AUS UNSEREM
SKIZZENBUCH
Vereins-Gründung
iner unserer Mitarbeiter hatte Gele-
genheit, einer lustigen Vereins-Grün-
dungs-Sitzung beizuwohnen. Der Verein
hat sich die Aufgabe gestellt, die Jünger
des edlen Billardsportes in die Geheim-
niste der rollenden Elfenbeinkugel einzu-
weihen. Gar nicht so leicht; denn wer stch
ernst mit diesem Sport befaßt, merkt erst,
wie schwer es ist, und wie die weiße Rugel
durch eine geheimnisvolle Rraft der Be-
wegung hinterlistigerweise immer zu der
Stelle rollt, an der man sie nicht haben
will. Manche ärgern sich, wenn, wie dies
in der Billardsprache heißt, „seine Balle
ihn nicht verstehen", und haben dann alle
möglichen Gründe für dieses Vlichtver-
stehen. Der eine gibt dem Gueu die
Schuld, der andere dem Wetter, einer,
den wir kennen, behauptet konsequent, der
andere Spieler behindere ihn und wieder
ein anderer gibt an, den ganzen Dag
Risten genagelt zu haben. Also: Es wird
ein Vorstand gewählt. Der erste Antrag
aus der Mitte der Anwesenden ging dahin,
jedem auf Vereinskosten eine Halbe Bier
zu genehmigen. Er mußte einstimmig ab-
gelehnt werden, weil die Raste vorerst
noch eine öde deeve aufwies. Dann erfolgte
die Mahl des Schriftwartes, des Spiel-
wartes, und anderer unbesoldeter Stellun-
gen. Es war erstaunlich, wie schnell und
flink dies vor sich ging. Raum war einer
der Herren in Vorschlag gebracht, als auch
schon in Sekundenschnelle die Arme der
übrigen wahlberechtigten emporflitzten
und damit die Mahl rechtskräftig bestätig-
ten. Ein Miderspruch des Auserwählten
verlor sich aussichtslos in den heiteren
Glückwünschen, die ihn von allen Seiten
überschütteten. Vlach solchermaßen vor-
genommener Mahl verstieg sich einer der
Beisitzer lächelnd zu der überheblichen
Bemerkung: „Und jetzt brauchen wir noch
Mitglieder!"
Aber er hat stch verrechnet. Es muß
gesagt werden, daß der Verein inzwischen
zu einer respektablen und ernst zu neh-
menden Größe an gewachsen ist.
Berühmte Sängerin
iner unserer Freunde, Besitzer eines
neuen Magens, lud uns zu einer Spazier-
fahrt ein. Es war einer dieser modernen
Magen, wo man — Gott sei 's geklagt! -
auf die früheren Reize des Autofahrens,
das Rütteln und das Brausen des Motors,
verzichten muß. Man hat lediglich die
Annehmlichkeit, stch schnell fortzupflanzen.
Schnell wie ein Blitz, geräuschlos wie ein
Schatten. So oder ähnlich lautete das
Merbeschlagwort. Hirn saßen wir also,
w e I d e n
im Polstersessel zurückgelehnt und trocken,
in dieser kleinen, behaglichen Stube und
ließen das Jsarpanorama der widen-
mayerstraße abrollen, während der Herbst-
regen leise niederstäubte, plötzlich hörte
die Prachtstraße auf und es kam ein Feld-
weg. Davor ein Schild: Gesperrt fiir
Rraftfahrzeuge. Darunter ein zweites
Schild: Sackstraße. „Sieh da", sagte unser
Freund. „Mie schnell man berühmt wird.
Da haben sie nach der Erna Sack wahr-
haftig schon eine Straße genannt."
Pech
ie oft mag sich in München ein Fall
wie der folgende zutragen, dessen Zeuge
wir wurden:
Ein junger Mann läßt seine Blicke in
der Straßenbahn über die Galerie der
gegenübersttzenden Frauen schweifen. Da
stets die nächstauffälligere Dame von den
Nlitfahrerinnen kritisch gemustert wird,
fiel es ihm nicht schwer, diejenige heraus-
zufinden, auf der sich die meisten kriti-
schen Blicke vereinigten. Die Ronkurrenz
hatte recht: Sie war zweifellos die hüb-
scheste lind eleganteste. Sie schaute zufäl-
lig herüber, und er fühlte sich angeblickt.
Sie stieg um, er stieg um. Er verfolgte
sie durch die ganze Stadt, bis sie nach der
Uhr sah und sich zu den Rathaus-Licht-
spielen begab. Dort ging sie zum Schalter;
der junge Mann stürzte hinterher und
fragte: „wo sitzt die Dame-" — „Zweiter
Platz", sagte das Fraulein. „Dann geben
Sie mir eine in derselben Reihe oder
dahinter." Er bekam die Rarte. Sie aber,
die Göttliche, war wieder hinausgegangen.
Sie ging auf und ab, er ging auf und ab.
Sie schaute ihn nicht an. V^ach langem
Ringen aber faßte er sich ein Herz und
ging schon auf sie zu, um sie anzusprechen
als ihm ein anderer zuvorkam: unver-
kennbar i-hr Mann. „Da bist du ja, Lieb-
ling", strahlte sie ihm entgegen. — Pech
sowas: ^ _ _.
Weiden
738
SKIZZENBUCH
Vereins-Gründung
iner unserer Mitarbeiter hatte Gele-
genheit, einer lustigen Vereins-Grün-
dungs-Sitzung beizuwohnen. Der Verein
hat sich die Aufgabe gestellt, die Jünger
des edlen Billardsportes in die Geheim-
niste der rollenden Elfenbeinkugel einzu-
weihen. Gar nicht so leicht; denn wer stch
ernst mit diesem Sport befaßt, merkt erst,
wie schwer es ist, und wie die weiße Rugel
durch eine geheimnisvolle Rraft der Be-
wegung hinterlistigerweise immer zu der
Stelle rollt, an der man sie nicht haben
will. Manche ärgern sich, wenn, wie dies
in der Billardsprache heißt, „seine Balle
ihn nicht verstehen", und haben dann alle
möglichen Gründe für dieses Vlichtver-
stehen. Der eine gibt dem Gueu die
Schuld, der andere dem Wetter, einer,
den wir kennen, behauptet konsequent, der
andere Spieler behindere ihn und wieder
ein anderer gibt an, den ganzen Dag
Risten genagelt zu haben. Also: Es wird
ein Vorstand gewählt. Der erste Antrag
aus der Mitte der Anwesenden ging dahin,
jedem auf Vereinskosten eine Halbe Bier
zu genehmigen. Er mußte einstimmig ab-
gelehnt werden, weil die Raste vorerst
noch eine öde deeve aufwies. Dann erfolgte
die Mahl des Schriftwartes, des Spiel-
wartes, und anderer unbesoldeter Stellun-
gen. Es war erstaunlich, wie schnell und
flink dies vor sich ging. Raum war einer
der Herren in Vorschlag gebracht, als auch
schon in Sekundenschnelle die Arme der
übrigen wahlberechtigten emporflitzten
und damit die Mahl rechtskräftig bestätig-
ten. Ein Miderspruch des Auserwählten
verlor sich aussichtslos in den heiteren
Glückwünschen, die ihn von allen Seiten
überschütteten. Vlach solchermaßen vor-
genommener Mahl verstieg sich einer der
Beisitzer lächelnd zu der überheblichen
Bemerkung: „Und jetzt brauchen wir noch
Mitglieder!"
Aber er hat stch verrechnet. Es muß
gesagt werden, daß der Verein inzwischen
zu einer respektablen und ernst zu neh-
menden Größe an gewachsen ist.
Berühmte Sängerin
iner unserer Freunde, Besitzer eines
neuen Magens, lud uns zu einer Spazier-
fahrt ein. Es war einer dieser modernen
Magen, wo man — Gott sei 's geklagt! -
auf die früheren Reize des Autofahrens,
das Rütteln und das Brausen des Motors,
verzichten muß. Man hat lediglich die
Annehmlichkeit, stch schnell fortzupflanzen.
Schnell wie ein Blitz, geräuschlos wie ein
Schatten. So oder ähnlich lautete das
Merbeschlagwort. Hirn saßen wir also,
w e I d e n
im Polstersessel zurückgelehnt und trocken,
in dieser kleinen, behaglichen Stube und
ließen das Jsarpanorama der widen-
mayerstraße abrollen, während der Herbst-
regen leise niederstäubte, plötzlich hörte
die Prachtstraße auf und es kam ein Feld-
weg. Davor ein Schild: Gesperrt fiir
Rraftfahrzeuge. Darunter ein zweites
Schild: Sackstraße. „Sieh da", sagte unser
Freund. „Mie schnell man berühmt wird.
Da haben sie nach der Erna Sack wahr-
haftig schon eine Straße genannt."
Pech
ie oft mag sich in München ein Fall
wie der folgende zutragen, dessen Zeuge
wir wurden:
Ein junger Mann läßt seine Blicke in
der Straßenbahn über die Galerie der
gegenübersttzenden Frauen schweifen. Da
stets die nächstauffälligere Dame von den
Nlitfahrerinnen kritisch gemustert wird,
fiel es ihm nicht schwer, diejenige heraus-
zufinden, auf der sich die meisten kriti-
schen Blicke vereinigten. Die Ronkurrenz
hatte recht: Sie war zweifellos die hüb-
scheste lind eleganteste. Sie schaute zufäl-
lig herüber, und er fühlte sich angeblickt.
Sie stieg um, er stieg um. Er verfolgte
sie durch die ganze Stadt, bis sie nach der
Uhr sah und sich zu den Rathaus-Licht-
spielen begab. Dort ging sie zum Schalter;
der junge Mann stürzte hinterher und
fragte: „wo sitzt die Dame-" — „Zweiter
Platz", sagte das Fraulein. „Dann geben
Sie mir eine in derselben Reihe oder
dahinter." Er bekam die Rarte. Sie aber,
die Göttliche, war wieder hinausgegangen.
Sie ging auf und ab, er ging auf und ab.
Sie schaute ihn nicht an. V^ach langem
Ringen aber faßte er sich ein Herz und
ging schon auf sie zu, um sie anzusprechen
als ihm ein anderer zuvorkam: unver-
kennbar i-hr Mann. „Da bist du ja, Lieb-
ling", strahlte sie ihm entgegen. — Pech
sowas: ^ _ _.
Weiden
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