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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 42.1937, (Nr. 1-52)

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DER

S C

VON

H W A R Z E TOD

BERT WERNAU

Es locken die Geigen, es funkelt der Wein,

Es tanzen die Masken; das Stöhnen und Schrein
Der Sterbenden dringt nicht zum Schlosse,

Denn Herzog Prospero feiert ein Fest.

Wer spricht da vom Sterben, wer spricht von der Pest?
Die Pest wütet nur in der Gosse.

Die Pforten verschlossen, die Riegel versperrt,

Was kümmern den Prinzen die Armen.

Die Fenster verriegelt, der Eingang verwehrt,

Herr Prospero kennt kein Erbarmen.

Und laut ruft der Prinz, daß es gellt durch den Saal
„Auf das Leben der Pest leer' ich diesen Pokal!"

Die Glocke schlägt zwölf. Da wird es so still
Gespensterhaft flattern die Kerzen.

Gestört die Musik, gestört die Quadrille;

Ganz plötzlich vorbei mit den Scherzen.

Da lacht Don Prospero gellend auf
Und greift an seines Degens Knauf:

„He da, Ihr Gäste, tanzet und springt!

Lakeien Wein! Ihr Sänger singt!

Wer stört das Spiel! Wer stört das Fest?

Zum Zweikampf fordere ich die Pest!

Herein mit ihr in diesen Saal!

Herein mit ihr! zum letzten Mal!"

Die Gäste stehen bewegungslos.

Da! Eine Maske — riesengroß —

Erscheint urplötzlich in dem Saal.

Die Augen leer; das Antlitz fahl;

Und alles weicht und weicht zurück
Vor diesem todesleeren Blick! —

Herr Prospero aber höhnisch spricht:

„He Maske! Das war gut gemacht!

Doch weiß ich noch nicht, wer du bist,

Die ich als schwarze Pest begrüß'!

Ich sah dich vorhin nicht beim Tanz!

Herunter mit dem Mummenschanz!"

Längst schweigen die Geigen. Mit einem Mal
Verlöschen die Lichter der Leuchter im Saal!

Der Prinz weicht zurück und die Maske folgt nach
Von Zimmer zu Zimmer, von Gemach zu Gemach!

Herr Prospero läuft! — Und die Maske läuft mit,
Treppauf und treppab, auf Schritt und Tritt.

Auf Tritt und Schritt; treppab und treppauf.

Da hemmet der Prinz seinen furchtbaren Lauf
Und steht und starret — dem Tod ins Gesicht
Dem grinsenden Tod — dem Gottesgericht!

Und wanket und sinkt zu Boden — und stirbt!

Die Maske verschwand; doch seit dieser Zeit
War Rom von der schwarzen Pest befreit. —

SEIN SONNTAG

VON FRITZI ERTLER

Ein Bergsonntag.

Uber dem lieblichen Prientale liegt der farbenfrohe Zauber des
Herbstes.

Stolz säumen die schroffen Zacken der Kampenwand und des
Zellerhorns das seidige Blau des Himmels.

An der Türe eines stolzen Bauernhofes lehnt ein hochgewachsener
Bursche. Die braunen Fäuste stecken in der Tasche der gams-
ledernen Hose, Kraft und Selbstbewußtsein, Stolz auf die eigene
Scholle, atmet die Gestalt des Burschen, eine überströmende,
ihm vielleicht selbst unbewußte Kraft. Der alteingesessene Berg-
bauer, der gleichsam das Adelsgeschlecht des Bergvolkes ist,
spricht aus der Art des Burschen, aber der Ausdruck seines
Gesichtes ist mißmutig; grübelnd starrt er vor sich hin.

„An was denkst denn, Loisl?" Ein frisches Mädel hat sich dem
Burschen genähert. Zwei breite blonde Zöpfe umrahmen ein
schmales Gesicht, aus dem große blaue Augen leuchten.

„Fort möcht ich!" Der Bursche hat es leidenschaftlich hervor-
gestoßen.

„Fort —!" Unter der Türe erscheint ein stämmiger Bauer, dessen
verjüngtes Ebenbild der Bursche ist. In dem Gesicht des Alten
ist ein gefährliches Wetterleuchten. „Gefallt dir wohl nicht mehr
daheim, seit du draußen in München warst", sagt er langsam.
„Hab auch erst g'sehn, was leben heißt, seit ich draußen war",
stößt der Bursche leidenschaftlich hervor. „Zum Verzweifeln sind
die Sonntage mit ihrem ewigen Einerlei."

„Ich bin seit zweiundsechzig Jahren auf dem Hof", entgegnet der
Alte zornig, aber der Sonntag war immer ,mein Sonntag'. Die
ganze Woche hab ich mich gerackert und die ganze Woche hab
ich mich auf meinen Sonntag g'freut. Ich hab immer Unterhaltung
genug g'habt."

Monika ist ängstlich abseits getreten. Sie weiß, daß die beiden,
Vater und Sohn, die gleichen Hitzköpfe besitzen und sie weiß,
daß bei ihnen ein Zusammenprall so rasch kommen kann wie
ein Bergwetter, das, kaum gesichtet, auch schon mit voller Wucht
zerstörend heranrast.

„Komm, geh'n wir ein wenig nach Aschau 'nei!" Monika will d?n
Burschen von der Türschwelle fortziehen.

„Laß mir mein Ruah!" Loisl hat den Arm des Mädels unsanft bei-
seite geschoben und will sich, ohne nach ihr und seinem Vater
zu sehen, vom Hofe entfernen. Da steht der Alte hochaufgerichtet
vor ihm.

„Ich will dich net halt'n", sagt er, und in seiner Stimme ist etwas,
das den Burschen tief erbleichen läßt. „Ich will dich net halt'n,
wennst glaubst, daß du zu gut für einen gestandenen Bauer bist.
Geh 'nei in die Stadt! Aber geh bald! Geh bald, damit ich dich
nimmer seh!" schreit der Alte jetzt in schrankenlos ausbrechen-
dem Zorn seinem Buben ins Gesicht.

„Vater!" Moni hängt bittend am Arm des Alten.

Da lacht Loisl höhnend auf. Dann wendet er sich um und stürmt
die knarrende Treppe hinauf in seine Kammer. Kurze Zeit spater
schreitet er mit einem kleinen Bündel im Arm vorbei an dem
Vater und der weinenden Monika und steigt vor ihren Augen
in den Postwagen, der eben an der Autobushaltestelle ange-
langt ist.

Der Alte achtet nicht auf das laut weinende Mädel. Langsam
geht er durch den Garten und pflückt Blumen, die noch als späte
Gäste des Sommers ihre Blütenköpfchen in der Abendsonne
wiegen. Einen großen Strauß brennendroter Blumen pflückt er,
dann geht er mit diesem Strauß langsam und schwerfällig hinüber
nach dem Kirchhof und legt ihn auf ein stilles Grab. „Muatter",

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Fritzi Ertler: Sein Sonntag
 
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