rock trug, feucht wurde, und
auch die Haare brannten ihm unter dem Dreispitz, so sehr strengte er
sich an. Da, als er eben den Riemen von dem metallenen Griff gelöst
und so die Pferde in der Gewalt hatte, vielleicht toaren seine Finger von
der Kälte klamm, entglitten ihm die Zügel. Die Pferde, so auf einmal
des gewohnten Trensendruckes ledig, sprangen und schlugen auS, das
rechte verwickelte die Hinterhand in den Riemen und hielt zitternd an,
während das andere eS vergeblich weiterzuzerren suchte. Der Schlitten
stand.
Die Wölfe zögerten. Der Marquis konnte nun schon ihr Keuchen
hören und in ihren Rachen sah er die blinkenden Zähne. Aber er wußte
nun schon, was er zu tun hatte.
Er nahm den Dreispitz, der ihn drückte, ab und legte ihn auf den
Sitz. Dann richtete er sich aus, blieb einen Augenblick ohne Bewegung
und stieß plötzlich mit einer Wucht, die man seinem schlanken Körper
nicht zugetraut hätte, den Kutscher vom Bock. Der zerbrach im Fallen
die Laterne und schien durch den kalten Stoß, den er beim Aufschlagen
vom Schnee erhielt, ernüchtert zu werden. Denn er fluchte und wollte
sich schwerfällig aufrasfen.
Aber da war der Marquis schon aus dem Schlitten gesprungen,
hatte geschickt das Pferd aus der Schlinge gelöst und saß auch schon
wieder aus dem Bock und feuerte die Tiere mit Rufen und Peitschen-
knallen an. Die Pferde stutzten zuerst, doch als sie fühlten, daß der
Herr selber die Zügel führte, legten sie sich ins Geschirr, daß der Schnee
stob und die Glöcklein an dem nun viel leichteren Schlitten klingelten.
Die Lakaien im Schloß der Gräfin wunderten sich, als sie das Gefährt
mit dem so vornehmen Kutscher, mit schweißbedeckten Rappen und mit
zerbrochener Laterne Vorfahren sahen. Der Marquis befahl ihnen kurz,
für die Pferde, denen er im Weggehen den Hals klopfte, zu sorgen und
betrat rasch das Schloß und den Saal. Der Kranz der Kavaliere
öffnete sich sogleich, die Gräfin reichte ihm ihre schmale Hand, daß er
sich darüber beuge, doch als er sich wieder ausrichtete und sie einen
Augenblick lang einander ansahen, erschrak sie plötzlich und ries: „Aber
Herr Marquis, Sie bluten ja." Er warf einen raschen Blick in den
Spiegel und entdeckte, daß er über der rechten Braue eine kleine Schnitt-
wunde trug. „Eö ist nichts", antwortete er lächelnd, „meine Schlitten-
laterne ist an einem herabhängenden Aste zersplittert. Der Weg zu
Ihnen war sehr lang, Komtesse."
blnd nun widerfuhr ihm das Glück, daß ihm die Gräfin selber einen
kühlen Verband um die Stirne legte.
Der große französische Satiriker
Francois Rabelais 0495—l553)
geriet auf seiner Reise von Rom
nach Paris in arge Geldverlegen-
heit. In Lion, wo er seit geraumer
Zeit in dem teuersten Gasthof
wohnte und eS den Wirt sehr be-
fremdet hatte, daß ein Mann wie
er zu Fuß gekommen war, wußte
er sich kaum mehr Rat. Da kam
ihm ein rettender Einfall. Er füllte
inehrere Papiere, die er nach Art
der Apothekerpulver kniffte, mit
gestoßenem Zucker und versah sie
init den Anschriften: Gift für den
König; Gift für die Königin; Gift
für den Dauphin usw. Dann
sorgte er dafür, daß ein Diener des
Gasthofes die Päckchen erblickte.
Alles kam nun wie er wollte. Der
Diener glaubte, der Gast wolle
die ganze königliche Familie ver-
nichten, und teilte seine Entdeckung
sofort dem Wirt mit, der eiligst
den Präsidenten benachrichtigte.
Die Folge war, daß Rabelais
verhaftet und unter starker Be-
deckung nach Paris gebracht
wurde. Auf der Reise behandelte
man ihn mit größter Rücksicht-
nahme, weil er geschickt den An-
schein zu erwecken wußte, daß er
der Träger großer Geheimnisse
sei. In Paris angekommen, klärte
er alles auf. Zum Beweise seiner
Angaben verschluckte er vor den
Augen seiner Ankläger die sämt-
lichen Pulver. W.
Hegenbarth
„Drei Recloutn und fünf Bäll an oamn Fog — i sags ja alle-
weil, der Fasching ghörl unter Sportnachrichten !((
flotten Lauf, sie strauchelten in Vertiefungen unter dem Schnee, schienen
vor aus der Finsternis tretenden Bäumen zu erschrecken und schnaubten
aufgeregt. Ihre Kruppen glänzten von Schweiß.
Den Marquis durchfuhr blitzschnell eine Reihe unzusammenhängender
Gedanken. Bald sah er sich bei fröhlichem Gelage, den Becher in der
Hand einen voll Aubel aufgenommenen Trinkspruch tun. Dann brach
er in tollem Ritt hinterm Hirsch durchs Gehölz, und dann wieder sah
er einen Schlitten von großer Pracht, mit goldenen Engeln und broka-
tenen Tüchern geschmückt, über den in der Sonne blitzenden Schnee
gleiten, und viele Herren, aus ihren Pelzen sahen die Spitzenkrägen
hervor, ritten nebenher. Einer der Reiter und dem Schlitten zunächst
war er selber.
Die Wölfe waren nun auf dreißig Schritte herangekommen. Sie
rochen an der Spur und schienen immer noch unschlüssig. Nun rückten
aber die hinteren in eine Reihe mit dem, der an der Spitze war, sie
drängten sich vor, und so wuchs auch ihr Mut und ihr Hunger nach
warmem Fleisch. Der Marquis beugte sich vor und versuchte die Zügel
zu erfassen, die neben dem Kutscher an einen Handgriff gebunden waren.
Aber Theophiles riesiger Körper hinderte ihn daran. Er fühlte, wie die
seidene Weste, die er unter dem blauen Rock trug, feucht wurde, und
auch die Haare brannten ihm unter dem Dreispitz, so sehr strengte er
sich an. Da, als er eben den Riemen von dem metallenen Griff gelöst
und so die Pferde in der Gewalt hatte, vielleicht toaren seine Finger von
der Kälte klamm, entglitten ihm die Zügel. Die Pferde, so auf einmal
des gewohnten Trensendruckes ledig, sprangen und schlugen auS, das
rechte verwickelte die Hinterhand in den Riemen und hielt zitternd an,
während das andere eS vergeblich weiterzuzerren suchte. Der Schlitten
stand.
Die Wölfe zögerten. Der Marquis konnte nun schon ihr Keuchen
hören und in ihren Rachen sah er die blinkenden Zähne. Aber er wußte
nun schon, was er zu tun hatte.
Er nahm den Dreispitz, der ihn drückte, ab und legte ihn auf den
Sitz. Dann richtete er sich aus, blieb einen Augenblick ohne Bewegung
und stieß plötzlich mit einer Wucht, die man seinem schlanken Körper
nicht zugetraut hätte, den Kutscher vom Bock. Der zerbrach im Fallen
die Laterne und schien durch den kalten Stoß, den er beim Aufschlagen
vom Schnee erhielt, ernüchtert zu werden. Denn er fluchte und wollte
sich schwerfällig aufrasfen.
Aber da war der Marquis schon aus dem Schlitten gesprungen,
hatte geschickt das Pferd aus der Schlinge gelöst und saß auch schon
wieder aus dem Bock und feuerte die Tiere mit Rufen und Peitschen-
knallen an. Die Pferde stutzten zuerst, doch als sie fühlten, daß der
Herr selber die Zügel führte, legten sie sich ins Geschirr, daß der Schnee
stob und die Glöcklein an dem nun viel leichteren Schlitten klingelten.
Die Lakaien im Schloß der Gräfin wunderten sich, als sie das Gefährt
mit dem so vornehmen Kutscher, mit schweißbedeckten Rappen und mit
zerbrochener Laterne Vorfahren sahen. Der Marquis befahl ihnen kurz,
für die Pferde, denen er im Weggehen den Hals klopfte, zu sorgen und
betrat rasch das Schloß und den Saal. Der Kranz der Kavaliere
öffnete sich sogleich, die Gräfin reichte ihm ihre schmale Hand, daß er
sich darüber beuge, doch als er sich wieder ausrichtete und sie einen
Augenblick lang einander ansahen, erschrak sie plötzlich und ries: „Aber
Herr Marquis, Sie bluten ja." Er warf einen raschen Blick in den
Spiegel und entdeckte, daß er über der rechten Braue eine kleine Schnitt-
wunde trug. „Eö ist nichts", antwortete er lächelnd, „meine Schlitten-
laterne ist an einem herabhängenden Aste zersplittert. Der Weg zu
Ihnen war sehr lang, Komtesse."
blnd nun widerfuhr ihm das Glück, daß ihm die Gräfin selber einen
kühlen Verband um die Stirne legte.