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BÜCHER

Willy Seidel: „Der Tod des Achilleus“ und andere Erzählungen.

Herausgegeben von Ina Seidel. (Stuttgart und Berlin 1936,

Deutsche Verlags-Anstalt. 386 S.)

Aus dem Nachlaß des leider zu früh verstorbenen Dichters Willy
Seidel gibt dessen Schwester den vorliegenden Band heraus, der
außer Erzählungen auch Briefe und Gedichte, sowie eine eingehende
Lebensdarstellung enthält. Unwillkürlich wird jeder Leser zuerst
nach dieser Biographie greifen; einerseits verlockt dazu die bekannte
reife Kunst der Menschenschilderung Ina Seidels, anderseits die
Persönlichkeit des Verstorbenen selbst. In gewisser Hinsicht steht
dieser Nachlaßband ja auch mit den Erzählungen, die er bringt, ein-
deutig im Zeichen der Einheit von Persönlichkeit und Werk Willy
Seidels. Die sieben Novellen sind in den letzten vier Lebensjahren
entstanden und kennzeichnen nicht nur die künstlerische Ausdrucks-
fähigkeit (als deren höchstes Zeugnis mir „Die vier Augen“ er-
scheint), sondern auch den weltanschaulichen Tiefgang des Dichters.
Die Titelnovelle bringt in eindringlichster Weise zum Ausdruck, wie
tief Willy Seidel das Todeserlebnis zu fassen wußte. Gleichzeitig
aber entzieht er sich uns in keiner Weise als der Weltfahrer, den
wir kennen, ja in dem beigegebenen Romanfragment „Der Sammet-
frack“ (um den Beau Brummeil) läßt er seine ganze realistische
Darstellungskunst mit vollendeter Überlegenheit spielen. So entsteht
ein einheitliches Bild der vielseitigen und in ihrer Vielseitigkeit doch
unzersplitterten Begabung des Dichters, die aus ursprünglichen und
schon sfchr früh sichtbar gewordenen Kräften gewachsen war. Von
Haus aus mit einer herrlichen und schönen Phantasie gesegnet, ließ
er sich von ihr in die Welt und in die Ferne treiben, und ließ sich
von ihr auch dazu anleiten, sich mit den letzten und tiefsten Dingen
der Seele zu beschäftigen. Diesem Nachlaßband darf nachgerühmt
werden, daß er ein vollendetes Gesamtbild von Willy Seidels Wesen
und Werk entwirft. Wilhelm Kunze

Hamsun: „Der Ring schließt sich.“ (Albert Langen-Georg Müller,
München.)

Es geht natürlich nicht an, daß unsereiner einen Hamsun „kriti-
siert“. Aber wir leben in einer Zeit, die es hinfällig gemacht hat,
daß vor ehrwürdigen Standbildern um jeden Preis Weihrauch-
fackeln entzündet werden müssen — wenn auch der Begriff „Jugend“
als eines zur Revolte um jeden Preis verpflichteten Faktors ander-
seits manchmal etwas übernommen erscheint. Am besten ist es
wohl, sich auf den großen Dichter selbst zu berufen, der in jüngeren
Jahren — etwa in seiner verwegenen Herausforderung des ent-
sagenden alten Tolstoi in „Mysterien“ — sogar vor Respektlosigkeit
nicht zurückschrak, wenn ihm die Würde der Altersüberlegenheit
nicht in den Kram paßte. Nun denn, wenn er selbst bei Tolstoi die
eigensinnige Milde der Entsagung mit fröhlichem Hohn angriff, so
wollen wir bei ihm die zunehmende Übersteigerung und Verdünnung
der Weisheit wenn nicht benörgeln, so doch mit geziemendem
Respekt feststellen. Er ist allmählich in so hohe Regionen auf-
gestiegen, daß die Atmosphäre um erdgebundene Dinge aus seiner
Adlersicht schon etwas dünn zu werden beginnt. Ja, wie ein Adler
kreist er in seiner Höhe und beobachtet das kribbelnde Kleinzeug,
das seinen unermüdlichen Appetit auf Geschöpfe reizt. Und natür-
lich ist er ein unendlich humorvoller, ja sogar ein gütiger Adler,
der mit Liebe verspeist, was in sein ungeheures Sehfeld kommt.
Aber die Weisheit höret nimmer auf und je öfter ein Ring sich
schließt, nach Jahr und Tag Rückschau gehalten wird und die
Körner immer und immer noch einmal durchs Sieb geworfen
werden — wodurch sie bei einem Landmann von der Art Knut
Hamsuns ja gewiß nicht schlechter werden — um so unaufhalt-
samer nähert sich der Zeitpunkt, da der Buddha nur noch mit
gekreuzten Armen und Beinen in der vollendeten Weisheit des
Schweigens verharren und dem Schöpfertum entsagen muß. Es
versteht sich von selbst, daß auch dieser Hamsun ein Meisterwerk
ist — nur werden die, die ihn am stärksten lieben, sich von solchen
Büchern, die sie mit Ehrfurcht lesen, dazu gedrängt sehen, zu den
früheren zurückzukehren, die sie sich mit voller menschlicher Hin-
gabe und Begeisterung zu eigen machten. Peter Scher

Ruppert Recking: „Ein Kaiserreich auf Aktien.“ Ein Journalist
erzählt. (In Leinen M. 7.50. Deutsche Verlags-Anstalt
Stuttgart-Berlin.)

Tief im Innern Afrikas, unweit der Quellflüsse des Nil, dort also,
wo Großbritanniens Streben, den englischen Sudan und damit
Nordafrika mit seinen mittelafrikanischen Besitzungen zu verbinden,
über Frankreichs Absicht, ein großes mittelafrikanisches Reich zu
errichten, siegte, in einem Gebiet, wo sich englische Kolonialpolitik
mit dem aufstrebenden Kongostaat und anderseits mit der über-
legenen Tatkraft des großen abessinischen Kaisers Menelik zu

messen hatte, dort liegt das Reich des letzten märchenhaften Kaiser-
Gottes, des letzten Pharaonen von Kusch. Dieses Reich Kaffa, eben
von dem abessinischen Ras Walde Giorgis unterworfen, soll nach
den Plänen eines an der Grenze des Kongostaates seßhaft gewor-
denen arabischen Elfenbeinhändlers und Sklavenjägers, Zober Bey,
auf Aktien neugegründet und so der europäischen Wirtschaft er-
schlossen werden. Was und wer dabei mitspielte, wie sich der in
weitem Umkreis gefürchtete angeblich arabische Zober Bey als ein
deutschblütiger Abenteurer von ungewöhnlicher Begabung heraus-
stellt bis zu der denkwürdigen Unterhaltung im Park des belgischen
Königsschlosses zu Laeken, in der König Leopold den Plan zu Ende
formt, durch den verwirklicht werden soll, was Zober Bey beab-
sichtigt hatte, von all diesem wird in dem neuen Bande der Erin-
nerungen berichtet, und zwar in einer Art, die weit über das gewöhn-
liche Maß der Berichterstattung hinausgeht. Dramatisch spannende
Abenteuer und kühn überwundene Fährlichkeiten, Begegnungen mit
allen in der Kolonialgeschichte berühmt gewordenen Persönlichkeiten
sind fast nur der selbstverständliche Umriß. Das Wesentliche und
Unnachahmliche dieser Aufzeichnungen ist aber die meisterliche Art
der Erzählung, die erleben läßt, wie sich politisches Geschehen,
Machtkampf und Aufstreben der Völker verwirklicht in der Tatkraft,
dem Opfermut und der Entschlossenheit einzelner führender Persön-
lichkeiten. Darum sind diese Erinnerungen weit mehr als ein Tat-
sachenbericht, sie sind ein Blick gleichsam in das Herz der großen
Politik, der überdies Einsichten und Erkenntnisse vermittelt, die
gerade heute, da Deutschland erneut sein Recht auf Kolonien an-
meldet, von höchster Bedeutung sind.

Hans Reiser: „Einer ging in die Wildnis(Paul List Verlag,
Leipzig.)

Jahre hindurch konnte Hans Reiser seinen Freunden als ver-
schollen gelten. Man erinnerte sich zuweilen noch seiner Absicht,
der zivilisierten Welt den Rücken zu kehren und in der unberührten
Wildnis südamerikanischer Wälder zu den Ursprüngen zurück-
zufinden. Immer spärlichere Kunde gelangte in die Heimat, die
Jahre verstrichen, und man vergaß. — Unterdessen kämpfte sich
der wagemutige Münchner, entsagend und entbehrend und nur vom
Triebe des Wanderns und Erlebens besessen, über unermeßliche
Strecken des südamerikanischen Kontinents zu den Quellflüssen des
Amazonas hinauf, baute im menschenleeren Dickicht des tropischen
Urwaldes seine Hütte. Und nun berichtet der in die Heimat Zurück-
gekehrte, von ihr Zurückgerufene, in einem inhaltsreichen Buch.
Eine Reisebeschreibung also, ein Buch der Abenteuer? Weit mehr
als das. Denn Reiser bleibt nicht an) der Oberfläche dieser fremd-
artigen Welt und ihren Erscheinungsformen haften, er durchdringt
sie, wird eins mit ihnen und spricht in ihrer Sprache. Einsamkeit
und Naturnähe verleihen ihm die Hellsicht des Primitiven, aber sie
verleihen ihm auch dessen Demut und heilige Scheu vor der Größe
unlösbarer Rätsel. Aus der Schöpfung selbst, aus der frucht-
spendenden Erde, aus der Berührung mit Pflanzen und Tieren
quillt ihm ewige, unveränderliche Weisheit. — Nein, es ist kein
Buch photographischer Wiedergabe, kein Buch der kalten Beobach-
tung, der Virtuosität und Überheblichkeit. Es ist die Offenbarung
des ersten Menschen. So sah dieser die Welt, und so sprach er mit
seinem Gott. A. W i s b e c k

OIE KUNSTZEITSCHRIFT

„Der Sporlfudier

mit den amtlichen Nachrichtendes
Reichverbandes Deutscher Sportfischer

soll von Jedem waidgerechten Sport-
fischer gehalten werden. „Der Sportfischer“
bringt Text- und Bildermaterial
aus aller Welt, darunter auch
große mehrfarbige Kunstdrucke

^jährl. RM. 3.—, jährl. RM. 6.—. Man
abonniert bei seinem Briefträger, beim
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FISCHEREISPORT-VERLAG
DR. HANNS SCHINDLER,

Fischerei-Buch- u. Kunsthandlung
München, NW 2, Karlstraße Nr. 44
Tel. 59 61 60

1936 / JUGEND Nr.49

Bei etwaigen Bestellungen bittet man auf die Münchner „Jugend“ Bezug zu nehmen,
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August Wisbeck: Bücher
Wilhelm Kunze: Bücher
Peter Scher: Bücher
 
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