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J U G E

41. JAHRGANG

N D

1 9 3 6 / NR. 4 3

DIE ZEIT

VON GEORG ASSO PETERS

Die Zeit ist voll gerechten Maßes:

Sie braucht nicht einzuteilen
Das Rieseln ihres Stundenglases
ln Eilen, in Verweilen.

Im Schwung des Perpendikels schleift
Die Stunde sich zurecht und reift: —
Aus 'Tagen, Wochen wächst das Jahr,
Das Morgen sich ans Gestern reiht:

Die Jüngsten sagen bald: „Es war“ —
Und wissen um das Maß der Zeit . . .

Hast du zu jeder Stund gestrebt,

Hat mancher sonder Müll gelebt.

Sinkst du ermattet früh ins Grab,

Sagt mancher lachend: Seht, ich hab
Koch Zeit und Geld!

Der Lauf der Welt
Hat aber andern Sinn:

Die Zeit erst zeitigt den Gewinn!

Sie, die sich nirgends drein verweilt.
Und jedem gleich die Stunden teilt,

Das Gute, wie das Böse mißt

Mit gleichem Maß und nichts vergißt,

Sie bringt zuletzt, mit hartem Schlag,
All unsre Werke an den Tag! —

Oll IE SCHÖNE CIHIII'NIESII'N

VON II. DE VERE STACPOOLE

jn 0anöabau wurde mir gesagt: „Wenn Sie nächsten Nronat nach
Europa heimfahren und Sie haben noch kein Schiff belegt, fahren Sie
mit der ,Haag*. Sie rollt nicht, ist holländisch, hat also gute Ver-
pflegung und Sie werden interessanteren Menschen begegnen als auf
den englischen Dampfern."

Ich war sehr jung zu jener Zeit, nicht mehr als ztvanzig und wußte
wenig von der Welt und ihrem Treiben, besonders von der Welt, die
sich unter der bunten und gleißenden Oberfläche des Ostens verbirgt; ich
war nicht der Mann, der hinter den Mädchen herschaut, aber da war
ein Mädchen an Bord der „Haag", die mich den Kopf drehen machte.

Ich sah sie, als ich mich einschiffte. Sie war keine Europäerin,
jedenfalls wenn sie europäisches Blut in den Adern gehabt haben sollte,
war es nicht vorherrschend. Sie war auch tatsächlich, wie ich später
erfuhr, väterlicherseits Chinejin. Sie stand neben einer Frau von hollän-
dischem Typus, ihrer Begleiterin, wie ich später herausfand. Als die
beiden sich auö der Menge der an Bord Gehenden losten, geführt von
einem Steward, der sie offenbar zu ihrer Kabine geleitete, folgte ich
ihnen mit den Augen und sah, daß er ihnen eine der Doppelkabinen auf
Deck anwies. Offenbar vermögende Leute, jedenfalls nicht zweitklassig,

und ich erinnerte mich, daß ich mit einer Art von Befriedigung dachte,
da wir in der gleichen Klasse reisten, würde sich mir vielleicht eine
Möglichkeit bieten, eine engere Bekanntschaft mit diesem Mädchen zu
schließen. Dann ging ich hinunter in den Rauchsalon.

Im Rauchzimmer saß Mynheer Pel, ein Mann, den ich kannte; er-
fuhr auf blrlaub nach Rotterdam nach Hause und hier saß er nun, sehr
erhitzt und aufgebracht nach der Wiederauffindung eines Koffers, den
der Ladeoffizier in den Schiffsraum hatte befördern lagen, statt in seine
Kabine. Er fragte mich nach meinem Ergehen und was ich in Europa
zu tun gedächte. Ich hatte ihn geschäftlich kennengelernt und war ihm
im Klub begegnet; er hatte nie viel Neugierde betreff meinen Angelegen-
heiten gezeigt. Es war das Schiff, das diese andere Seite zum Vor-
schein brachte. Menschen an Bord sind verschieden von Menschen an
Land; an Bord nehmen die Menschen ein gesteigertes Interege an
anderen und seltsam kurzlebige Freundschaften schießen wie Pilze hoch,
die mit dem ersten Auftauchen von Land hinschwinden und zerfallen.

^ch sah mein bezauberndes Mädchen beim Abendessen wieder. Sie
und ihre Begleiterin hatten ein Tischchen rechts vom Saloneingang inne.
Da ich an den Tisch des Ersten Offiziers gesetzt worden war, hatte ich

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Henry De Vere Stacpoole: Die schöne Chinesin
Georg Asso Peters: Die Zeit
 
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