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DIE F O I O S E I I IE

Stadt in der Nacht

Die Fotografie unserer Zeit hat sich ganz auf den Schnappschuß
umgestellt. Seit wir hohe Lichtstärken und bedeutende Negativ-
empfindlichkeiten haben, wird selbst während der Nacht schnapp-
geschossen. Die Großstadt mit ihren Lichtreklamen spendet eine
so bedeutende Helligkeit, daß Momentfotos ohne Zusatzbeleuchtung
kein Kunststück mehr sind.

Diese Arbeit ist zweifellos in gewisser Hinsicht bequem. Zugleich
muß sie aber auch als mindestens ebenso einseitig angesehen werden.
Denn die nächtliche Stadt konzentriert sich ja nicht allein um ein
paar strahlende Scheinwerfer, sondern erwacht auch in entlegenen
Gassen und Winkeln zu einem zumindest fotografisch bedeutsamen
Leben. Freilich ist hier mit Momentaufnahmen nichts anzufangen.
Die Motive verlangen das ja aber auch gar nicht. Denn es herrscht
das Besonnene vor.

Durch das Licht von wenigen Straßenlaternen werden die sonst
ganz und gar belanglosen Dinge zu den schönsten Motiven. Für
ihre Beurteilung ist eine besondere Beachtung auf die Verteilung
von Hell und Dunkel zu legen. Insbesondere sind es die Lichter,
welche dem Motiv seinen Wert geben.

Natürlich können wir mit Schnappschüssen nicht viel beginnen.
Wir nehmen das Stativ mit und belichten eine, zwei, drei oder auch
mehr Minuten. Lieber zu lange als zu kurz.

Mit der direkten Abbildung von Lichtquellen muß etwas vorsichtig
umgegangen werden. Es liegt die Verführung nahe, sie mitten im
Bildfeld wiederzugeben. Und nachher ist die Enttäuschung oft groß,
weil infolge der recht bedeutenden Helligkeitsunterschiede Über-
strahlungen auftreten oder eine so umfangreiche Tonskala zur
Abbildung kommt, daß ein Kopieren oder Vergrößern in befriedi-
gender Weise unmöglich wird. Aus diesem Grunde wird man für
gewöhnlich alle unmittelbar wirkenden Lichtquellen, also ins-
besondere Straßenlaternen, durch Bäume und Straßenwinkel
verdecken.

Vielfach wird es auch erforderlich, durch Hinzunahme einer
künstlichen Beleuchtung gewisse Partien aufzuhellen. Für solche
Zwecke leistet Magnesiumband gute Dienste. Man brennt es ent-
weder hinter dem Fotoapparat oder hinter einer Straßenecke, einem
Haustor usw. ab, so daß kein direktes Licht auf das Kamera-
objektiV fällt.

Nachtaufnahmen dieser Art verlangen Geduld. Man muß längere
Zeit auf einem Fleck bei der Kamera bleiben und aufpassen, daß
keine Radfahrer oder Autos ins Bildfeld kommen. Denn'die Laternen
dieser Fahrzeuge wirken so intensiv, daß sie mit abgebildet werden
und nachher als ein weißer Strich erscheinen. Wenn ein solches
Fahrzeug in Sicht kommt, so halten wir schnell die Hand, den
Kassettenschieber oder sonst etwas vor das Objektiv und warten,
bis die Straße wieder frei ist. Vorübergehende Menschen schaden
bei der langen Belichtungszeit nichts. Es kommt nur darauf an, daß
sie keine Lichtquellen in irgendwelcher Form1 und Weise über das
Bildfeld bringen.

Nach einem Regen kann eine solche nächtliche Motivjagd beson-
ders lohnend sein. Denn da glitzert das Straßenpflaster und liefert
das besonders schöne Glanzlichter. Bei einem solchen Wetter dürfen
wir nur den Regenschirm nicht vergessen. Weniger für uns als für
die Kamera, die in keinem Falle ganz wasserfest sein wird.
Wenigstens sollen wir in diesem Punkte nicht rein egoistisch sein.

1936 / JUGEND NR. 45 / 3. November 1936

Nicht zu vergessen: der Humor! Wenn wir da zuweilen zehn
oder fünfzehn Minuten auf einem Fleck stehen, wird es nicht an
verwunderten Passanten fehlen. Entweder werden wir wie ein
Wundermensch betrachtet oder auch ganz und gar nicht verstanden.
Denn es ist erstaunlich, wie relativ wenige Menschen überhaupt
wissen, daß man auch während der Nacht fotografieren kann. Da
dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen, sondern entweder humor-
voll oder erklärend reagieren. Denn jeder von uns hat nach wie
vor daran zu schaffen, richtige Vorstellungen und Deutungen der
Fotografie zu vermitteln, die ja ein Werkzeug zur Auswirkung
schöpferischer Kräfte des ganzen Volkes ist.

•NEUE SCHALLPLATTEN

(TELEFU NKEN)

^ Ein Ausschnitt aus Mascagnis „Cavalleria rusticana“: Turridus
Sang an Lola, und sein Abschied von der Mutter, bevor er zum
Zweikampf geht. Clemens A n d r i j e n k o singt das, vom trefflichen
Orchester des Deutschen Opernhauses Berlin ausgezeichnet begleitet,
ergreifend schön. Selten hat man einen so druckfreien, glasklaren
Tenor gehört! Gern nimmt man dabei etwas fremdartige Vokali-
sation in Kauf.

^ Ein Querschnitt aus Webers „Freischütz“, geleitet von D r.
Schmidt-Isserstedt, erinnert an die schönsten Melodien
dieses Werkes. Es ist wirklich ein Querschnitt. Denn „ge-
schnitten“ wird ohne Gnade, geradezu amputiert wie am Operations-
tisch. Der Komponist würde große Augen machen. Aber er würde
sich schließlich doch freuen am edlen Tenor von Peter Anders,
den lichten Stimmen von Ilse Kögel, Carla Spletter und dem
Bariton Hans Heinz Nisse ns.

Dem Peter Anders muß man auch für die frische, elegante Art
danken, in der er aus der „Schönen Müllerin“ das „Sei nicht bös“,
und aus dem „Bruder Straubinger“ das „Küssen ist keine Sünd’“
singt.

Eine der schönsten deutschen Lied-Platten gab der Bariton
Schmitt-Walter: Hugo Wolfs Heimweh (Eichendorff) und
Rieh. Straußens Ständchen. Schade nur um die Veränderungen der
Kompositionen am Schluß zugunsten äußerer Wirkung.

Musikalische Bilder aus Japan! Der japanische Komponist und
Dirigent K o i c h i K i s h i zaubert uns mit Hilfe der Berliner Phil-
harmoniker mitten in den Jahrmarkttrubel einer japanischen
Stadt und führt uns in das Vergnügungsviertel von Osaka. Das ist
kein parfümiertes Japan. Es scheint „garantiert echt“. Gar nicht
„butterfly“ig. Beschreiben läßt sich die Aufnahme schwer. Man
muß sie hören; sie liegt jedenfalls weitab von der großen Straße.

Ansonsten — gibt es eine Reihe von vergnüglichen Platten, die
Griesgram in die Flucht schlagen: Ein Seemanns-Kabarett von Isa
Vermehren, die mit ihrem Schifferklavier die „Ballade vom
großen Durst“ kredenzt, zwei ungarische Foxtrotts vom Luther-
Orchester, und die schmissige Marschplatte vom „Kreuzfidelen
Kupferschmied“.

Eine wertvolle Erinnerung aus dem Festspiel der Olympiade 1936
gibt der Einzug und Reigen der Kinder in der interessanten, lichten
Musik Carl Orffs, gespielt vom Jugendorchester der Günther-
Schule München. Z u p s.

Vierteljahres* Preis 7 Mark, He ft'Preis 60 Pfennig

Begründer: Dr. GEORG HIRTH. — Verantwortlich für die Schriftleitung: ARNOLD WEISS-RÜTHCL: für die Anzeigen: GEORG POSSELT, München. —

Verlag: G. HIRTH VERLAG AG., München. — Für Herausgabe und Redaktion in Österreich verantwortlich: Dr. EMMERICH MORA WA, i. Fa. Morawa & Co.. Wien I. Wollzeile 11.
v— Alle Rechte Vorbehalten. — Nachdruck strengstens verboten. — Copyright by G. HIRTH VERLAG AG.. München. — Druck: G. HIRTH VERLAG AG.. Buch- und Kunst-Druckerei.
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Redaktioneller Beitrag: Die Foto-Seite
 
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