Akropolis I RichardSeewald
Genies am laufenden Band
QJon QiJill'ielm cßi£htenberc
Man erinnert sich vielleicht noch. Vor drei
Jahren trat der russische Professor Makanoff
mit der sensationellen Mitteilung vor die
Öffentlichkeit, daß eS ihm in jahrzehntelanger
Forscherarbeit gelungen sei, daS Geheimnis des
menschlichen Genies zu ergründen. Der Fall
liegt — wie gesagt — schon drei Jahre zurück,
und ich will dem Gedächtnis meiner Leser etwas
nachhelfen.
Professor Makanoff behauptete also, daß
jene besonders sensationellen Eigenschaften, die
unter Millionen Menschen ein einziges Exem-
plar als Genie herausheben, beliebig auf jeden,
ausnahmslos auf jeden Menschen überpflanzt
werden können. DaS Genie liege an einer von
ihm entdeckten Stelle des Hirnanhanges und
bestehe in einer bestimmten Verdickung der
Substanz, die — durch eine kleine und völlig
ungefährliche Operation — an jedem Lebe-
wesen dieser Schöpfung vorgenommen werden
könne. Das heißt also —aus der Sprache der
Wissenschaft auf eine einfachere Formel ge-
bracht —, daß jeder Mensch, auch der minder-
begabte, ja sogar der Kretin, ein Genie werden
könne, wenn er sich bei Professor Makanoff
dieser kleinen Operation unterzöge. Oder noch
deutlicher: Professor Makanoff sei imstande,
Genies am laufenden Band zu erzeugen.
Man wird zugeben müssen, daß Makanoffs
Entdeckung geeignet war, unsere alte Erde von
Grund auf zu revolutionieren, sofern sich eben
seine Behauptung von den Genies am laufen-
den Band als stichhaltig und wissenschaftlich
fundiert herausstellte. Denn was, so sagten
sich alle, könnte ein Geschlecht der Menschen
leisten, wenn es durchwegs, oder zum größten
Teile, auS Genies bestünde, wie müßte diese
Welt in kürzester Zeit auSsehen, wenn sie nicht
mehr unter den Hemmungen und Einflüssen
der Durchschnittsexemplare zu leiden hätte,
wie glücklich könnte eine Menschheit werden,
wenn jeder einzelne zu Höchstleistungen be-
fähigt wäre.
Trotzdem nahm man die Entdeckung Maka-
noffs mit äußerster Skepsis auf. Begreiflich.
Die großen Taten in der Geschichte der Mensch-
heit jind immer belächelt worden — besten-
falls —, wenn sie nicht gar mit Pech und
Feuer verfolgt wurden.
Die Tierversuche des großen Forschers —
die ja jeder medizinischen Entdeckung vorauS-
neemann iveini
Von Fred Endrikat
Die Sonne lacht. Der Schneemann weint.
Sie hat es gut mit ihm gemeint.
Nun schmilzt er bis zum lebten Rest.
Es säuselt leise aus Siiclwest.
Das Eis am Giebel tropft und taut.
Der Schnee am Weg ist sanft ergraut.
Bald kommt der Frühling über Nacht.
Der Schneemann weint. Die Sonne lacht.
gehen müssen — fielen freilich glänzend aus.
Auf einem Kongreß der Neurologen, der 1934
in Lissabon stattfand, führte Professor Maka-
noff einige Vierfüßer vor, die sich nach der
Makanoffschen Operation am Hirnanhang
befanden, und erzielte damit allgemeine Ver-
blüffung.
Tiere als Genies? Warum nicht? Auch der
tierische Intellekt kann zum genialen Stadium
gesteigert werden. Es kommt eben nur auf die
kleine Verdickung der Hirnsubstanz an.
So zum Beispiel führte Professor Maka-
noff in Lissabon ein Kaninchen vor, das bereits
als Genie gelten konnte. Dieses Kaninchen
lebte in glücklichster Ehe mit einem Männchen,
vollkommen monogam, und hatte in sechs Mo-
naten nur einem einzigen Jungen das Leben
geschenkt. DaS Merkwürdigste war aber daS
Fell dieses genialen Kaninchens; es glänzte wie
Chinchilla und hatte auch alle spezifischen
Eigenschaften dieses hoch im Preise stehenden
EdelfelleS. Nach dein Hinscheiden von um
gefähr zwanzig genialen Kaninchens würde man
also aus ihren Fellen nicht mehr daS billige
Seal canin, sondern einen wundervollen Chin-
chillamantel verfertigen können.
Ganz selten war auch die Metarmophose,
die nach der Operation mit einem kleinen Meer-
schwein-Weibchen vorgegangen war. Es wählte
in Modesalons die geschmackvollsten Toiletten
aus, schminkte sich hochmondän, wenn eS unter
Leute geführt wurde, spielte vollendet Bridge
und hatte einen Flirt, den eS seinem Meerkater
auf die raffinierteste Weise verheimlichte.
Gar nicht zu reden von dem operierten Rhino-
zeros, das Schlagertexte verfaßte, die man
sofort in der ganzen Welt sang und ihrem
Verfasser blnsummen eintrugen.
Diese Lissaboner Vorführungen erregten
gewiß das Staunen der gesamten Fachwelt.
Wie sollte Professor Makanoff aber Menschen
dazu gewinnen, sich den Hirnanhang verdicken
zu lassen, um über Nacht Genies zu werden?
blnd wenn er nicht in der Lage gewesen wäre,
den Homo sapiens mit der Durchfchnittöintelli-
genz vorzuführen, der durch die Operation über
Nacht zum Genie erwachte, hätte feine sensa-
tionelle Entdeckung — am Tier überraschend
ausprobiert — jeden praktischen Wert ver-
loren.
Aber man weiß ja, wie schwer die Men-
schen für medizinischen Neuerungen zu haben
sind. Man erinnert sich wohl noch, wie müh-
sam die Blatternimpfung durchzusetzen war,
welche Schwierigkeiten der geniale Koch zu
überwinden hatte, wie Semmelweis verlacht
und angefeindet wurde. Nicht besser ging eS
— trotz allem — unserem Professor Makanoff.
Nur zwei Menschen fanden sich, die bereit
waren, sich der Operation zu unterziehen. Ein
Ntann namens Krautschneider und ein Schrift-
steller Pollessan. Sie legten sich unter das
Messer Makanoffs und waren bereit, Genies
aus sich machen zu lassen.
Wer waren diese beiden? Nun, Kraut-
schneider, Michael Krautschneider, war ein
kleiner Hausierer gewesen, der durch die Dörfer
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Genies am laufenden Band
QJon QiJill'ielm cßi£htenberc
Man erinnert sich vielleicht noch. Vor drei
Jahren trat der russische Professor Makanoff
mit der sensationellen Mitteilung vor die
Öffentlichkeit, daß eS ihm in jahrzehntelanger
Forscherarbeit gelungen sei, daS Geheimnis des
menschlichen Genies zu ergründen. Der Fall
liegt — wie gesagt — schon drei Jahre zurück,
und ich will dem Gedächtnis meiner Leser etwas
nachhelfen.
Professor Makanoff behauptete also, daß
jene besonders sensationellen Eigenschaften, die
unter Millionen Menschen ein einziges Exem-
plar als Genie herausheben, beliebig auf jeden,
ausnahmslos auf jeden Menschen überpflanzt
werden können. DaS Genie liege an einer von
ihm entdeckten Stelle des Hirnanhanges und
bestehe in einer bestimmten Verdickung der
Substanz, die — durch eine kleine und völlig
ungefährliche Operation — an jedem Lebe-
wesen dieser Schöpfung vorgenommen werden
könne. Das heißt also —aus der Sprache der
Wissenschaft auf eine einfachere Formel ge-
bracht —, daß jeder Mensch, auch der minder-
begabte, ja sogar der Kretin, ein Genie werden
könne, wenn er sich bei Professor Makanoff
dieser kleinen Operation unterzöge. Oder noch
deutlicher: Professor Makanoff sei imstande,
Genies am laufenden Band zu erzeugen.
Man wird zugeben müssen, daß Makanoffs
Entdeckung geeignet war, unsere alte Erde von
Grund auf zu revolutionieren, sofern sich eben
seine Behauptung von den Genies am laufen-
den Band als stichhaltig und wissenschaftlich
fundiert herausstellte. Denn was, so sagten
sich alle, könnte ein Geschlecht der Menschen
leisten, wenn es durchwegs, oder zum größten
Teile, auS Genies bestünde, wie müßte diese
Welt in kürzester Zeit auSsehen, wenn sie nicht
mehr unter den Hemmungen und Einflüssen
der Durchschnittsexemplare zu leiden hätte,
wie glücklich könnte eine Menschheit werden,
wenn jeder einzelne zu Höchstleistungen be-
fähigt wäre.
Trotzdem nahm man die Entdeckung Maka-
noffs mit äußerster Skepsis auf. Begreiflich.
Die großen Taten in der Geschichte der Mensch-
heit jind immer belächelt worden — besten-
falls —, wenn sie nicht gar mit Pech und
Feuer verfolgt wurden.
Die Tierversuche des großen Forschers —
die ja jeder medizinischen Entdeckung vorauS-
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Die Sonne lacht. Der Schneemann weint.
Sie hat es gut mit ihm gemeint.
Nun schmilzt er bis zum lebten Rest.
Es säuselt leise aus Siiclwest.
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Der Schnee am Weg ist sanft ergraut.
Bald kommt der Frühling über Nacht.
Der Schneemann weint. Die Sonne lacht.
gehen müssen — fielen freilich glänzend aus.
Auf einem Kongreß der Neurologen, der 1934
in Lissabon stattfand, führte Professor Maka-
noff einige Vierfüßer vor, die sich nach der
Makanoffschen Operation am Hirnanhang
befanden, und erzielte damit allgemeine Ver-
blüffung.
Tiere als Genies? Warum nicht? Auch der
tierische Intellekt kann zum genialen Stadium
gesteigert werden. Es kommt eben nur auf die
kleine Verdickung der Hirnsubstanz an.
So zum Beispiel führte Professor Maka-
noff in Lissabon ein Kaninchen vor, das bereits
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lebte in glücklichster Ehe mit einem Männchen,
vollkommen monogam, und hatte in sechs Mo-
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Eigenschaften dieses hoch im Preise stehenden
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Nacht zum Genie erwachte, hätte feine sensa-
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