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Vas sonderbarstelaufgeschenk

Von XO. B ü r k m a y e r

urz vor dem Jahre )$co war Maxi-
mrlian Joseph, Herr zu Rappoltstein,
Kommandeur des Regiments d' alsace in
Straßburg. Die Grenadiere des Regiments
liebten ihren Rommandanten abgöttisch,
was vielleicht an: besten in dem Beiwort
„unser Map" zum Ausdruck kam, womit
sie den Rappoltsteiner bedachten.

Eines Tages gab es große Aufregung
in der Raserne. Der Weibel verkündete:
unser hochverehrter Rommandant ist
heute von seiner Gemahlin mit einem
strammen Jungen beschenkt worden! Das
gab Jubel und Freude! Aber auch Sorge.
Denn alle Grenadiere waren sich einig,
daß für den Täufling ein honoriges Ge-
schenk beschafft werden mußte. Doch was
sollte es sein- Ein silberner Becher, eine
gestickte Fahne, ein fein ziselierter Löffel?
Nein, nein — nichts von dem! Etwas Be-
sonderes mußte es sein, der kleine Rappolt-
steiner sollte etwas Einmaliges, noch nie
Dagewesenes erhalten.

Vorschläge über Vorschläge wurden bei
der Versammlung in der Regimentskantine
gemacht, doch keine Einigung erzielt. Bis
schließlich der Weibel Ruhe gebot.

„Ich Hab 's", rief er mit froher Miene.

„wir wollen dem Täufling ein Taufkiffen
schenken!"

„pah!" — der Vorschlag fand wenig
Gegenliebe. „Ein Taufkiffen — das ist
fürwahr nichts Besonderes!"

Aber der Weibel ließ sich nicht abbrin-
gen. „Ein Taufkissen", meinte er mit
erhobener Stimme, „ist nichts Besonderes.
Da habt ihr recht! Aber wir werden es
zu etwas Besonderem machen durch die
Füllung. Mit dem Besten, was wir zu
vergeben haben, mit etwas, worauf wir
alle stolz sind, werden wir das Riffen
füllen, mit den haaren unserer — Barte!"

Das war ein Jammern nach dieser Er-
klärung! „was? Unsere Barten Xltxn,
Weibel, das kann nicht dein Ernst sein!
was würden unsere Weiber dazu sagen-
Verspotten würden sie uns, auslachen!
Weibel, denk' dir etwas anderes aus!" So
gingen die Reden in der Runde.

„Sprecht nicht von auslachen", nahm
der Weibel wieder das Wort. „Im Ge-
genteil, wir geben damit ein Beispiel
soldatischen Zusammenhaltens, ein Bei-
spiel des Gemeinsinnes, von dem man
noch lange mit Bewunderung sprechen
wird. Und dann — ein Bart wachst wie-
der nach, sagt nur das auch euren lamen-
tierenden Weibern." Diesen Auslegungen
war wenig entgegenzusetzen und es dauerte
nicht lange bis der Weibel der Zustimmung
aller gewiß war.

Das Riffen wurde angefertigt und
Maximilian feierlich überreicht. Aller-
dings — von dem merkwürdigen Inhalt
bekam er noch keine Kenntnis. Wohl aber
wunderte sich der Rappoltsteiner stark
über das geringe Gewicht der Gabe und
wahrend er das Rissen auf den fanden
wog, sinnierte er: „Mit was mag es ge-
füllt sein? welches Tier kann solch' feine
Daunen liefern? Ah — wie weich wird
mein Junge darauf gebettet sein, er wird
darauf liegen wie auf Luft. Möge er
immer in seinem Leben so ein weiches
Lager finden."

Am Tag nach der Taufe kam dann das
Geheimnis auf. Maximilian Joseph ließ
das Regiment antreten und er staunte
nicht wenig, als ihm aus den festgezogenen
Rinnriemen seiner Grenadiere lauter bart-
lose Gesichter entgegenblickten.

Die Aufklärung gab der Weibel. Maxi-
milian Joseph war auf's Tiefste gerührt
und als er die Reihen abschritt, kam ihm
immer wieder der Gedanke: sie kommen
mir alle vor wie Rinder — meine
Rinder!

Nach einigen Monaten mußte Maxi-
milian Joseph Straßburg ade sagen, er
bestieg als Max Joseph den bayerischen
Thron. Das sonderbare Taufkiffen blieb
ihm in der königlichen Residenz das liebste
Erinnerungsstück an die Straßburger Zeit
und an seine treuen Grenadiere.
Register
Hans Willi Bürkmayer: Das sonderbarste Taufgeschenk
Alfons Graber: Das Urteil des Paris
 
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