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sellschaft, Theater und Ronzerte. Er hatte
seither oft und oft an die Möglichkeit
eines Diensttausches mit einem wiener
Rollegen gedacht. Er war gerne bereit,
jedes Opfer zu bringen. Und mitten
hinein in alle Erwägungen und Bedenken
war die Anzeige im „Mittelschullehrer"
aufgetaucht. Er hatte Brigitte nichts von
seiner Reise nach Wien geschrieben. Es
sollte eine Überraschung sein...

„Hallo! *£iev Brigitte Mollhof. Ja,
ich bin selbst am Fernsprecher! Ach Herr
Professor! Das ist furchtbar nett! Selbst-
verständlich können Sie heute kommen.
Ich bin zu Mauser Um 5 Uhr! Und seien
Sie pünktlich! Auf Wiedersehen!"

Brigitte hing den Hörer ab. Das war
wirklich eine liebe Überraschung. Sie
freute sich aufrichtig. Ein bißchen unge-
schickt war nur, daß gerade für heute vom
Seminar ein gewisser Heurigenbesuch
ausgemacht worden war. Sie hatte dem
jungen, eleganten Privatdozenten fest zu-
gesagt. Sollte sie ihren Gast mitnehmen;
Man würde ja sehen. Eine etwas zwie-
spältige Angelegenheit sind so unangesagte
Besuche im Grunde halt immer.

Der Professor fühlte sich ein bißchen
müde von all dem unruhigen Gehaste und
Getriebe und den vielen Besprechungen in
der großen Stadt. Aber als er Punkt
5 Uhr mit seinem kleinen, in Seidenpapier

gehüllten Strauß vor der eleganten, weiß-
lackierten Wohnungstür stand, stieg doch
eine heiße Welle von Erwartung und
Sehnsucht in ihm hoch.

„herzlich willkommen!" Mit ausgestreck-
ten fanden kam ihm Brigitte entgegen.
„Oh, und die schönen Rosen! Vielen,
vielen Dank!" Geschmackvoll ordnete sie
die Blumen in die bunte Reramikvase.
Und dabei fragte sie immer wieder: „Und
was gibt es Neues in unserem verträum-
ten Donaustädtchen; wie geht es Rolfi;
Und sind viele Gaste beim Löwen- Sie
müssen mir alles, alles erzählen!"

Sie sprach hastig und um einen Ton zu
lebhaft, um ihre leise Enttäuschung nicht
zu verraten. Dabei ärgerte sie sich über
sich selbst. Das waren ja nur Äußerlich-
keiten. Aber warum trug der Unglücks-
mensch nicht den hübschen grauen Sport-
anzug, der so gut zu seiner großen, breit-
schultrigen Gestalt paßte; Dieser nicht
recht sitzende schwarze Rock zu den derben,
jetzt etwas verstaubten Schuhen! Sie sah
förmlich im Geiste das spöttische Lächeln
ihrer lieben Rollegin Lizzi, wenn sie mit
ihm beim feurigen auftauchte: „Ach, sieh
da, Brigitte hat Besuch aus der Provinz!"
Nein, zum feurigen konnte sie Professor
Raltenegger nicht mitnehmen! Schade!
Sie konnte einen leisen Seufzer nicht
unterdrücken. Und dabei goß sie den Tee

in die durchscheinenden Porzellantassen
und schob das Anrichtetischchen mit den
Sandwichplatten näher heran. „Greisen
Sie doch zu! Alles selbst gemacht! Und
jetzt berichten Sie!"

Ein wenig unbeholfen und klobig saß
der Professor in dem roten Stahlrohr-
sessel und rührte mechanisch in seiner Taffe.
Stockend begann er. Am Marktplatz habe
man die Sgrafsiti am alten Apotheker-
haus endlich ganz freigelegt. Und Rolf sei
wieder einmal ausgerissen und mitten in
der Nacht patschnaß als reuiger Sünder
heimgekehrt. Und am Burgberg blühten
bereits die Veilchen.

hilflos fühlte er selbst, wie unbedeutend
seine Neuigkeiten waren und wie wenig
innerlich berührt ihm Brigitte zuhörte.
Er mußte sie immer wieder ansehen. Sie
kam ihm ganz anders vor, viel mehr
Dame, viel weniger Frau und Ramerad.

„Und was hat sie eigentlich nach Wien
geführt;" Verlegen hob er die Achseln.
Sein armer, kleiner Traum vom Glück
kam ihm plötzlich dieser gewandten, jungen
Dame gegenüber so lächerlich vor.

Da klopfte das Stubenmädchen. „Der
*£evv privatdozent hat angerufen! Ob er
das gnädige Fräulein um 7 Uhr abholen
dürfe;"

„Nein, nein!", hastig fuhr Brigitte
herum. Sagen Sie ihm, ich käme allein


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Brücke

Franz Doll

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Franz Doll: Brücke
 
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