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J u

41. JAHRGANG

G E N D

1 9 3 6 / N R. 1 9

Dann im Mai

Q cm (Shnsloph

Schon verblaßt das Veilchen steht,
Mädchen schreiten still vorbei.

FJi der Mond, von dannen geht,
kommt der Mai.

Blumen sprühen auf der Flur,
und die Amsel singt sich frei.

Über Nacht, ach, warte nur,
kommt der Mai.

Emst frag ich mit heißem Blick
die Geliebte, wie es sei,
und sie gab mir bang zurück,
erst im Mai.

Erst im Mai, die Nacht schon webt,
und die Wünsche werden frei.

Eli der Mond von dannen gehl,
dann im Mai.

FEUER l'N PAL IM

VON FRIEDRICH CZERWENKA

Im Fernen Osten, im Lande der ausgehen-
den Sanne war es. In seinem Palaste zu
Peking saß der 637. Sahn des Himmels und
in der reichen graßen Provinz Chwanghai
regierte sein Gouverneur Lu Hang Fu.

Es war ein fruchtbares Land. Die Ernten
brachten mehr an Reis und Getreide, als die
Bevölkerung verbrauchen kannte. In der
Nähe der Stadt Palim wurden deshalb große
Speicher angelegt. Sie sollten den Überschuß
ausnehmen und für magere Jahre Vorsorgen.
Die aufgespeicherten Mengen wurden aber
iinmer größer. Ein Lagerhaus nach dem ande-
ren wurde errichtet und bald bildeten ste ein
Stadtviertel von Palim, ein Viertel, das von
einer hohen Mauer umgeben war und das
künftige Hungersnöte verhindern sollte.

Viele Beamte bewohnten daS Viertel der
Lagerhäuser, darunter auch der dieke Wang. Er
kam meist erst spät auS dem Wirtshaus und
oft bezecht vom süßen ReiSschnapS.

Als die Sage kürzer wurden, trug er einen
Kienspan, um den Weg zu finden. — Die
Wächter warnten ihn, weil die Sicherheit des
ganzen Stadtteiles in Gefahr war. Die Lager-
häuser waren ja aus Holz, ebenso die Wohn-
häuser. Wang scherte sich nicht um die War-
nungen. So blieb den Wächtern nichts anderes
übrig, als die Anzeige an die Feuerwehr von
Palim zu erstatten.

Als der Kommandant die Meldung erhielt,
rief er seine Hauptleute zu einer Beratung
zusammen.

Es wurde viel hin- und herüberlegt. Schließ-
lich kam ein Beschluß zustande:

„Die Feuerwehr ist für den vorliegenden
Fall nicht zuständig. Ein Feuer ist bisher weder
ausgebrochen noch ist erwiesen, daß ein Feuer
wirklich entstehen wird. Es könnte somit der
Fall eintreten, daß die Feuerwehr einschreitet,
ohne daß ein Brand besteht oder überhaupt
entstanden wäre. Ein Einschreiten der Feuer-
wehr wäre dann ein Verstoß gegen Para-
graph 7.693 der Feuerwehr-Statuten der
Stadt Palim.

Die vorgelegte Meldung kann deshalb erst
zur Kenntnis genommen werden, sobald der
Nachweis erbracht wird, daß durch die Hand-
lungen des Beamten Wang ein Feuer ent-
stehen wird."

Als der feiste Wang von diesem Beschluß
erfuhr, tanzte er vor Freude und jauchzte aus
chinesisch. Jetzt ging er jeden Abend mit einer
hell leuchtenden Fackel durch die engen Wege
zwischen den Getreidespeichern.

Neuerlich erstattete man eine Anzeige bei der
Feuerwehr. Der Kommandant konnte nur aus
den seinerzeitigen Beschluß verweisen. Er gab
zu, daß die FeuerSgesahr sehr groß sei, denn er
war ein gar weiser Mann. Er wußte auch,
daß viele Menschenleben durch einen Brand
vernichtet werden, aber er fand in den jahr-
hundertealten Vorschriften keine Handhabe, um
einzuschreiten.

Der Krug geht so lange zum Brunnen
und Wang scheint doch einem der Holzhäuser
mit der Fackel zu nahe gekommen zu sein.

Ein Wächter sah, wie schwarzer Rauch zum
Himmel steigt, rannte zur Feuerwehr und
wollte rasch zum Kommandanten.

„Langsam, langsam", meinte der Haus-
meister, „Feuermeldungen müssen schriftlich er-
stattet werden. Ich kann dich nicht zum Kom-
mandanten lassen."

Der Wächter beschwor ihn, er verwies auf
die große Gefahr, aber der Hausmeister blieb
unnachgiebig.

„Vorschriften müssen beachtet werden."

Als der Kommandant beim Morgenkaffee
die Meldung von dem ausgebrochenen Brand
im LagerhauS-Diertel laS, erkannte er sofort
die Wichtigkeit der Angelegenheit. Er ließ seine
Hauptleute zusammenrufen, um zu berat-
schlagen, waS zu geschehen habe. Ein Brand
im LagerhauS-Viertel war nämlich noch nie-
mals vorgekommen und es lagen deshalb keine
„Präzedenzfälle" vor.

Die Hauptleute kamen. Es wurde viel und
weife gesprochen. Jeder hielt eine lange Rede.
Es waren lauter sehr kluge erfahrene Männer.
Man konnte zu keinem Ergebnis kommen. Der
Fall war zu schwierig und niemand konnte sich
an einen ähnlichen erinnern. Daraufhin beschloß
man einen sünsgliederigen Ausschuß zu wählen,
damit dieser den Sachverhalt prüfe und Vor-
schläge erstatte. Mit Rücksicht aus die Wich-
tigkeit wurde nur eine Frist von zwei Wochen
gegeben und der Ausschuß begann auch schon
nach ganz wenigen Tagen mit seinen Bera-
tungen.

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Fritz Christoph: Dann im Mai
Friedrich Czerwenka: Feuer in Palim
 
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