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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 42.1937, (Nr. 1-52)

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Haus der deutschen Xunft

Maximen sind es, die Georg Hirth,
der Begründer der Jugend, uns für die
Runstbetrachtung überliefert hat. Es sind
die drei Fragen: Ist das Kunstwerk gut?
Ist es echt? Ist es deutsch? Mit diesen
drei Fragen bewaffnet, betrachteten wir
die Schau in dem neuen, erhabenen Tem-
pel deutscher Runst. In der Regel laßt sich
feststellen, daß die guten Werke auch echt,
d. h. nicht irgendwo entlehnt oder nach-
empfunden sind. Gft sind es auch gerade
wieder diese Werke, die uns besonders
deutsch anmuten. Denn alle echte Runst
tragt das Rennzeichen ihres Bodens, auf
dem sie gewachsen ist.

Zwei Merkmale sind es, die der bilden-
den Runst der Deutschen besonders eigen
stnd: der Hang zum Schildern und der
Hang zum handwerklich-graphischen. Der
Hang zum Schildern versteht sich aus der
Erkenntnis, daß die bildende Runst vom
Gegenständlichen nicht zu trennen sei.
Denn eben die (Qualitäten dieses Gegen-
ständlichen soll sie ja wiedergeben, wer
ein Runstwerk betrachtet, etwa ein Gesicht
oder eine Landschaft, der lernt die Welt
sehen, wie der Rünstler sie erlebt. Er steht
mehr in den Gesichtern der Menschen, er
findet die Landschaft farbiger und be-
kommt ein geübteres Auge für das Leben
in der Natur. Dieses liebevolle Sichver-
scnken in die Natur setzt aber hohes hand-
werkliches Rönnen voraus. Der Hang zur
graphischen Rleinarbeit ergibt sich also
aus der ganzen deutschen Runstauffassung,
die uns bei Altdorfer, Dürer und Tranach
nicht weniger wie bei Schwind, Richter
und Friedrich begegnet. Form und Farbe
stnd keine Eigenwerte, sondern (Dualitäten
von etwas Gegenständlichem.

Das innere Gefühl des Führers hat
diesen Zusammenhang mit unfehlbarer
Sicherheit erkannt. Im Haus der Deut-
schen Runst hat er dem deutschen Volke
eine Ausstellung beschert, die das Deutsche
in der Runst betonen will. Rünstler wie
Werner peiner, E. E. heinsdorff, Hans
hanner, Hubert wilm und viele andere
stnd für die deutsche Runst in dem er-
wähnten Sinne besonders kennzeichnend,
weshalb sind sie deutsch? weil sie als
Ausländer ebenso undenkbar wären wie
Dürer als Spanier oder Raffael als Nie-
derländer.

Das Deutsche haben wir vorweggenom-
men. wie steht es nun mit der Güte, mit
der Echtheit der Werke? Sind die (Duali-
täten durchwegs so hervorragend, daß man
mit den Bildern leben mochte? Sind die
Bilder überall so echt, daß man den Ein-

druck hat, dies ist nicht künstlich gewollt,
sondern organisch empfunden? Um ehrlich
zu sein, glauben wir das nicht von allen
Bildern sagen zu können. Manche fleißige
Arbeit ist darunter, der dennoch der gött-
liche Funke fehlt, oder bei der die „An-
lehnung" noch allzu deutlich ist. Sollen
wir nun aber gleich die Flucht ergreifen?
Durchaus nicht. Beachten wir zweierlei:
Erstens ist zu berücksichtigen, daß diese
Ausstellung noch keinen Höhepunkt, son-
dern erst einen Anfang bedeutet. Zweitens
darf man von solchen Ausstellungen keine
Sensationen mehr erwarten, die einen im
ersten Augenblick überwältigen, und die
man nach vierzehn Tagen schon nicht mehr
ertragen kann. Sondern hier sollen Bilder
ausgestellt werden, die man sich auch zu
Hause aufhängen und mit denen man leben
möchte.

An: reifsten unter den ausgestellten
Werken stnd wohl die Bildwerke, wir
nennen nur die Namen Thorak, Rolbe,
Rlimfch. Das Ausland hat den Werkes
dieser Rünstler nicht viel Gleichwertiges
gegenüber zu stellen. Unter den Bildnissen
sind nicht immer die am besten, die höchste
Persönlichkeiten darstellen. Doch sind die
Bilder von Horn: Rudolf Heß und hom-
mel: Mackensen (vor allem die Skizze da-
zu) gute und ehrliche Arbeiten. Eine mehr
persönliche Note zeigt Rolofss Bildnis des
Professors Troost.

Unter einigen guten Bildern, die ins
Monumentale streben, fallen die Flora von
Hans happ, die Werke von Eisenmenger
und Gerhardinger auf. Durch Ehrlichkeit
und Frische zeichnen sich aus: Die Marine-
bilder von Rlaus Bergen, ein Bild aus
dem Felde von Jank, dem langjährigen
Mitarbeiter der „Jugend", Landschaften
von Erich Merkel, ein Fischerdorf von
Amersdorffer, Tierbilder von Iunghanns,
Bildnisse von Schachinger, Graphiken von
Richard Müller usw. Daß die worps-
weder, Mackensen und Gtto Modersohn
hier zu finden sind, erdgebunden und wie
heute gemalt, zeigt das Streben zum Ge-
sunden, das diesen Werken wie der gan-
zen Ausstellung anhaftet. In der maleri-
schen Gualität treten u. a. Fritz Eichhorst,
Willy Rriegel, h. von Richthofen hervor.

Es ist eine undankbare Aufgabe, so
große und bedeutende Runstausstellungen zu
besprechen, wenn hier einige Flamen er-
wähnt wurden, so sollen sie doch nur als
Symptome aufgefaßt werden für (Duali-
täten, die auch aus den Bildern anderer zu
uns sprechen. Um die empörten Gemüter
zu beruhigen, möchten wir betonen, daß
wir keinen der erwähnten Rünstler per-
sönlich kennen. Nachdem wir uns nun
genügend Feinde gemacht haben, können
wir nur dazu auffordern, die Ausstellung
selber oft und lange zu besuchen und unser
Urteil zu korrigieren.

Lntartete Xunft

<4^em Drama folgt das Satyrspiel. In
diesem Falle die Ausstellung: Entartete
Runst, an der Galeriestraße. Eine unge-
sunde, giftige Atmosphäre schlagt uns ent-
gegen. Stellen wir diesen Machwerken die
Jahrhunderte deutscher und europäischer
Runst und Rultur gegenüber, so bleibt
kaum ein anderer Schluß: Diese Runst ist
krank. Daß solche Rrankheiten künstlich
hervorgerufen werden können, sobald die
Runst einmal anfällig ist, zeigen die Ver-
führer und Schrittmacher, aus deren
Machwerken eine zynische Frechheit, eine
Verhöhnung alles desten spricht, was wir
noch heilig gehalten haben. Es sind aber
auch deutsche Rünstler darunter, die ihre
Begabung unter Beweis gestellt haben,
die diese Runstmache ernst nahmen und
experimentierten. Es war ein gefährliches
Experimentieren, denn bald wurden sie in
den Strudel des Grauens mit hinein-
geristen. Deutlich ist zu unterscheiden, wo
nur der Zynismus spricht, wie bei George
Grosz, bei dem widerlichen Thristusbild-
werk oder wo eine seelische Erschütterung
vorliegt wie in dem grauenvollen Werke
von (Dtto Dix: Rrieg. Nur fort aus dieser
Atmosphäre! Als wir die Schau verließen,
nahmen wir einen Schnaps.

Rundfunk

86ir stehen nicht an, dem Rundfunk aus
vollem Kerzen unser rückhaltloses Lob
auszusprechen. Der Tag der Deutschen
Runst hat uns wohlgetan. Erst Don Gio-
vanni aus dem entzückenden Restdenz-
theater, dann Beethovens Neunte vom
Rönigsplatz in einer Aufführung, die in
der Welt ihresgleichen sucht. Man mag
unseren geistigen Hochmut schelten, aber
wir wünschten aufrichtig, daß uns solches
öfter geboten würde. Dabei sind wir
durchaus nicht anspruchsvoll in Bezug auf
die Darbietung, und waren auch mit einem
einfachen Rammerquartett von Haydn,
Schubert oder Brahms zufrieden. Nach
dem täglichen Einerlei von zwei bis drei
kommt uns plötzlich wie eine (Offenbarung
wieder die Entdeckung, daß wir eine
deutsche Seele haben.

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Redaktioneller Beitrag: München und die Kunst
 
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