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Don Karl Marx gelesen und bezeichnte jedes
Wunder als Schwindel.

Ein Schulhausmeister schlug ihm voll heiligen
Zornes den Hut vom Kopf, blnd alle lobten
diese Tat.

Der Teergießer aber fieberte vor Wut. Er
fühlte in sich einen Topf siedendes Waffer über-
laufen. Schnurgerade lief er in die Geheim-
kanzlei des Königs HerodeS, erzählte dort von
Volksverdummung, einem himmlischen König
und drohendem Derfassungssiurz. Daraufhin
wurden alle Schutzmannschaftsstationen alar-
miert. Kriminalbeamte durchliefen die Stadt,
Plakate mit dem photographischen Bild des
Jesusknaben waren angeschlagen .. .

Joseph und Maria aber trugen inzwischen
daS Kindlein, voll böser Ahnung, in die Dach-
kammer einer Kartenschlägerin.

Dort roch es nach Essig und Glaser. In der
Dachrinne sang der Regen graue Lieder.
Nebenan ging ein Schmierenschauspieler an der
Wand hin und her und studierte Rollen, bluten

schwammen im Stadtbach ertränkte Katzen vor-
bei. Auf den Altanen flatterte Steckerlwäsche.

Eines Tages sah ein Stern mitten in den
Kamin hinein. C-Trompetengelb und so warm,
daß es im Dfen der heiligen Familie das Feuer
verschlug. Sie heizten mit Zeitungspapier . . .

Kerzengerade über dem Dach hing er, wie an
einem Bindfaden vom Himmel herab. Wunder-
bar .. . nicht einmal der Zimmerherr, der als
Fremdenführer sogar schon in Tirol war, hatte
je ein solches Geglitzer gesehen.

Bald klopften drei Weise an die Tür.

Sie gingen dem Sterne nach — bis hierher.

Sie brachten dem Knaben Lebertran,
Haferflocken und eine Tafel Schokolade als
Geschenke mit.

Bald aber bekam das Kindlein Langeweile —
und spielte mit den Gerichtsvollzieherwäppchen,
die an der Rückwand der Kästen klebten „Eisen-
bahnschalter" —

Nachts fuhren die drei Weifen mit dem letzten
Zug nach Haufe.

Inzwischen Hub in der Stadt eine blinde
Verfolgung an. Überall spürte man dem
Kinde nach. Höhere seelische Regungen und jede
Art heiliger Gefühle wurden verboten. Herodes
war Materialist.

Auf daS Leben des Knaben war ein Preis
gefetzt. Unten im Bäckerladen fragten Detektive
nach.

Da mietete Joseph mit seinem letzten Gelde
den Karussellesel. Und um Mitternacht floh er,
nur mehr mit einer Briefmarke versehen, mit
Maria und dem Kindlein nach Ägypten. Denn
dieses Land kannte er schon nach den Abbil-
dungen auf den Zigarettenschachteln.

Uber gefrorene Äcker ging der Weg, am
Rande von Kiesgruben und Steinbrüchen vor-
bei, durch Müll und Schutt.

Joseph rauchte Pfeife. Maria sang ein
leises Lied und der Knabe schlief. Zuweilen
lächelte er aus feinem Traum heraus.

Im Westen fielen die Sterne ins Meer ...

Breitmoser rettet das Holz

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Daß Mathias Breitmoser, den sie den Hias
nannten, ein armer Schlucker von einem Holz-
fäller war, besagt überhaupt nichts. Er hätte
sich niemals einfallen lassen, aus seiner Haut
zu fahren, um mit jemand zu tauschen. Am
wenigsten jetzt, wo die Förster-Margret mit

keinem auch nur annähernd so freundlich wie
mit ihm war. Er wäre beinahe selber erschrok-
ken, so schneidig hatte sie den reichen Marthel-
bauernsohn abblitzen lassen, als sie beide den
ersten Walzer gleichzeitig von ihr wollten.
„Schon vergeben!" schwindelte sie keck drauflos,

indeiu der HiaS erst heraneilte. Der faßte sie
flink und schwenkte sie mit Begeisterung durch
den Saal. So wild war ihr Rock noch keinmal
geflogen!

Der Holzhauerball nahm ein unschönes Ende.
Der Marthel, vor Eifersucht blind, hatte mit

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Julius Hüther: München
Gert Lynch: Breitmoser rettet das Holz
 
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