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26enn Papa psundheller nach ^ause
kommt, hangt er seinen Mantel — nnc
sich das für einen wohlerzogenen Ehemann
ja auch gehört — immer schön und ordent-
lich an den Garderobestander im Korri-
dor. Das ist eine altvertraute Selbstver-
ständlichkeit, die Papa pfundheller so in
Fleisch und Blut übergegangen ist, daß er
es gar nicht anders kennt.

Einmal aber hat Papa psundheller den
Pfad dieser häuslichen Tugend doch ver-
lassen. Das war in einer stillen Winters-
nacht, als Papa pfundheller am Ende
eines ungewöhnlich langen Kegelabends
heimgekommen war. Da spazierte er ganz
gegen seine sonstige Gewohnheit am
Garderobestander schnurstracks vorüber
direkt ins eheliche Schlafgemach hinein und
hangte seine ganze männliche Hülle, vom
zweireihigen Mantel bis zu den gestreiften
Unaussprechlichen, gleich in den Kleider-
schrank. Aber das geschah nicht ungestraft.

Am nächsten Tage war 's Sonntag. Da
wollte Papa psundheller verreisen, zu

seinem Jüngsten, der in R., einem Nach-
barstadtchen, wohnt. Pfundkellers haben
zwei Söhne; der altere ist zu Hause. Also:
früh am Morgen machte Papa pfund-
heller sich auf die Beine, nahm gewokn-
heitsgemaß Mantel und Hut vom Riegel
und zog vergnügt und froh von dannen.
Daß er aber seines ältesten Sohnes Man-
tel angezogen, der an Größe und Farbe
dem seinen glich — der Korridor war
dunkel, Papa Pfundkeller noch nicht ganz
ausgeschlafen, der Mantel war weder zu
eng noch zu weit, weder zu kurz noch zu
lang — wie sollte Papa psundheller da
wissen...

Papa pfundheller trug also den schönen
zweireihigen Wintermantel seines Ältesten
wie seinen eigenen. Und zog ihn nicht eher
aus, bis er mit seinem Jüngsten um die
Mittagsstunde im „Ratskeller" zu R. Ein-
kehr hielt. Aber dann, als sie vom Mit-
tagbrot aufstanden und Papa psundheller
nach Hut und Mantel greifen wollte, da
stellte er zu seiner großen, sehr unange-

nehmen Überraschung fest, daß jemand
seinen Mantel vertauscht habe. Denn der
Mantel, der da unter seinem Hute hing,
das war sein Mantel nicht. Wohl sah er
dem seinen recht ähnlich, aber nein, sein
Mantel war das bestimmt nicht. Der
Wirt meinte, dann könnte höchstwahr-
scheinlich nur jener Herr ihn vertauscht
haben, der mit einer Dame am Neben-
tisch gesessen habe. Diese Herrschaften
hatten geäußert, meinte der Wirt, daß sie
zur Burg hinauf wollten, wenn er, Herr
pfundheller, rasch hinterher gehen würde,
werde er die Leutchen gewiß bald finden.

Papa psundheller und sein Jüngster
stürmten eilends davon. Keuchend stiegen
sie den Berg hinan, liefen durch die Burg,
kreuz und quer, liefen um die Burg,
musterten sorgsam jeden Mantel, der ihnen
entgegenkam; aber sie fanden niemanden,
der einen solchen Mantel trug, wie Papa
pfundheller ihn vermißte.

Von der Burg stiegen Vater und Sohn
wieder hinab in die Stadt und gingen

Zum Sportzug W. Sandstein

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Walter Sandstein: Zum Sportzug
Hans Herms: Der Mantel
 
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