Das Märchen
von cfen fecßs feftfamen Räubern
VON GUN
Es waren einmal sechs seltsame Räuber. Sie trafen sich jeden
Samstag am Sumpf, und jeder von ihnen trug vor dem Gesicht
eine Maske aus gelber Seide und um die Schultern einen schwar-
zen Mantel. Wenn sie dann hintereinander den schmalen Pfad
durch den Sumpf schritten, leuchteten ihre gelben Masken durch
die braune Stille wie das sechsfache magische Abbild des ein-
samen Mondes, und die Mäntel wehten um ihre Schultern wie
die Schattenflügel großer, gelbgesichtiger Raubvögel.
Diese sechs Räuber kannten einander nicht, denn sie sahen sich
nur in Mantel und Maske. Sie wußten nur, daß sie sechs waren
an Zahl, und daß jeder der Sechs ein guter Gefährte und zuver-
lässiger Räuber war, und es schien ihnen, als gäbe es in der
Welt nur sechs solcher Mäntel und sechs solcher Masken. Sicher
aber war es ihnen, daß es nur sechs solcher Räuber gab.
Eines Samstag nun trafen die sechs seltsamen Räuber sich wieder
am Sumpf. Sie begrüßten sich mit ihrem Gruß, überflogen prü-
fend ihre nachtschwarze Reihe und den matten Glanz derSeiden-
ER GROLL
masken — und es geschah, daß sie alle ein namenloses Grauen
packte. Denn statt sechs waren es nunmehr sieben.
Sieben seltsame Räuber starrten sich an. Erst wollten sie sich die
Masken abreißen, aber dann erinnerten sie sich, daß sie sich ja
nicht kannten und daß sie die Masken also ruhig auch aufbe-
halten konnten, und daß sie niemals wissen würden, wer der
siebente war.
Keiner traute dem andern. Schweigend standen sie da, im
Dunkel des bräunlichen Sumpfes, ihre Masken leuchteten wie
das siebenfache magische Abbild des einsamen Mondes, und
ihre Mäntel wehten im Wind wie die Schattenflügel großer, gelb-
gesichtiger Raubvögel. Und die Unken riefen.
So standen sie da, sieben seltsame Räuber, und einer war keiner.
Sie schwiegen und atmeten. Und noch, als die kupferne Scheibe
der Sonne aus dem Sumpfe tauchte, standen im wehenden
Schilf sieben schwarze, gelbgesichtige, seltsame Räuber...
Kurt Zi
form. E.
Hu
Ak. Buchhandl
von cfen fecßs feftfamen Räubern
VON GUN
Es waren einmal sechs seltsame Räuber. Sie trafen sich jeden
Samstag am Sumpf, und jeder von ihnen trug vor dem Gesicht
eine Maske aus gelber Seide und um die Schultern einen schwar-
zen Mantel. Wenn sie dann hintereinander den schmalen Pfad
durch den Sumpf schritten, leuchteten ihre gelben Masken durch
die braune Stille wie das sechsfache magische Abbild des ein-
samen Mondes, und die Mäntel wehten um ihre Schultern wie
die Schattenflügel großer, gelbgesichtiger Raubvögel.
Diese sechs Räuber kannten einander nicht, denn sie sahen sich
nur in Mantel und Maske. Sie wußten nur, daß sie sechs waren
an Zahl, und daß jeder der Sechs ein guter Gefährte und zuver-
lässiger Räuber war, und es schien ihnen, als gäbe es in der
Welt nur sechs solcher Mäntel und sechs solcher Masken. Sicher
aber war es ihnen, daß es nur sechs solcher Räuber gab.
Eines Samstag nun trafen die sechs seltsamen Räuber sich wieder
am Sumpf. Sie begrüßten sich mit ihrem Gruß, überflogen prü-
fend ihre nachtschwarze Reihe und den matten Glanz derSeiden-
ER GROLL
masken — und es geschah, daß sie alle ein namenloses Grauen
packte. Denn statt sechs waren es nunmehr sieben.
Sieben seltsame Räuber starrten sich an. Erst wollten sie sich die
Masken abreißen, aber dann erinnerten sie sich, daß sie sich ja
nicht kannten und daß sie die Masken also ruhig auch aufbe-
halten konnten, und daß sie niemals wissen würden, wer der
siebente war.
Keiner traute dem andern. Schweigend standen sie da, im
Dunkel des bräunlichen Sumpfes, ihre Masken leuchteten wie
das siebenfache magische Abbild des einsamen Mondes, und
ihre Mäntel wehten im Wind wie die Schattenflügel großer, gelb-
gesichtiger Raubvögel. Und die Unken riefen.
So standen sie da, sieben seltsame Räuber, und einer war keiner.
Sie schwiegen und atmeten. Und noch, als die kupferne Scheibe
der Sonne aus dem Sumpfe tauchte, standen im wehenden
Schilf sieben schwarze, gelbgesichtige, seltsame Räuber...
Kurt Zi
form. E.
Hu
Ak. Buchhandl