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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 42.1937, (Nr. 1-52)

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DIE FOTO - „JUGEND“

Rauh reif — Aufn. mit Perutz-Persensofilm von Ernst Baumann

Heran — Großaufnahmen

Warum wohl die meisten Fotoamateure so schrecklich schüchtern
sind? Ihr Dreibein immer möglichst weit vom Aufnahmeobjekt
entfernt aufstellen und im wahrsten Sinne des Wortes Mikro-
fotografie betreiben? Mikrofotografie deshalb, weil alles so klein
auf den Film kommt, daß man zur Betrachtung bald ein Mikro-
skop heranziehen müßte.

Auf diese Weise kommen immer tausenderlei Dinge auf das Bild.
Von jedem ein bißchen. Aber im Grunde halt doch zu viel und
vor allem Sachen, die nichts miteinander zu tun haben.
Sparsamkeit ist das zwar schon. Wo andere einen ganzen Film
durch den Bauch ihrer Kamera jagen, genügt ein einziges Bild,
— wenigstens mengenmäßig. Ob es in der Qualität hinreicht —
Fragezeichen?!

Das wird letzten Endes schon deshalb nicht möglich sein, weil
da manche Dinge auf das Bild kommen, die im Grunde nichts
miteinander zu tun haben. Jedes wäre eher für sich allein ein
geschlossenes Ganzes, das seine eigenen Werte besitzt, für sich
schon so schön ist, daß andere Dinge zwar im wahrsten Sinne
des Wortes mehr bringen, aber dafür das Eigentliche verdecken.
Und dann springt es auf dem fertigen Bilde nicht recht in die
Augen, man sucht nach motivlichen Dingen, und findet sie viel-
leicht endlich irgendwo im schönsten Dornröschenschlaf.

Das also muß ganz anders werden. Jede Kamera mit Auszug
läßt sich mindestens bis auf einen Meter einstellen. Das soll man
ausnutzen. Soll dann und wann auch noch näher an das Motiv
herangehen, unter Umständen Vorsatzlinsen oder den doppelten
Bodenauszug zu Hilfe nehmen. Wer es sich leisten kann, kauft
ein Teleobjektiv.

Warum wirken wohl die meisten Aufnahmen eines Tonfilmes so
gut? Einfach deshalb, weil man mit der Kamera dicht heran-
gegangen ist, weil man das Großbild vorzieht, ein paar charak-
teristische Gegenstände aus einer Vielheit herausnimmt.

Und das können wir in der Amateurfotografie auch. Für uns ist es
sogar oft noch besonders einfach, weil das Moment der Bewe-
gung fehlt, weil wir Zeit haben, weil wir allein für uns arbeiten.
Freilich ist es schwer, den Übergang vom Totalbild zum Großbild
zu finden. Der Mensch trennt sich außerordentlich schwer von
scheinbaren Reichtümern. Es fällt ihm nicht leicht, nun auch noch
diesen Baum wegzulassen, den Weg vorn zu kürzen, auf diese
Regenpfütze zu verzichten und weitere Entbehrungen auf sich
zu nehmen. In Wirklichkeit sind diese Entbehrungen aber über-
haupt keine Entbehrungen, sondern die Schere eines Meisters,
der gestaltet, der das Wesen einer Sache erkennt und diese
eigentliche Sache hervorhebt, klarstellt und formuliert.

Man wird grundsätzlich fragen können, weshalb sich denn nur
schwer oder zuweilen auch überhaupt nicht bestimmte natürliche
Eindrücke als Totalität wiedergeben lassen. Diese Frage ist
zugleich immer wieder der Kernpunkt, über den man schwer
hinwegkommt, weil die notwendig verneinende Antwort viele
Erfahrungen voraussetzt. Und doch liegt die Antwort klar.

In der Schwarz-Weiß-Fotografie fehlt die Farbe, regiert aber der
Tonwert. Damit ist die optische Skala in einer Richtung ein-
geengt, elementarisiert. Daraus folgt notwendig, daß auch das
Motiv elementarisiert d. h. vereinfacht werden muß. Es muß ein
lineares, ein Helligkeits- oder ein Formmoment als Zentrum
herausgegriffen werden, um das sich alles andere schart. Das
wiederum ist nur möglich, wenn wir unsere Umwelt zergliedern,
hier eine Baumgruppe mit Wolken darüber, dort eine Wald-
blume, hier das Porträt eines Menschen, dort das Portal einer
Architektur erfassen. Es geht also darum, daß der Ausschnitt
für die Gesamtheit spricht, die Baumgruppe mit Wolken von
einem schönen Sommertag berichtet, die Waldblume Schönheit
und Reichtum des Waldes veranschaulicht, das Porträt das
Menschen als Spiegel seiner Seele erfaßt wird, das Portal in
perspektivisch richtiger Wiedergabe den Stil einer Zeit ver-
deutlicht.

Ganz gewiß fehlt dabei für das eine Bild irgend etwas anderes.
Aber es läßt sich ja eine zweite, eine dritte Aufnahme machen.
Andererseits wird man diese Lücke nicht verspüren und nicht
als nachteilig empfinden, wenn der dargestellte Ausschnitt mit
wirklicher Liebe erfaßt wurde, unter Heranziehung aller foto-
grafischer Mittel vollendet zur Darstellung gelangte.

Die Großaufnahme ist also ein Stil, den die Schwarz-Weiß-Kunst
notwendig vorschreibt. Als Haupt-Aufgabe bringt er Beschrän-
kung auf das Wesentliche mit sich. Er zwingt zu überlegter
Arbeit. Und deshalb liegt in der Fotografie noch ein höherer,
ein gestalterischer Wert. t

Aufn. Fritz Borst, Schönbach CSR. Ideal-Kamera 10X15, Tessar 1:4,5,
f 16,5 cm, 12 Sek., Blende 25, Opallampe 200 Watt

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Ernst Baumann: Fotos
Fritz Borst: Fotos
Gi-t: Die Foto-"Jugend"
 
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