Stangon
Xi/it4 hatten in der letzten Zeit verschie-
dentlich Gelegenheit, uns mit Malern über
ihre Fronterlebniffe zu unterhalten. Über
das Phlegma Sailers, der den Raumungs-
befehl verschlief, im Trommelfeuer erwachte
und die Landschaft mit den entzückenden
Schrapnellwölkchen erst noch skizzierte,
bevor er sich in die Hintere Linie verzog,
berichten wir an anderer Stelle. Eine
hübsche Geschichte aber, die ebenfalls ver-
dient, der Vergessenheit entrissen zu wer-
den, hörten wir von Wilhelm Heise. Unter
den Pferden einer Schwadron im Messen
brach die Rotzkrankheit aus. Vom (Ober-
kommando lief telegraphisch die Weisung
ein: Stelle mit Chlorkalk desinfizieren, mit
Stangon anrühren. Das Zeug mußte so-
fort bestellt werden. Da man immer nur
die Hälfte bekam, bestellte man natürlich
das Doppelte, also sagen wir: Fünf
Doppelzentner Chlorkalk, und, na, ro Rilo
Stangon werden genügen. Der Chlorkalk
kam nach zwei Tagen, was aber nicht
eintraf, war das Stangon. Telegramm:
wo bleibt Stangon? Telegramm zurück:
Stangon zur Zeit nicht lieferbar, werde
nochmals dringend ersuchen. Eine Woche
verging; die Rrankheit wurde schlimmer
und schlimmer. Der Chlorkalk lagerte
friedlich neben den Stallen. Ob wir es
ohne Stangon versuchen. Lieber nochmals
fragen. Also ein Telegramm: Rotzkrank-
heit wird schlimmer, brauchen dringend
Stangon. Antwort: Stangon nicht aufzu-
treiben, forschen nochmals dringend nach.
Verdammt! Da befahl der Rittmeister,
nicht mehr auf das Stangon zu warten
und den Chlorkalk ohne es anzurühren.
Drei Tage darauf kam endlich ein Tele-
gramm: Stangon Druckfehler, muß Stan-
gen heißen.
Die Nothelfer
^^ochwürdens Auto hieß in der ganzen
Gemeinde nur die Arche ploah.
Es war ein hohes Gefährt mit ausge-
sprochener Pannenneigung. Auch Lenker
von größerer Erfahrung, als Hochwürden
es war, hatten mit dem vorsintflutlichem
Ungetüm ihre liebe Plot ausgestanden.
kürzlich hatte nun der Grasegger von
Ettenwang am pfarrhof zu tun gehabt
und da Hochwürden in der Ettenwanger
Gegend einen Krankenbesuch machen wollte,
schlug er dem Grasegger vor, gleich mit
ihm zu fahren. Als der Pfarrer am
Steuer Platz genommen hatte und er das
etwas zweifelsüchtige Lächeln seines Fahr-
gastes bemerkte, sagte er tröstend: „Die
14 Plothelfer werden uns schon beistehn."
Dann betätigte er den Anlasser; da aber
der Gang nicht ausgeschaltet war, fuhr die
Arche so ungestüm an, daß es den Gras-
egger schier von seinem Sitz herabwarf.
„Hochwürden", meinte da der Grasegger,
„die 14 Plothelfer Kam a z' große G'walt;
l glaab a oaschichtiger heiliger hatt aa
g'langt!"
Interview
ichts ist so zäh wie amerikanische
Journalisten. Auch die Jugend wurde
interviewt. Der Vertreter des vierten
Standes wollten deutsche Rünstler der
Gegenwart kennen lernen, und wir nannten
einige unserer Großen: Padua, Heise, Meins-
dorf, peiner und andere, wir gaben zu,
daß das Schwabinger Schlawinertum aus-
sterbe, und wiesen auf die Tatsache hin,
daß die ganz großen Rünstler niemals
Bohemiens gewesen seien. Rann man sich
Dürer, Bach, Goethe und Beethoven als
Schlawiner vorstellen? Unmöglich. Unser
Mann notierte sich also, daß die deutsche
Runst wieder ernst zu nehmen sei. Danach
erkundigte er sich nach unseren intimsten
Lebensgewohnheiten und Lastern, wir
gestanden, daß wein, Weib und Gesang
sich unserer Wertschätzung erfreuen, und
wir dem Thomas- und paulanerbrau,
sowie den Bayerischen Landbieren kräftig
zusprechen, das Oktoberfest besuchen und
auch den Fasching nicht auslassen. Plun
aber war das Interviewen an uns. warum
interessieren sich eigentlich die amerika-
nischen Leser für unseren Appetit? was
wollen sie erfahren? The news, Pleuig-
feiten, erwiderte unser Journalist, was
versteht Ihr denn unter pleuigkeiten? Der
Amerikaner belehrte uns nun, daß es
seinen Lesern weniger um das wichtige,
als mehr um das Interessante zu tun sei.
was findet Ihr denn interessant? „Alles,
was menschlich und ungewöhnlich zugleich
ist. Alles was eine alte Dame ausrufen
laßt: Um Gotteswillen! Alltägliche Vor-
kommnisse sind für uns keine Neuigkeiten,
wenn Neuigkeiten auch aus dem Alltag
stammen müssen, wenn ein Hund einen
Mann beißt, so ist das keine Neuigkeit,
aber wenn ein Mann einen Hund beißt,
das ist news. Ein Zeitungsbericht darf
sich nicht lesen wie ein statistisches Jahr-
buch, sondern muß packend sein wie ein
Melodrama." Nun verstehen wir aller-
dings die Greuelfreudigkeit in den Blat-
tern des wilden Westens!
Hindenburg und die Journalisten
er neunzigste Geburtstag unsres all-
verehrten Reichspräsidenten, dessen wir
mit der Hindenburgspende gedenken, erin-
nert uns an ein Interview, das der alte
Herr über sich ergehen lassen mußte. Es
war bei seiner Wiederwahl zum Reichs-
präsidenten. Ein Amerikaner erkundigte
sich, was er tun würde, wenn man ihn
nicht wiederwählte. „Dann gehe ich in die
Rocky Mountains und schieße Baren." —
„Und wenn Sie das getan haben, was tun
Sie dann?" fragte der Amerikaner weiter.
— „Dann gehe ich zu Ihrem Präsidenten
und frage ihn, ob die Journalisten an ihn
auch so dumme Fragen richten", antwortete
schlagfertig der alte Herr.
Die Jugend
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Xi/it4 hatten in der letzten Zeit verschie-
dentlich Gelegenheit, uns mit Malern über
ihre Fronterlebniffe zu unterhalten. Über
das Phlegma Sailers, der den Raumungs-
befehl verschlief, im Trommelfeuer erwachte
und die Landschaft mit den entzückenden
Schrapnellwölkchen erst noch skizzierte,
bevor er sich in die Hintere Linie verzog,
berichten wir an anderer Stelle. Eine
hübsche Geschichte aber, die ebenfalls ver-
dient, der Vergessenheit entrissen zu wer-
den, hörten wir von Wilhelm Heise. Unter
den Pferden einer Schwadron im Messen
brach die Rotzkrankheit aus. Vom (Ober-
kommando lief telegraphisch die Weisung
ein: Stelle mit Chlorkalk desinfizieren, mit
Stangon anrühren. Das Zeug mußte so-
fort bestellt werden. Da man immer nur
die Hälfte bekam, bestellte man natürlich
das Doppelte, also sagen wir: Fünf
Doppelzentner Chlorkalk, und, na, ro Rilo
Stangon werden genügen. Der Chlorkalk
kam nach zwei Tagen, was aber nicht
eintraf, war das Stangon. Telegramm:
wo bleibt Stangon? Telegramm zurück:
Stangon zur Zeit nicht lieferbar, werde
nochmals dringend ersuchen. Eine Woche
verging; die Rrankheit wurde schlimmer
und schlimmer. Der Chlorkalk lagerte
friedlich neben den Stallen. Ob wir es
ohne Stangon versuchen. Lieber nochmals
fragen. Also ein Telegramm: Rotzkrank-
heit wird schlimmer, brauchen dringend
Stangon. Antwort: Stangon nicht aufzu-
treiben, forschen nochmals dringend nach.
Verdammt! Da befahl der Rittmeister,
nicht mehr auf das Stangon zu warten
und den Chlorkalk ohne es anzurühren.
Drei Tage darauf kam endlich ein Tele-
gramm: Stangon Druckfehler, muß Stan-
gen heißen.
Die Nothelfer
^^ochwürdens Auto hieß in der ganzen
Gemeinde nur die Arche ploah.
Es war ein hohes Gefährt mit ausge-
sprochener Pannenneigung. Auch Lenker
von größerer Erfahrung, als Hochwürden
es war, hatten mit dem vorsintflutlichem
Ungetüm ihre liebe Plot ausgestanden.
kürzlich hatte nun der Grasegger von
Ettenwang am pfarrhof zu tun gehabt
und da Hochwürden in der Ettenwanger
Gegend einen Krankenbesuch machen wollte,
schlug er dem Grasegger vor, gleich mit
ihm zu fahren. Als der Pfarrer am
Steuer Platz genommen hatte und er das
etwas zweifelsüchtige Lächeln seines Fahr-
gastes bemerkte, sagte er tröstend: „Die
14 Plothelfer werden uns schon beistehn."
Dann betätigte er den Anlasser; da aber
der Gang nicht ausgeschaltet war, fuhr die
Arche so ungestüm an, daß es den Gras-
egger schier von seinem Sitz herabwarf.
„Hochwürden", meinte da der Grasegger,
„die 14 Plothelfer Kam a z' große G'walt;
l glaab a oaschichtiger heiliger hatt aa
g'langt!"
Interview
ichts ist so zäh wie amerikanische
Journalisten. Auch die Jugend wurde
interviewt. Der Vertreter des vierten
Standes wollten deutsche Rünstler der
Gegenwart kennen lernen, und wir nannten
einige unserer Großen: Padua, Heise, Meins-
dorf, peiner und andere, wir gaben zu,
daß das Schwabinger Schlawinertum aus-
sterbe, und wiesen auf die Tatsache hin,
daß die ganz großen Rünstler niemals
Bohemiens gewesen seien. Rann man sich
Dürer, Bach, Goethe und Beethoven als
Schlawiner vorstellen? Unmöglich. Unser
Mann notierte sich also, daß die deutsche
Runst wieder ernst zu nehmen sei. Danach
erkundigte er sich nach unseren intimsten
Lebensgewohnheiten und Lastern, wir
gestanden, daß wein, Weib und Gesang
sich unserer Wertschätzung erfreuen, und
wir dem Thomas- und paulanerbrau,
sowie den Bayerischen Landbieren kräftig
zusprechen, das Oktoberfest besuchen und
auch den Fasching nicht auslassen. Plun
aber war das Interviewen an uns. warum
interessieren sich eigentlich die amerika-
nischen Leser für unseren Appetit? was
wollen sie erfahren? The news, Pleuig-
feiten, erwiderte unser Journalist, was
versteht Ihr denn unter pleuigkeiten? Der
Amerikaner belehrte uns nun, daß es
seinen Lesern weniger um das wichtige,
als mehr um das Interessante zu tun sei.
was findet Ihr denn interessant? „Alles,
was menschlich und ungewöhnlich zugleich
ist. Alles was eine alte Dame ausrufen
laßt: Um Gotteswillen! Alltägliche Vor-
kommnisse sind für uns keine Neuigkeiten,
wenn Neuigkeiten auch aus dem Alltag
stammen müssen, wenn ein Hund einen
Mann beißt, so ist das keine Neuigkeit,
aber wenn ein Mann einen Hund beißt,
das ist news. Ein Zeitungsbericht darf
sich nicht lesen wie ein statistisches Jahr-
buch, sondern muß packend sein wie ein
Melodrama." Nun verstehen wir aller-
dings die Greuelfreudigkeit in den Blat-
tern des wilden Westens!
Hindenburg und die Journalisten
er neunzigste Geburtstag unsres all-
verehrten Reichspräsidenten, dessen wir
mit der Hindenburgspende gedenken, erin-
nert uns an ein Interview, das der alte
Herr über sich ergehen lassen mußte. Es
war bei seiner Wiederwahl zum Reichs-
präsidenten. Ein Amerikaner erkundigte
sich, was er tun würde, wenn man ihn
nicht wiederwählte. „Dann gehe ich in die
Rocky Mountains und schieße Baren." —
„Und wenn Sie das getan haben, was tun
Sie dann?" fragte der Amerikaner weiter.
— „Dann gehe ich zu Ihrem Präsidenten
und frage ihn, ob die Journalisten an ihn
auch so dumme Fragen richten", antwortete
schlagfertig der alte Herr.
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