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LEGENDE VOM STAR

Q)on Wilhelm QOeldin

Es war einmal ein Star, der wurde es müde,
ein Star zu sein, was an und für sich schon ein
Märchen ist. Eines schönen Tages erwachte er
im Rokoko-Schlafzimmer seiner maurischen
Villa in Beverly Hills und der wundervolle
altenglische Park mit privatem Golf Course,
dessen sattes Grün zwischen den schlanken
Säulen der pompejanischen Pergola sichtbar
war, entzückte zum ersten Male nicht sein so
männlich entschlossenes und doch träumerisch-
weiches Auge. Sein Kopf schmerzte und seine
sportlich trainierten Glieder waren bleiern.
Hollwyood, der ewig blaue Himmel Kali-
forniens, seine maurische Villa, der altenglische
Park mit privatem Golf Course (das viel-
bewunderte Schwimmbassin nicht zu vergessen)
und der betörende Blick auf den Pazifischen
Ozean erschienen ihm plötzlich schal und ekel-
hast, wie eine abgestandene Speise.

Der Star fühlte seinen Puls und konstatierte
unschwer, daß er nicht von jener seltsamen
Krankheit der Stars befallen war, die, dem
Kafard der Fremdenlegionäre ähnlich, darin
besteht, daß sie in einer jähen Raserei beschließen,
ihr Leben künftig dem Edlen, Guten und
Schönen zu weihen und den Napoleon zu
spielen. Nein, es war nicht jene flüchtige Sinnes-
verwirrung, die geplagte Regisseure und
apoplektische Producers in eine vierundzwanzig-
stündige Panik stürzt, um so schnell wieder zu
vergehen, wie sie gekommen ist. Es war etwas
wesentlich Ernsteres, ja, geradezu ein seelischer
Erdrutsch.

Er hatte es ganz einfach satt, immer wieder
sein eigenes Spiegelbild, Marke herb-männlich,
zu spielen — jenes einnehmende Bild, das sich
jeder von uns macht, wenn er sich im Spiegel
betrachtet — während sein wahres ^)ch,
unbeachtet und verloren wie ein geprügelter
Hund, vergeblich verständnisvollen Anschluß
heischend, durch ein kuljssenhafteö Leben irrte.
Er hatte es satt, aus purem Mangel an
Gelegenheit immer wieder weibliche StarS zu
heiraten, selbst wandelnde Spiegelbilder, die viel
zu sehr mit sich beschäftigt waren, um ihn als
mehr denn einen passenden Hintergrund und den
schicklichen Anlaß für eine groß in Szene
gesetzte Publicity zu betrachten. Er hatte es
satt, wohin er kam, von toll gewordenen
Enthusiastinnen, die in sein herb-männlicheS
Spiegelbild vernarrt waren, buchstäblich zer-
quetscht zu werden, während sein armseliges,
verlaufenes (Hch ihnen so gleichgültig war, !vie
ein Stück Holz.

Er wollte etwas ganz Märchenhaftes: er
wollte einfach wieder ein Mansch werden. Ein
Wesen also, mit dem die Leute über das Wetter,
die Geschäfte und die Regierung sprachen, wie
mit einem vernünftigen Menschen, das in der
Lage war unauffällig Anschluß zu suchen und
imstande eine Frau zu erobern, die sein wahres
Jjd) hinlänglich liebte, um ihm in echt weiblicher
Hingebung ein Nachtmahl zu kochen, kalte
Umschläge zu machen und zerrissene Socken in
simpler Weise zu stopfen, statt einfach ein
Schock neuer zu bestellen. Dieser Einen und

Einzigen wollte er sich dann zu erkennen geben,
wie ein echter Märchenprinz und ihr den
Himmel aus Erden zu Füßen legen ... Ruhm,
Glanz und Geld, all das, wonach ein echtes
Frauenherz begehrt.

Aber es ist nicht so einfach für einen Star,
so verwegene Wunschträume zu realisieren.
Erst mußte er einen Mord begehen, nicht anders
wie ein Straßenräuber, der sich durch einen
Überfall die Mittel zu dem von ihm erträumten
Leben verschaffen will. Er mußte das Phantom,
das ihn aus seinem eigenen Leben zu verdrängen
begann in der besten Manier der Gangstersilme
auS dem Wege räumen.

Verzweifelt und zu allem entschlossen, machte
er sich daran, diese Tat zu vollbringen. Er
holte einen seiner fünf Roadster aus der
Garage, lud sein herb-männlicheS Spiegelbild
symbolisch ein, neben ihm Platz zu nehmen und
führte es aus einen einsamen Felsen am Meer.
Hier ließ er es höflich aussteigen, hielt ihm
einen kurzen, ergreifenden Nekrolog und stürzte
es nicht minder symbolisch inS Meer, dessen
reinigende Fluten eS gnädig in sich ausnahmen.
Dann deponierte er aus dem Gipfel des Felsens
einen Brief, des Inhaltes, daß er sich auS
unglücklicher Liebe zu dem Star Dolorita — er
war der Kollegin schon lange eine kleine Gegen-
leistung schuldig — in den Pazifik gestürzt hätte,
rasierte sich sein weltberühmtes Schnurrbärtchen
weg und verschwand von der Bildsläche seines
Daseins, von Millionen Frauen beweint und
betrauert.

Südlicher Hafen

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Georg Pevetz

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Wilhelm Weldin: Legende vom Star
 
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