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J u G E

4 1. JAHRGANG

N D

1 9 3 6 / N R. 4 2

Ende des Sommers

Won Rudolf (X,

dz er

Dies ist der Herbst schon, Freund; dies satte Gold
Dies kühle Blau ist nicht des Sommers Farbe mehr.
Früh neigt der Hag sich schon, das Jahr entrollt.
Von Frucht und Garben sind die Felder leer.

Blick in die Gärten: dieser Farbenbrand
Ist wie ein Feuer, schwelend vor dem Ende
Und so, als höbe Einer schon die Hand
Daß er herauf die dunklen Schatten sende.

Die Stunden schwimmen leiser durch das Blau
Kartoffelfeuer raucht, der goldne Kürbis glänzt
In Spinnwebneren funkelt kühl der Hau
Die Rinder gehn zu Hai mit Laub bekränzt.

Bald werden wir in der umrankten Laube
Die Gläser heben, wenn die Sterne blinken
Und aus dem Purpursaft der edlen VTraube
Vergangne Glut und Duft des Sommers trinken.

JUDIT H

Novelle von Hjalmar Bergman

(Berechtigte Übertragung von Hans B. Wagenseil)

Der alfe Mann saß auf einem Schemel bei der Toreinfahrt, federn,
der sich näherte, rief er zu: „Laßt mein Haus in Frieden!" DaS Haus
war eine Hütte, die aus drei Zimmern, einer Küche und zwei Dach-
stuben bestand. Die Bäume im Garten waren kahl, das Gras erfroren,
so daß eS sich nicht einmal als Weideplatz verwenden ließ. Es gab
wirklich nicht viel zu bewachen, aber der alte Mann verließ seinen
Posten nicht. Er saß unbeweglich da, obwohl schon die Abenddämme-
rung einfiel und jedem, der vorüberging, rief er zu: „Laßt mein Haus
in Frieden!"

Wenn einer von den feindlichen Soldaten an seinem Zaun stehen
blieb, so stand er auf, nahm seine fettige, grüne Mütze ab und sagte,
daß der Tod im Hause herrsche. „Ich spreche zu Ihrem eigenen
Nutzen, bei mir herrscht der Tod im Hause. Wenn Sie mir nicht
glauben, kommen Sie mit, ich werde es Ihnen zeigen. Aber er ist
ansteckend, mein Herr, sehr ansteckend!" Der Soldat glaubte seinen
Worten, denn er sah selber wie der Tod aus.

DaS Haus, das den Tod beherbergte, war das letzte im Dorf. Als
eS Nacht geworden war, kam ein junger Soldat und fragte nach
Quartier. Er hatte an vielen Türen angeklopft und alle Betten schon
besetzt gefunden. Es war ihm unmöglich, sich in der Dunkelheit zum
nächsten Haus, oder zum nächsten Dorf durchzufinden. Was den Tod
angeht, so fürchtete er ihn so wenig, wie sich ein Soldat Furcht erlaubt.
Der alte Mann wiederholte, was er zu den anderen Borübergehenden
gesagt hatte, aber dieser hier war sehr jung und ein wenig keck. Er lachte
und sagte: „Die Geschichte ist mir nichts Neues. Komm, laß mich herein.
Ich will weder stehlen noch morden. Ich will schlafen."

Wie ihm der alte Mann sagte, der Tod lauere im HauS, ließ er sich
nicht abschrecken. Er schob den alten Mann beiseite und marschierte in
den Vorhof. Es war so dunkel, daß er die HauStüre nicht finden konnte,
sondern aus ein beleuchtetes Fenster zuging. Der Alte ging ihm nach.
Als sie daö Fenster erreicht hatten, sagte er: „Überzeugen Sie sich, daß
ich nicht lüge. DaS ist mein Schwiegersohn, der dort drin liegt. Er ist tot."

Ein Bett stand in der Mitte des Zimmers, mit dem Kopfende zum
Fenster, ^zn ihm lag ein Toter. Er war ebenso jung wie der Soldat,
aber tot. Er war von einem Leintuch bis zum Hals hinauf zugedeckt.
Am Kopfende des Bettes saß eine junge Frau, fast noch ein Mädchen.
Sie saß vor einem Tisch, auf dem vier brennende Kerzen standen. Der
Soldat schaute mehr das Mädchen an als den Toten. Er fand sie schön,
wenn auch etwas zu dunkel und nicht so hübsch wie seine eigene Liebste
daheim. Aber im Grunde ging ihn alles nichts an. Er wollte nur
schlafen. Er drehte sich nach dem alten Mann um und sagte: „Sicher
gibt eS ein Bett im Hause, oder wenigstens eine Matratze, oder irgend-
was zum drauf liegen?"

„Doch!" antwortete der Alte. „Jjn der Dachkammer steht ein ge-
machtes Bett, das mein Schwiegersohn zu benützen pflegte, bevor er
verheiratet war. Aber, da spreche ich in Ihrem eigenen Interesse, Sie
können doch mit Ihren eigenen Augen sehen, daß der Tod im Hauje
herrscht. Er ist ansteckend, ^zch bitte Sie, mein Haus in Frieden wieder
zu verlassen. Ich bin ein alter Mann und habe Sorgen genug."

Der Soldat sagte: „Alter Freund, ich denke nicht daran, mir das
Bett im Speicher zu versagen. Daß ich dort liege, macht niemanden
was und es wird ein herrliches Gefühl sein, wieder einmal zwischen Lein-

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Rudolf Kreutzer: Ende des Sommers
Bo Hjalmar Bergmann: Judith
 
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