Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

G g. P e r e t z , Wien

„Hier hat auch Dante längere Zeit gelabt.“

„So, davon hat se mer nischt erzählt.“

Z JL
- I

a

te er ten

gareUen

Eine Lausbuben-Erinnerung von 2l. Röpf (Tirol)


die nun die Welt veranlaßten, sie in den
Fimmel zu heben? — Ihren Vater, der
nur ihretwegen die Reise nach Rom unter-
nommen hatte, empfing Maria voller
Freude; nur, als er die Hoffnung aus-
sprach, sie werde doch nun gewiß den
Bauer Raimondo heiraten, schüttelte sie
den Ropf. Savorini, der das mitanhörte,
wagte nun noch einmal für sich zu bitten
und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Da
lächelte sie ein wenig matt, reichte ihm die
Hand und sagte nur: „In sechs Monaten,
wenn Sie mich dann noch einmal fragen,
dann werde ich ja sagen." Den Sinn dieser
Rede verstand er nicht.

Um die Wahrheit zu sagen: der gött-
liche Funke brannte zu heftig in ihr. Ver-
gebens übte Doktor Corona feine Runst
und versuchte, Maria wenigstens eine
weile der Atelierarbeit fernzuhalten.
Denn die hektische Rote auf ihren Wangen
und die brennenden Augen ließen Böses
ahnen.

Und wirklich: die Minerva blieb die
erste und einzige Schöpfung der Magd
Maria, welche starb am ir. Mai i§o).

Liebe fugend!

„Rosa", sagte die Hausfrau, „ich gehe
jetzt zu einer Abendgesellschaft; sollte ich
bis Mitternacht nicht zurück sein, so legen
Sie sich ruhig nieder."

„Is recht, gnädige Frau", meinte das
neue Mädchen treuherzig. „Sie können
mir ja auch morgen alles erzählen!"

,,^>ag mir, mit wem du umgehst, —
dann sag ich dir, wer du bist". Ich ging
mit dem Nestl um. Sein voller Name
war Ernest Ciegentasch. wir waren dicke
Freunde und Weggenossen. Er war ein
wirklich lieber Rerl, mit einer Stumps-
nase, die derart mit Sommersprossen
bedeckt war, als ob sie zur Sommerszeit
in einer Bauernstube als Fliegenfänger
benützt worden wäre. Das war auch jener
Umstand, der unfern Lehrer, der sich
sofort wie ein Raubtier auf alle Gebrechen
seiner Opfer stürzte, zum bedeutungsvollen
Satze aufwiegelte: „Fürchtet euch vor den
Gezeichneten!"

Nachdem er mir diesen tiefsinnigen Satz
etwa ein Dutzendmal mit dramatischer
Mimik ins Ohr geflüstert hatte, ohne sicht-
bare Erfolge bei mir zu bemerken, nahm
er mich zur Seite und hielt folgende Rede:

„Mein lieber, von deinen Eltern mir
anvertrauter Schüler! Es ist meine ver-
dammte Pflicht und Schuldigkeit Beistrich
— für das leibliche sowohl als auch für
das geistige Wohl meiner Schüler ein
Schirm- und Schutzherr zu sein. Gedan-
kenstrich. In dem daß jedoch leider und
trotzdem ich nicht etwa nur ein- zwei- drei-

sondern vielmal dich gewarnt habe vor
einer verderblichen Freundschaft, diese
meine Warnungen alle von dir, du Tauge-
nichts, unbeachtet blieben, blieben und —
wie ich nach den gegebenen Umstanden
anzunehmen leider mich bemüßigt fühle —
immer bleiben werden, so poche ich nun
aus die mit meinem Amte parallel lausende
Autorität und befehle: Daß du sofort jene
verderbliche Freundschaft auszugeben hast,
ansonsten ich es nicht verabsäumen werde,
die entsprechenden Gegenmaßregeln zu
ergreifen! — Setzen!"

„Amen", stammelte ich.

Aus das hin stiegen der Nestl und ich
zwar nicht auf den Rütliberg, wohl aber
auf den Zunderkopf, legten die trauer-
berandeten Finger ineinander, schauten
uns mit heldenhaftem Augenaufschlag
starr an (wobei ich trotz der Feierstunde
ein Lächeln fast nicht unterdrücken konnte,
denn Nestls Fliegenfänger glühte begeiste-
rungstrunken und ein großer Tropfen
hing darunter) und schworten:

„wir wollen sein, ein einig Volk von
Brüderln,

lieber den Tod, als in der Knechtschaft
leben!"

6
Register
G. Peretz: Zeichnung ohne Titel
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
A. O. Köpf: Die ersten Zigaretten
 
Annotationen