Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Aus Bayern Adolf Büger

DAS DAMENOPFER

Es war spätnachmittags in einem kleinen Cafe. Eder legte ab und
nahm grüßend am Stammtisch Plaß, wo der Schachspieler Reichel saß.

„Franz!" — Der Ober, der an der Säule lehnte und eine neue
Illustrierte laS, ließ das Blatt sinken und merkte aus. — „Bringen Sie
mir einen Verkehrten, und ein großes Glas Wasser sür meine Blumen."

Reichel steckte neugierig zwei Finger in den Bausch des Seidenpapiers
und lüstete ihn ein wenig. „Nanu!" staunte er, „rote Rosen! Sie
Schwerenöter, Sie! Das steht ja ganz nach ernsten Absichten aus! Viel-
leicht dars man schon gratulieren?"

Eder lachte: „So weit ist es nun wieder nicht. Aber das eine steht
fest, daß ich das Junggesellenleben satt habe, satt bis hierher." Er zeigte
mit der gestreckten Hand an den Hals.

„Ist sie hübsch?" fragte Reichel.

„Bildhübsch!" versicherte Eder. „Es ist eine Norddeutsche, groß und
blond. Ich lernte sie im vorigen Sommer im Gebirge kennen, und
seitdem schreiben wir uns."

„bind nun, nun kommt sie wohl?"

„So ist eS. Sie ist auf der Durchreise und will die Fahrt unter-
brechen. Ich hole sie nachher vom Bahnhof ab."

„Na, dann viel Glück!"

„Danke, ich kann eS brauchen!"

Franz kam und schob den Verkehrten und ein großes GlaS Wasser aus
die Marmorplatte.

Eder stellte die Rosen ins Wasser, goß zwei Drittel Milch und ein
Drittel Kaffee in die Tasse, rührte um und trank alles auf einen Zug
aus, so wie eS seine Gewohnheit war.

„Ein Brett gefällig?" fragte Franz und wischte einige Tropfen vom

Tisch.

Reichel blickte aus Eder: „Sollen wir?"

Eder zog die Uhr. „Meinetwegen", sagte er, „es geht gerade noch.
Also Franz, bringen Sie das Brett mit den großen Figuren, aber
möglichst schnell."

„Sehr wohl", antwortete Franz und eilte.

„Wenn ich nicht irre, bekomme ich diesmal Weiß", bemerkte Eder.

792
Index
Adolf Büger: Aus Bayern
Gert Lynch: Das Damenopfer
 
Annotationen