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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 42.1937, (Nr. 1-52)

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https://doi.org/10.11588/diglit.6784#0514
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I U G E N ' ID

11 früheren Jahren, da die Bevölke-
rung noch zu einem geringeren Prozentsatz
als heute in der Industrie zu Arbeit und
Brot kam, gab es bei uns im Münster-
land fast auf jedem Bauernhof den soge-
nannten „Ohm an de Müer".

Dieser Ohm hatte als nachgeborener
des Hofes beim heiraten den Anschluß
verpaßt, so daß er als zäher, knorriger
Junggeselle an der Mauer des väterlichen
Herdes sitzen blieb und, je nach Art des
Temperaments, zum Kreuz oder zum
Segen des Dauses wurde.

Auch beim Machbar Klas Pohl gab es
so einen galten, verwitterten Onkel.

Machbar Klas und Ohm Peter verstan-
den sich eigentlich ganz gut. Sie verstan-
den sich auf ihre Art. Klas Pohl hatte
den Schalk im Zacken sitzen, und das ließ
ihn über viele Geschichten, die an sich
dummhaft genug sein mochten, den Junior
nicht vergessen.

Ohm Peter war ein kleines, kniffeliges
Männchen, mit etwas verschrobenen Bei-
nen und Ansichten. Auf Äußerlichkeiten
gab er nicht eben viel, er ließ sich gehen,
wie der Volksmund sagt. Ein Kreuz war
Ohm Peter gerade nicht im Haus, ein
Segen aber auch nicht. Er ging so mehr
seinen eigenen patt. Doch konnte er bei
Gelegenheit einen verflixt störrischen Kopf
zeigen, einen Kopf, von dem man gemei-

niglich wohl gern als westfalischen „Dick-
kopp" spricht. Kam man diesem Kopf in
die Ouere, dann war es mit der Gemüt-
lichkeit aus und vorbei. Fimmel und Hölle
gerieten dann aneinander, und Ohm Peter
wurde zu einem bösen, dämonischen Geist.

So ging es auch, als Klas Pohl in
seinem Hause das elektrische Eicht ein-
führen wollte.

Spat genug war dem Dorfe das Strom-
netz erschlossen worden, und hatten sich
auch erst wenige Familien zu dieser Art
der Beleuchtung gefunden, so war es doch
ohne Zweifel nur eine Frage der aller-
kürzesten Zeit, daß in jedem Hause die
Glühbirne brannte.

Der Machbar Klas erkannte das wohl,
und also ließ er eines Tages den Pfiffikus
Teobald, unseren Dorfschmied, kommen,
damit er die Leitung ausmesse und einen
Kostenanschlag mache.

wahrend Teobald in dieser Beschäfti-
gung mit seinem Zollstock die wände hin
und her kroch, bald Eintragungen in das
Notizbuch machte, bald unverständliche
Laute in den Bart brummte, saß Ohm
Peter an der Mauer beim Herd und hielt
die Ohren mißtrauisch gespitzt.

Raum fiel hinter jenem die Tür dann
ins Schloß, da hielt er feine Stunde für
gekommen. „Wat gehn hier für Kummer-

riggen (Komödien) vor?" hielt er lauernd
den Kopf zur Seite.

Klas Pohl saß mit dem Kostenanschlag
auf der Tischbank unter dem Fenster. Er
witterte gleich die Kriegserklärung, und
seelenruhig sagte er über das Blatt hin:
„wir kriegen elektrisches Licht ins Haus."

Ohm Peter gab sich einen energischen
Ruck. „Wat kriegen wir?"

„Hun — elektrisches Licht! Haste denn
davon noch nich gehört?"

„ne!" schüttelte jener boshaft den Kopf,
„ne, dat is mich vollständig neu! Trelek-
trisches Licht! — Dat glaub ich nich!"

„Brauchst't nich glauben, Ohm Peter —
et bleibt aber wahr! wir kriegen elektri-
sches Licht! Dauert gar nich mehr lange!
— Ein Druck auf'n Knopp — un et
brennt!"

„— — un et brennt —?! Hm! — Un
so ein modischer Kram in unser Haus?! In
ein anständig christliches Haus?! So ein
Teufelswerk?!"

„Dummes Zeug, Ohm Peter! was
redest du! Ist doch kein Teufelswerk!"

„Ist Teufelswerk, sag ich! An alle
Drahte bleib'm hangen! Der Teufel sitzt
drin! Hab sattsam davon gehört! Un so
ein Höllenwerk, dat kommt nich hier ins
Haus!"

„Et kommt drin, Ohm Peter! Malefiz-
nochmal! Dat will ich doch sehen! Morgen

SOMMERABEND IM PARK

Eö fällt die Dunkelheit auf müde Wiesen.

Die Gräser blassen. Und das Licht wird matter.
Vom Duft des Flieders sind die Lüste satter.
Und alle Schatten dehnen sich zu Niesen.

Aus fahlem Laub der Bäume glühn Laternen
Und hauchen Farben auf verschwiegene Bänke.
Die Tanzmusik aus einer nahen Schenke
Verweht der Abendwind in laue Fernen.

Und auf den weißen Wegen, die sich winden.

Durch Park und Dämmerung, vorbei an Teichen,
Lustwandeln, die sich suchen, die sich finden.

Der Männer Augen leuchten. Mädchen beben.

Und aus der Erde, aus der warmen, reichen,

Steigt wonneschwer als Traum und Rausch das Leben.

Karl Gideon G ö s s e l e

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Register
Josef Kamp: Ohm Peter
Karl Gideon (Giselher) Gössele: Sommerabend im Park
 
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